„Jahrhundertfund“ in Norwegen: 1.500 Jahre alter Goldschatz ausgegraben
Nördlich der norwegischen Stadt Stavanger hat ein Hobby-Schatzsucher einen beachtlichen Goldschatz entdeckt. Die Anhänger, Perlen und Ringe aus dem 6. Jahrhundert haben nicht nur einen hohen archäologischen Wert.
Noch voller Erde: Dieses Foto des alten Goldschmucks nahm Finder Erlend Bore direkt am Fundort auf. Er war mit seinem Metalldetektor auf den Schatz gestoßen.
Auf der norwegischen Insel Rennesøy, nördlich von Stavanger, ist ein Hobby-Forscher mit seinem Metalldetektor auf einen außerordentlichen Schatz gestoßen: Er fand neun Münzanhänger, zehn Perlen und drei Ringe aus dem 6. Jahrhundert – alles aus Gold und extrem gut erhalten. „Zuerst dachte ich, ich hätte Schokoladenmünzen oder einen Piratenschatz aus Plastik gefunden“, sagt der Finder Erlend Bore aus Sola in der Meldung des Archäologischen Museums der Universität Stavanger, das den Fund untersucht. „Es war surreal.“
Der Fund hat nicht nur hohen archäologischen Wert, sondern auch finanziellen: insgesamt sind es über 100 Gramm Gold – und damit über 5.000 Euro. „Das ist der Fund des Jahrhunderts in Norwegen“, sagt Ole Madsen, Direktor des Archäologischen Museums. Eine so große Menge an Gold zu finden, sei äußerst selten.
Vergraben als Opfergabe – oder zum Schutz vor Dieben
Der Geldwert ist dabei für die Archäologie natürlich egal. Hier zählt vor allem, dass die Gegenstände gut erhalten sind – und die Geschichte, die sie erzählen.
Einer der Ringe, die Erlend Bore auf der Insel Rennesøy entdeckt hat.
Archäologe Theo Eli Gil Bell hat rekonstruiert, wie die goldene Kette ausgesehen haben könnte.
Nach Angaben des Archäologischen Museums stammen die Goldanhänger aus der Zeit um 500 n. Chr.. Damals fanden in Norwegen Völkerwanderungen statt. Die auch Brakteaten genannten Goldanhänger wurden zu dieser Zeit hauptsächlich als Schmuck und nicht zum Kauf oder Verkauf von Waren verwendet. Zusammen mit den Goldperlen dürften sie damals als Halsschmuck gedient haben (siehe Foto).
Bisher wurden in Skandinavien rund 1.000 dieser Münzanhänger gefunden. „Viele der wichtigsten Brakteatenfunde sind Mitte des 6. Jahrhunderts vergraben worden“, erklärt Professor Håkon Reiersen vom Archäologischen Museum. „Entweder als Opfergaben für Götter oder um sie vor Dieben zu verstecken.“ Forschungen zufolge ist diese Zeit in der Region von Missernten und Seuchen gezeichnet. „Die zahlreichen verlassenen Bauernhöfe in Rogaland aus dieser Zeit lassen darauf schließen, dass die Krise diese Region besonders hart getroffen hat“, so Reiersen.
Seltene Pferdesymbole auf Münzen
Auf den bisher gefundenen Anhängern ist meist der Gott Odin dargestellt, der das kranke Pferd seines Sohnes Balder heilt. Während der Völkerwanderungszeit galt diese Szene als Symbol der Erneuerung und Auferstehung – was auf die Träger*innen abstrahlen sollte. Die jetzt gefundenen Brakteaten ziert jedoch ein bislang unbekanntes Pferdemotiv: Die Zunge des Pferdes hängt heraus, die Beine sind verdreht, es ist offensichtlich krank und es ist alleine.
Finder Erlend Bore mit seinem Metalldetektor – und dem 1.500 Jahre alten Goldschatz. Er ist erst seit kurzem in die Schatzsuche eingestiegen. Der Grund: Sein Arzt hatte ihm gesagt, er solle öfter an die frische Luft.
„Ähnlich wie das christliche Symbol des Kreuzes, das sich zur gleichen Zeit im Römischen Reich verbreitete, symbolisierte das Pferdesymbol Krankheit und Not – aber auch Hoffnung auf Heilung und neues Leben“, sagt Sigmund Oehrl, Experte für Brakteaten und ihre Symbole.
Finderlohn steht noch aus
Während der historische Goldschmuck analysiert wird, sucht der glückliche Finder mit seinem Metalldetektor wohl weiter. Er wird – so sieht es das norwegische Gesetz vor – einen Finderlohn bekommen. Wie hoch dieser ausfallen wird, wird jedoch noch eruiert. Alle archäologischen Funde aus der Zeit vor 1537 sowie alle Münzen, die älter als 1650 sind, gelten in Norwegen als Staatseigentum und müssen gemeldet werden.
Die Aufregung in der Region bleibt unterdessen groß. „Das ist ein völlig einzigartiger Fund. Kein Archäologe in der Kreisverwaltung Rogaland hat so etwas jemals erlebt“, zitiert die Uni Stavanger Marianne Enoksen, Leiterin der Abteilung für Kulturerbe in der Kreisverwaltung Rogaland. Rund um die Fundstelle soll es nun weitere Grabungen geben.