Autounfälle in Deutschland: Sollten Senioren zum Fahreignungstest?

Die EU will Autofahrer ab 70 zu Fahreignungstests verpflichten. Werden Seniorinnen und Senioren mit zunehmendem Alter tatsächlich zum Verkehrsrisiko? Eine neue Studie könnte Klarheit bringen.

Von Jens Voss
Veröffentlicht am 30. März 2023, 14:01 MESZ
Eine hoch betagte Frau sitzt am Steuer eines Autos. Mobil im hohen Alter: Viele Senioren sind ...

Mobil im hohen Alter: Viele Senioren sind auf das Auto angewiesen.

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Die Diskussion schwelt seit Jahren. Jetzt ist sie neu entflammt: Die EU-Kommission will, dass Seniorinnen und Senioren ab 70 ihre Fahrtauglichkeit beweisen. Alle fünf Jahre sollen künftig Eignungstests durchgeführt werden. Ziel ist es, die Verkehrsunfälle zu reduzieren. Allein 2022 starben EU-weit fast 21.000 Menschen im Straßenverkehr. 

Die deutsche Bevölkerung ist sich uneinig: Laut einer repräsentativen Umfrage von t-online plädiert die Mehrheit der jüngeren Befragten für einen Fahrtauglichkeits-Check ab 70, die meisten älteren sprechen sich dagegen aus. Insgesamt herrscht ein gemischtes Meinungsbild.

Ob die Führerschein-Reform der EU so umgesetzt wird, ist noch unklar. In einigen Ländern Europas wie Dänemark, Schweiz oder Spanien sind Eignungstests aber längst Praxis. Hierzulande gibt es keine Altersbeschränkungen. Hat man den Auto- oder Motorradführerschein in der Tasche, gilt er in der Regel ein Leben lang. Überprüfungen gibt es nur in besonders begründeten Einzelfällen.

Sind Senioren schlechtere Autofahrer?

Geht es nach Deutschlands größtem Automobilclub, soll das auch so bleiben. Der ADAC lehnt verpflichtende Fahreignungstests für Senioren ab. Ältere Verkehrsteilnehmende führen meist besonders vorsichtig und vorausschauend. Senioren seien keine schlechteren Autofahrer. 

„Der EU-Vorschlag zu Fahreignungstests ab dem 70. Lebensjahr geht an der Realität vorbei und kann so nicht bleiben“, sagt ADAC-Verkehrspräsident Gerhard Hillebrand. Das Unfallrisiko älterer Kraftfahrer sei nicht außergewöhnlich hoch. Der Verkehrsclub beruft sich dabei auf Unfallauswertungen des Statistischen Bundesamts.

Tatsächlich sind junge männliche Autofahrer den Statistiken zufolge das größte Unfallrisiko auf deutschen Straßen. Ältere Menschen sind seltener in Verkehrsunfälle verstrickt. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts war 2021 jeder siebte Beteiligte (14,5 Prozent) an Unfällen mit Personenschaden 65 Jahre und älter. Der Anteil dieser Altersgruppe an der Gesamtbevölkerung war aber im Berechnungszeitraum mit 22,1 Prozent deutlich höher. 

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    Verkehrsunfälle: Ältere Menschen haben häufiger Schuld

    Allerdings dürfte die geringere Unfallbeteiligung älterer Menschen einen einfachen Grund haben. Senioren fahren seltener Auto. Zum Beispiel, weil sie nicht mehr zur Arbeit müssen und auch sonst weniger unterwegs sind als jüngere Menschen. Werden sie aber in einen Unfall verwickelt, so sind sie häufig die Hauptverursacher. 

    Das Statistische Bundesamt hat errechnet, dass Autofahrer ab 75 im Jahr 2021 in drei von vier Fällen die Hauptschuld an einem Unfall trugen. Auffällig häufiger als Jüngere missachteten sie die Vorfahrt, machten Fehler beim Abbiegen, Wenden, Rückwärtsfahren, Ein- und Anfahren. Oft erleiden sie hierbei schwerere Unfallschäden als Jüngere. 

    Klar ist: Viele Senioren sind auf das Auto angewiesen. Es ermöglicht Mobilität bis ins hohe Alter. Fakt ist aber auch, dass Sehvermögen, Hörfähigkeit und Reaktionsgeschwindigkeit mit zunehmenden Lebensjahren nachlassen – und damit die Verkehrstauglichkeit abnimmt. Der Anteil älterer Menschen im Straßenverkehr wächst weiter. Der demografische Wandel dürfte also zu mehr Unfällen führen.

    Neue Studie: Fahreignungstests führen zu weniger Unfällen

    Zwar bieten ADAC, TÜV, Dekra und andere Verkehrsorganisationen freiwillige Mobilitäts-Checks an. Was aber bringen solche Tests, wenn die meisten Autofahrerinnen und Autofahrer sie gar nicht nutzen? Das liegt auch daran, dass Verkehrsteilnehmer – egal welchen Alters und Geschlechts – dazu neigen, ihre eigenen Fähigkeiten zu überschätzen.

    Sollte es also auch in Deutschland verpflichtende Fahreignungstests für Senioren geben? Eine neue Studie zeigt, dass solche Checks tatsächlich zu weniger Autounfällen führen können. Die Forschenden haben dazu Polizeidaten zu 602.885 Verkehrsunfällen ausgewertet, die sich zwischen 2012 und 2019 in Japan ereigneten und an denen Menschen ab 70 beteiligt waren.

    Ein Ereignis interessierte das Team um Gesundheitsforscher Haruhiuko Inada dabei besonders: Im Jahr 2017 gab es eine Gesetzesänderung in Japan, im Zuge derer verpflichtende kognitive Screening-Tests für ältere Fahrer eingeführt wurden. Mithilfe solcher Tests lässt sich die Denkleistung überprüfen. 

    Ältere Menschen benötigen oftmals mehr Zeit, um eine unübersichtliche Situation gedanklich zu erfassen und entsprechend daruaf zu reagieren. Wurde Seniorinnen und Senioren dabei beispielsweise sogar Demenz nachgewiesen, konnte ihnen der Führerschein entzogen werden. Laut Studie sind die Unfallzahlen bei älteren Menschen nach Einführung der Screening-Tests kontinuierlich gesunken. 

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