Die geheimen Hobbys von Kaiserin Sisi & Co.

Die Rollen in der kaiserlichen Familie und das Leben am Wiener Hof waren strikt vorbestimmt. Doch egal ob Sisi, Franz oder Skandal-Erzherzog Otto: Sie alle fanden ihren Weg, ihren teils kontroversen Leidenschaften nachzugehen.

Von Insa Germerott
Veröffentlicht am 3. Juli 2024, 09:46 MESZ
Gemälde: Fünf vornehme Personen sitzen an einem Tisch und spielen Karten.

Eine Partie Pharao: Das Kartenglücksspiel war im 18. Jahrhundert so beliebt, dass es aufgrund von Suchtgefahr und zu hohen Geldverlusten verboten werden musste. Auch eine Habsburgerin liebte das Spiel über alles. 

Foto von Johann Baptist Raunacher, 1729–1771

Drei Spielfilme, mehrere Theaterstücke, Musicals sowie etliche Ausstellungen: Sie alle erzählen vom Leben der Kaiserin Elisabeth von Österreich – besser bekannt als Sisi. Man weiß viel über ihre Kindheit in Bayern, ihre Heirat mit Kaiser Franz Joseph I., ihre tragische Familiengeschichte oder das heimtückische Attentat, das zu ihrem Tod im Alter von 60 Jahren führte. 

Was weniger bekannt ist: Sisi hatte nicht nur eine Leidenschaft fürs Reisen, sondern auch für Reisemitbringsel, die unter die Haut gehen. Auf einer ihrer Schiffsreisen ließ sie sich ein Ankertattoo auf der Schulter einbrennen – zum Verdruss ihres Ehemannes. Dazu liebte sie aufwendige Schönheitsrituale und ausdauernde, gefährliche Bergtouren. 

Aber auch andere Mitglieder der kaiserlichen Familie Habsburg gingen im Verborgenen so einigen kontroversen bis überraschenden Hobbies nach – vom Glücksspiel über die Liebe zu Zigarren oder Frauen bis hin zum Undercover-Journalismus gegen das Kaiserhaus selbst. 

Inhalt

Das Leben der Habsburger war streng vorbestimmt

BELIEBT

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    Im Sachbuch Sisi & Co. Die geheimen Leidenschaften der Habsburger deckt Historikerin Katrin Unterreiner verborgene Hobbies der kaiserlichen Familie auf.

    Foto von Carl Ueberreuter Verlag

    „Wenn man einer Leidenschaft nachgehen wollte, dann ging das bei den Habsburgern nur unter trickreicher Umgehung der strengen Familiengesetze oder mit viel Charme“, erklärt die österreichische Historikerin Katrin Unterreiner, die sich seit über 30 Jahren mit dem Haus der Habsburger beschäftigt. Sie ist die Autorin von Sisi & Co. Die geheimen Leidenschaften der Habsburger und Kuratorin der gleichnamigen Ausstellung, die noch bis zum 3. November 2024 auf Schloss Halbturn, südöstlich von Wien, zu sehen ist. 

    Denn das Leben im Kaiserhaus war vom Familiengesetz bestimmt, das keinerlei Individualität zuließ und die einzelnen Rollen strikt vorschrieb. Der Thronfolger wurde hauptsächlich auf seine Aufgabe als Kaiser vorbereitet und musste als Kronprinz zusätzlich eine militärische Ausbildung durchlaufen. „Meist nur in der Theorie, kaum in der Praxis“, sagt Unterreiner. Den Frauen der Familie kam allein die Rolle als Ehefrau und Mutter zu, sie sollten die Dynastie erhalten. „Alle anderen hatten nur die Würde des Hauses Habsburg nach außen zu repräsentieren und am besten gar nicht aufzufallen – schon gar nicht durch einen extravaganten Lebensstil“, sagt Unterreiner. 

    So hatten alle Familienmitglieder des Hauses Habsburg so gut wie keinen Spielraum, ihr Leben selbst zu gestalten. Sie durften keine Ausbildung machen, keinen Hobbies nachgehen, keinen Beruf ergreifen. Den meisten war ihr bequemes Dasein ohne großen Sinn sehr recht. Anderen fiel es jedoch schwerer, diesen Umstand zu akzeptieren. Ob Kaiserin Maria Theresia, Kaiser Franz Joseph I. oder Kronprinz Rudolf: Sie alle lebten ihre geheimen Interessen im Schatten der Monarchie aus. 

    Kaiserin Maria Theresia: Zu viel Glück im Spiel

    Für Kaiserin Maria Theresia ging nichts über eine gepflegte Partie „Pharao“. Täglich ging sie dem Glücksspiel mit geladenen Gästen nach – und gewann fast immer.

    Foto von Gemeinfrei / Wikimedia Commons

    Maria Theresia (1717–1780) war eine der bekanntesten Vertreterinnen der Habsburger. Durch ihre weitreichenden Reformen konnte die disziplinierte Kaiserin das Land modernisieren. Doch sie frönte insgeheim einer kostspieligen Leidenschaft: dem Glücksspiel. Jeden Abend oder nach dem Mittagessen spielte sie das damals in der Hocharistokratie äußerst beliebte französische Kartenglücksspiel „Pharao“ mit geladenen Gästen. 

    Die Kaiserin war schon bald nicht mehr nur für ihr unerschütterliches Glück im Spiel bekannt, sondern auch gefürchtet. Viele ihrer Mitspieler*innen verloren stattliche Summen an Maria Theresia, sodass es schon bald schwierig wurde, genügend Personen für eine Partie zusammenzubekommen. „Die leidgeplagten Mitspieler der Kaiserin versuchten, unter unterschiedlichen Vorwänden den ‚Pharao‘-Partien fernzubleiben“, schreibt Unterreiner in ihrem Buch. 

    Unterdessen wurde auch die Bevölkerung süchtig nach dem Spiel und die „Pharao-Exzesse“ – wie der damalige Obersthofmeister Khevenhüller die erhitzten Partien nannte – nahmen überhand. Um die Gesellschaft im damals herrschenden Kriegszustand zu schützen, wurde das Kartenspiel verboten. 1758 musste auch die Kaiserin ihr heißgeliebtes „Pharao“ auf dringende Bitte ihrer Berater aufgeben. Jedoch nicht ohne vorher eine Alternative gefunden zu haben: Ein Jahr lang spielte man am Hof das Kartenglücksspiel „Lansquenet“ – bevor man die guten Vorsätze über Bord warf und doch wieder zum „Pharao“-Spielen überging. 

    Kaiser Franz Joseph I.: Zigarren und Codein

    Originale Zigarrenkiste Kaiser Franz Josephs aus den Landessammlungen Niederösterreich.

    Foto von Dorotheum Wien

    Der pflichtbewusste Kaiser Franz Joseph I. (1830–1916) hatte eine lasterhafte Leidenschaft, die ihn seine Gesundheit kosten sollte. Er liebte das Rauchen – täglich und den ganzen Tag. Lange Zeit rauchte er billige, starke Zigarren; erst in höherem Alter und auf Anraten seiner Ärzte stieg er auf leichteren Tabak um. 

    Aus seinem starken Tabakkonsum resultierte ein chronischer Husten, den der Kaiser mit dem Opiat Codein zu behandeln versuchte. Trotz des Medikaments begleitete ihn das Leiden bis zu seinem Tod. 

    Kaiserin Elisabeth alias Sisi: Bewegungsdrang und Schönheitswahn

    Kaiserin Elisabeth verbrachte viele Stunden des Tages mit der Pflege ihrer Schönheit und ihrer Fitness. Ihr dichtes, langes Haar und ihre schmale Figur wurden zu ihren Markenzeichen. 

    Foto von Franz Xaver Winterhalter - Kunsthistorisches Museum Wien, Bilddatenbank

    Kaiserin Elisabeth (1837–1898) alias Sisi war für ihren exzentrischen Lebensstil bekannt. Was viele ihrer Zeitgenossen nicht wussten: Die Erhaltung ihrer Schönheit, die zu ihrem Markenzeichen wurde, war das zeitintensivste Hobby der Kaiserin. Sie ließ diverse Cremes und Pflegeprodukte anfertigen, um ihre Haut glatt, hell und straff zu halten. Darunter sogar die erste bekannte Sonnencreme: „eine mit Zink und Talk versetzte Cold Creme, die das Sonnenlicht leicht reflektierte, somit die Haut schützte und auch abdeckend wirkte“, erklärt Unterreiner in ihrem Sachbuch. In der Ausstellung im Schloss Halbturn kann man diese Sonnencreme sogar selbst ausprobieren.

    Sisi nutzte sie auf ihren teilweise neunstündigen Bergtouren. Sie hatte einen extremen Bewegungsdrang, bei dem kaum jemand mithalten konnte. Ihre Begleiter mussten ständig ausgetauscht werden. Auch ein Turnzimmer ließ sich die bewegungsfreudige Kaiserin im Schloss einrichten und absolvierte dort im Geheimen ein tägliches Sportprogramm. Die Beschäftigung mit ihrem Äußeren und ihrem Gewicht war bereits zwanghaft: „Elisabeth wog sich täglich, um ihr Gewicht zu kontrollieren, und trug nicht nur ihr Gewicht, sondern auch ihr sportliches Tagesprogramm in ein ‚Wage-Journal‘ genanntes Heft ein“, schreibt Unterreiner. 

    Das Heft und die Kassenbücher, die den Speiseplan der Kaiserin offenbarten, wurden erst vor wenigen Jahren freigegeben und ausgewertet. Sind nun also alle Geheimnisse der Kaiserin gelüftet? Laut Unterreiner ist das unwahrscheinlich. „Es tauchen immer wieder neue Quellen auf und auch im Archiv sind längst nicht alle Dokumente ausgewertet“, erklärt sie. „Ganz sicher kommen noch weitere Geheimnisse der Habsburger ans Licht.“

    Kronprinz Rudolf: Politischer Gegner und Undercover-Journalist

    Kronprinz Rudolf war seiner Zeit voraus – und übte sich als größter Kritiker des Kaiserhauses, anonym als Undercover-Journalist.

    Foto von Gemeinfrei / Wikimedia Commons

    Wohl einer der spannendsten Vertreter des Hauses Habsburg war Kronprinz Rudolf (1858-1889), Sohn von Kaiserin Elisabeth und Kaiser Franz Joseph I. Sisi setzte sich dafür ein, dass ihr Sohn neben der militärischen Laufbahn eine wissenschaftlich basierte Ausbildung erhielt. Das führte schließlich dazu, dass sich Rudolf kritisch mit der österreichischen Monarchie auseinandersetzte und sich einer liberalen Politik mit progressiven Ideen widmete. „Damit machte er sich zum erklärten Feind aller konservativen Kräfte“, schreibt Unterreiner. 

    Kaiser Franz Joseph wusste um die politische Gesinnung seines Sohnes und ließ ihn von allen politischen Entscheidungen des Wiener Hofes ausschließen. Obwohl Rudolf zu einem der härtesten Kritiker des Wiener Hofes wurde, suchte er nie die offene Konfrontation mit seinem Vater, da er diesem – trotz konträrer politischer Einstellung – sehr loyal gegenüber eingestellt war. Stattdessen fing der Kronprinz an, heimlich kritische Aufsätze und Artikel zu schreiben und sie an liberale Journalisten und Verleger zu schicken, damit sie anonym veröffentlicht werden konnten.

    Er ging dazu über, seine Korrespondenzen und Texte mit einem Chiffriergerät zu verschlüsseln, da er sich unter ständiger Beobachtung befand. Die Einrichtung dafür, die aus einer Ledermappe mit einer gestanzten Messingscheibe sowie einem Mäppchen mit verschiedenen Zetteln mit Zahlen darauf bestand, ist ebenfalls in der Ausstellung zu sehen. Die Methode, nach der die Chiffrierung und Dechiffrierung funktionierte, konnte erst kürzlich ermittelt werden.

    Chiffriereinrichtung des Kronprinzen Rudolf.

    Foto von ‚Duell der Kronprinzen‘, Universum History 2022, Regie: Iris Fegerl

    Mit seinem Undercover-Journalismus wollte Rudolf die Probleme der Monarchie aufdecken und die politischen Verhältnisse ändern. Doch laut Unterreiner hätte auch ein Kronprinz Rudolf gegen den aufkeimenden Nationalismus und den folgenden Untergang der Monarchie wohl nichts ausrichten können. Letztendlich zerbrach der Kronprinz an seiner politischen Machtlosigkeit: 1889 beging er gemeinsam mit seiner Geliebten Suizid. 

    Erzherzog Otto: Missverstandener Frauenversteher 

    Der „schöne Erzherzog“ Otto. Der Lebemann stolperte von Skandal zu Skandal – trotzdem war er in seiner Familie ein geschätztes und beliebtes Mitglied. 

    Foto von K.u.K. Hofatelier Metzner, Wien - Fotografie

    Ein wohlbekanntes und skandalfreudiges Mitglied der Habsburger war Erzherzog Otto (1865-1906) – auch der „schöne Erzherzog“ genannt. Während andere Familienmitglieder politischen, künstlerischen oder technologischen Interessen nachgingen, investierte der attraktive und lebenslustige Otto seine Apanagen – die monetären Zuwendungen an nicht regierende Mitglieder eines Fürstenhauses – am liebsten in Alkoholexzesse und Affären. 

    ‚Zwangsverheiratet‘ mit der frommen Maria Josefa, lebte sich der Erzherzog nicht ganz so geheim mit diversen anderen Frauen aus – und bekam vier außereheliche Kinder. Sein bekanntester Skandal war ein Trinkgelage im berühmten Hotel Sacher, nach dem er nackt mit einem Säbel an den Séparées entlang lief. Die Aktion brachte ihm einen zweimonatigen Arrest in einem oberösterreichischen Kloster ein – verhängt von keinem Geringeren als seinem Onkel Kaiser Franz Joseph I. Doch schlecht erging es Otto dort wahrscheinlich nicht, trug er doch mit Vergnügen dazu bei, den Weinkeller zu leeren. 

    Was kaum jemand weiß: Der hedonistische Frauenheld fühlte sich zeitlebens missverstanden und litt unter wiederkehrenden Depressionen und Selbstzweifeln, die er mit Alkohol und Heiterkeit wegzuspülen versuchte. Seiner letzten Geliebten, Luise Robinson, erzählte er, dass er studieren wollte und mehr könne, als alle ihm zutrauten. Unterreiners Einschätzung dazu: „Die Habsburger hätten theoretisch die Möglichkeit gehabt, aus dem Kaiserhaus auszutreten und ein bürgerliches Leben zu führen. Doch alle, die es getan haben, sind kläglich gescheitert. Für viele war ihr Luxusleben so selbstverständlich, dass sie sich das normale Leben gar nicht vorstellen konnten.“ Aus diesem Grund könne man Otto zwar nicht nur auf seine Eskapaden reduzieren, aber es sei auch mehr als fraglich, ob er es im ‚normalen‘ Leben tatsächlich geschafft hätte.

    Erzherzogin Margaretha: Selbstbestimmt ist die Frau

    Weniger bekannt als die anderen Habsburger ist Erzherzogin Margaretha (1881–1965), Tochter des ehemaligen Großherzogs Ferdinand IV. von Toskana. Trotzdem war sie „eine der spannendsten, außergewöhnlichsten und mutigsten Frauen der ganzen Familie“, sagt Unterreiner. Sie sei – ungewöhnlich für eine Adelige der damaligen Zeit – eine Abenteurerin gewesen und liebte Automobile, Ballonfahrten sowie die Fotografie. „Ihre Leidenschaften konnte sie nur ausleben, weil sie keine Kinder hatte und unverheiratet blieb“, so Unterreiner. Ansonsten wäre ihr Schicksal als Mutter vorbestimmt gewesen. 

    Margaretha führte ein selbstbestimmtes und aktives Leben mit zahlreichen Reisen. Als erste Habsburgerin machte sie den Führerschein und besaß ein eigenes Auto. Damit gehörte sie zu den ersten österreichischen Frauen, die selbst Auto fuhren. Margaretha hatte eine Passion für gefährliche, abenteuerliche Straßen und Autorallyes. „Wären Frauen zum Start zugelassen gewesen, wäre sie wohl auch mitgefahren“, schreibt Unterreiner. Außerdem war sie die erste Frau des Hauses Habsburg, die sich für die damals noch sehr tollkühne Gasballonfahrt begeisterte – und ihren Bruder Joseph mehrfach begleitete.

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