Sankt Martin: Warum es am 11.11. Laternenumzüge in Deutschland gibt

Die Geschichte der Mantelteilung, wegen der wir heute den Sankt Martin feiern, kennt fast jedes Kind. Doch wer war der heilige Martin überhaupt? Und was haben bunte Laternen mit ihm zu tun?

Von Lisa Lamm
Veröffentlicht am 8. Nov. 2023, 08:37 MEZ
Orange beleuchtete Laternen mit Martinssymbolen vor schwarzem Hintergrund.

Am 11.11. leuchten in vielen Regionen Deutschlands wieder bunte Laternen. Doch was steckt hinter dem Brauch?

Foto von Cmpix-foto / Adobe Stock

An einem kalten Wintertag reitet ein Soldat durch Schnee und Wind. Er sieht einen armen Bettler auf dem Boden, zückt kurzentschlossen sein Schwert, teilt damit seinen warmen Mantel und gibt dem frierenden Mann eine Hälfte. Diese Geschichte ist bis heute populär: Viele Kinderlieder erzählen von der barmherzigen Tat des heiligen Martin und mit dem 11. November, dem Martinstag, ist ihm sogar ein ganzer Feiertag gewidmet.

Doch wer war der heilige Martin? Und warum gedenken wir ihm heute ausgerechnet mit einem Laternenumzug?

Inhalt

Sankt Martin: Wer war Martin von Tours?

Die historische Figur, der wir den Martinstag verdanken, hieß Martin von Tours. Der römische Soldat lebte vermutlich von 317 bis 397 n. Chr., vorwiegend in Frankreich. Die Geschichte, die am Martinstag besungen wird, soll sich der Überlieferung zufolge im Jahr 334 während Martins Militärdienst im französischen Amiens zugetragen haben. Den Bettler, mit dem er seinen Mantel teilte, traf der damals 17-jährige vor den Toren der Stadt.

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    Gemälde von dem Ereignis, das noch heute in Martinsliedern besungen wird: Martin von Tours gibt einem Bettler die Hälfte seines Mantels.

    Foto von Anthony van Dyck, 1599–1641

    Das Erlebnis soll Martin dazu bewegt haben, sich dem Christentum zuzuwenden. Er begann, Gewalt abzulehnen, und quittierte den Militärdienst. Im Jahr 361 gründete er das erste Kloster Europas, die Abtei Saint-Martin de Ligugé, und nur zehn Jahre später wurde er zum Bischof der französischen Stadt Tours ernannt. Bis heute gilt er als eine der bedeutendsten Figuren im Christentum.

    Erstmals niedergeschrieben wurde Martins Geschichte in der Schrift Vita sancti Martini von Sulpicius Severus. Der Adlige wurde in der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts geboren und soll Martin persönlich gekannt haben. Es folgten unzählige mittelalterliche und christliche Schriften, Gedichte und Gemälde, die sowohl die Mantelteilung als auch weitere Erzählungen von Martins Barmherzigkeit aufgriffen und weitertrugen – zunächst vor allem in Frankreich, bald aber auch in anderen christlich geprägten Ländern Europas. Martin starb am 8. November 397 und wurde am 11. November beigesetzt, der bis heute ein Feiertag in seinem Gedenken ist.

    Deckenbild in der Pfarrkirche St. Martin in Wangen im Allgäu: Martin wird zum Bischof von Tours ernannt.

    Foto von Gebhard Fugel, 1863–1939

    Warum finden an Sankt Martin Laternenumzüge statt?

    Es gibt mehrere mögliche Gründe, warum wir den Martinstag heute mit Laternenumzügen feiern. Unter anderem soll die Beisetzung von Martin von einer Prozession mit Lichtern und Fackeln begleitet worden sein. Daraus ist der Überlieferung nach die Tradition entstanden, dem Heiligen jedes Jahr mit leuchtenden Laternen zu gedenken.

    Möglicherweise ist in diese Tradition ein in der Neuzeit bei Kindern üblicher Brauch eingeflossen, Laternen aus Kürbissen zu schnitzen, sie mit Kerzen zu versehen und mit ihnen um die Häuser zu ziehen, um Süßigkeiten und Gebäck zu erbetteln. In abgewandelter Form findet er bis heute in einigen Regionen Deutschlands Anwendung: beim Martinssingen. Auch die Laternenumzüge werden vielerorts mit sogenannten Martinstüten voller Gebäck und Süßigkeiten „belohnt“.

    Der theologische Erklärungsansatz stellt das Lukas-Evangelium in den Mittelpunkt. Das dort aufgeführte Gleichnis vom Licht unter dem Scheffel wird seit dem 13. Jahrhundert zum Martinstag vorgelesen. Dort geht es darum, dass die Menschen ihr Licht – also ihren Glauben – nicht vor der Welt verstecken sollen. Der Kirche zufolge wird das Gleichnis durch die Feuer und Laternen zum Martinstag repräsentiert. 

    Auch der mittelalterliche Brauch, im November große Feuer entfachen, um das Ende der Erntesaison und den Beginn der dunklen Jahreszeit einzuläuten, könnte zur Tradition beigetragen haben. Im Umfeld der Laternenumzüge werden auch heute noch oft solche Martinsfeuer entzündet, in deren Schein sich die Menschen treffen und regionale Martinsleckereien wie Püfferchen, Püfferkes, Krapfen, Stutenkerle oder Weckmänner verzehren.

    Wo ist die moderne Tradition der Laternenumzüge in Deutschland entstanden?

    Aus den Fackelumzügen des Mittelalters und den Kürbis-Laternen der frühen Neuzeit entwickelten sich nach und nach also die heute bekannten Laternenumzüge. Die moderne Form der Martinszüge, die heute vor allem im deutschsprachigen Raum bekannt sind, entstanden erst um das Jahr 1867 im Rheinland. Aufzeichnungen aus den folgenden Jahren, vor allem ab 1890, belegen Martinszüge in Düsseldorf und anderen Städten.

    In Frankreich hingegen sind diese Bräuche mittlerweile weitgehend verschwunden. Hier wird am 11. November nun dem Waffenstillstand von Compiègne gedacht, der die Kampfhandlungen im 1. Weltkrieg beendete.

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