Tal der Könige: Verschollenes Grab von Pharao Thutmosis II. gefunden

Hundert Jahre vor Tutanchamun regierte Thutmosis II. im Alten Ägypten. Sein Grab war das letzte eines Mitglieds der 18. Dynastie, dessen Lage unbekannt war – nun haben Forschende es entdeckt.

Von Tom Metcalfe
Veröffentlicht am 5. März 2025, 08:51 MEZ
Das Tal der Könige ist Teil einer riesigen Nekropole am Nil. Hier befindet sich auch der ...

Das Tal der Könige ist Teil einer riesigen Nekropole am Nil. Hier befindet sich auch der Totentempel von Hatschepsut, der Frau und Halbschwester des Pharaos Thutmosis II. Sein Grab wurde ebenfalls in dieser Nekropole westlich des Tals der Könige entdeckt.

Foto von rayints, Shutterstock

Im Februar 2025 hatte das ägyptische Ministry of Tourism and Antiquities etwas zu vermelden, was seit Jahren nicht vorgekommen war: Ein britisch-ägyptisches Forschungsteams hatte die Grabkammer eines altägyptischen Pharaos entdeckt. Der Fund hat das Potenzial, unsere Sicht auf das antike Reich in einer kritischen Phase im 15. Jahrhundert v. Chr. nachhaltig zu verändern. Außerdem zeigt er, wie sich die Ägyptologie von ihren Anfängen im 19. und frühen 20. Jahrhundert bis heute verändert hat.

Grabstätte ohne Mumie

Besonders macht das Grab, dass es das erste seit Tutanchamuns ist, das in der Nähe des Tals der Könige gefunden wurde. Hier, westlich von Luxor im Süden Ägyptens, wurden viele mächtige Pharaonen und ihre Familien in Gräbern bestattet, die in die Wüstenfelsen geschlagen wurden. Das Tal der Könige ist Teil einer riesigen Nekropole – oder Totenstadt –, die am Nil neben der altägyptischen Stadt Theben angelegt wurde. Theben war zu verschiedenen Zeiten Hauptstadt Ägyptens und Zentrum der Anbetung des Gottes Amun.

Im Oktober 2022 stießen Archäolog*innen während der Erkundung eines anderen Grabs auf einen darunter liegenden Eingang und dahinter auf einen Gang. Dieser führte sie zu einem Grab, von dem die Forschenden zunächst glaubten, dass es zu einer Königin oder einer Person aus dem niederen Adel gehörte.

Doch laut Archäologe und Grabungsleiter Piers Litherland von der University of Cambridge verfügt dieses zweite Grab über mehrere Merkmale, die belegen, dass in ihm einst ein Pharao bestattet wurde. Zum einen stehen an den Wänden in Hieroglyphenschrift Texte aus dem königlichen Jenseitsbuch Amduat. Zum anderen sind an der Decke noch Teile des ursprünglichen Putzes zu erkennen, der blau bemalt und mit gelben Sternen verziert war – eine Repräsentation des Nachthimmels. Den deutlichsten Hinweis geben aber wohl Fragmente von Behältern in Entenform, in denen im Alten Ägypten gewöhnlich Parfüm, Salben oder Kosmetika aufbewahrt wurden. Auf diesen Scherben, die im Alabasterschutt lagen, verraten Inschriften den Namen der Person, die in dem Grab ihre letzte Ruhe gefunden hat: Pharao Thutmosis II.

Umbettung nach Theben

Thutmosis II., über den nur wenig bekannt ist, regierte Ägypten etwa zwischen 1439 v. Chr. und 1479 v. Chr. – rund 100 Jahre vor Tutanchamun, der ebenso wie Thutmosis der 18. Dynastie angehörte. Die Forschenden vermuten, dass das Grab von Thutmosis mit ähnlich reichen Grabbeigaben ausgestattet war wie das Tutanchamuns. Diese seien aber vor tausenden von Jahren entfernt worden – laut Litherland wohl, als die königliche Mumie von Priestern umgebettet wurde, um sie 500 Jahre nach Thutmosis Tod vor einer Überschwemmung zu bewahren.

Diese und andere umgebettete Mumien – königliche Neubestattungen waren nichts Ungewöhnliches – wurden bereits im 19. Jahrhundert in der Nähe von Theben gefunden. Medizinische Scans, die vor einigen Jahren durchgeführt wurden, legen nahe, dass Thutmosis II. wohl an Herzversagen starb. Wo sich das Grab befand, in dem er ursprünglich bestattet worden war, wusste niemand – doch Ägyptolog*innen waren sich immer sicher, dass es existiert. „Es war das letzte verschollene Grab eines Pharaos aus der 18. Dynastie“, sagt Litherland.

Die neuentdeckte Grabstätte befindet sich knapp zwei Kilometer westlich vom Tal der Könige und schließt eine Lücke im archäologischen Verständnis der antiken Nekropole. Ihr Fund legt Litherland zufolge nahe, dass in diesem Areal auch die ursprünglichen Gräber von anderen Pharaonen liegen könnten, darunter die von Thutmosis I. und seinem Vorgänger Amenophis I.

Ehemann von: Thutmosis II. und Hatschepsut

Die Regentschaft von Thutmosis II. stand im Schatten derer seines Vaters. Thutmosis I. war ein mächtiger Pharao, der nach einer Phase der Krisen und Instabilität im Alten Ägypten dabei half, das Neue Reich zu gründen. Überlieferungen zufolge soll sein Sohn siegreiche Feldzüge durchgeführt und auf diese Weise die militärischen Erfolge von Thutmosis I. in Nubien und Syrien gefestigt haben.

Am bekanntesten ist Thutmosis II. wohl wegen der Frau an seiner Seite. Er war Ehemann und Halbbruder der mächtigen ägyptischen Königin Hatschepsut, die nach seinem Tod länger als 20 Jahre regierte und möglicherweise sein Begräbnis geleitet hat. Sein Sohn, Thutmosis III., wurde nicht von ihr, sondern einer Nebenfrau geboren. Dieser teilte sich die Macht zunächst mit seiner Tante und seiner Stiefmutter, wurde später aber alleiniger Herrscher über Ägypten.

Expert*innen sind von der Entdeckung des Grabs begeistert. „Es ist immer aufregend, von einem neuen Fund im Tal der Könige zu erfahren“, sagt Peter Der Manuelian, Ägyptologe an der Harvard University. „Die Grabstätte wird sicherlich neue Hinweise liefern, die uns dabei helfen, die historischen Dynamiken innerhalb der Königsfamilie jener Zeit zu erschließen.“

Wurde das neu entdeckte Grab geplündert?

Viele Königsgräber wurden bereits vor tausenden Jahren geplündert – damals war es ein häufiger Grund, die Mumien umzubetten. Die gruseligen Flüche, die man als Inschriften in manchen Gräbern gefunden hat, scheinen die Räuber nicht abgeschreckt zu haben. Wohlhabende Ägypter waren zur Zeit der 18. Dynastie bereits seit Jahrtausenden mit wertvollen Beigaben bestattet worden und „die Leute hatten wohl gemerkt, dass die Flüche nicht wirken“, sagt Betsy Bryan, Ägyptologin und emeritierte Professorin an der Johns Hopkins University in Baltimore.

Litherland glaubt jedoch nicht, dass das neu entdeckte Grab jemals ausgeraubt wurde. „Plünderungen hinterlassen eindeutige Spuren“, sagt er. Zum Beispiel würden Mumien auf der Suche nach Amuletten ausgewickelt, Bandagen liegen gelassen und Uschebti-Figuren zerbrochen. Im Grab von Thutmosis II findet sich nichts dergleichen. Dem Grabungsleiter zufolge könnten die Grabbeigaben während der Evakuation der Pharaonenmumie nach Theben von den Priestern in einem zweiten Grab in der Nähe deponiert worden sein. Er glaubt zu wissen, wo sich dieser antike Schatz befindet, an der Stelle hätten bisher jedoch noch keine Ausgrabungen stattgefunden. Bis auf weiteres werde man sich auf die Erforschung des Grabs von Thutmosis II. konzentrieren.

Fortschritt und Technik: moderne Ägyptologie

Die Neuentdeckung zeigt, wie sehr sich die Ägyptologie seit ihren Anfängen und der Ägyptomanie im 19. Jahrhundert verändert hat. Damals hatte es den Anschein, als würden Archäologen jede Woche ein neues Pharaonengrab finden. In den letzten Dekaden hat die Schlagzahl jedoch deutlich nachgelassen. Nach dem Fund von Tutanchamuns Grab im Jahr 1922 stieß man erst in den Jahren 1939 und 1940 in den Ruinen der altägyptischen Stadt Tanis wieder auf die Gräber dreier Pharaonen, die dort vor ungefähr 3.000 Jahren gelebt hatten. Vier weitere kleine Königsgräber aus der wenig bekannten Abydos-Dynastie wurden im Jahr 2014 entdeckt.

Mittlerweile richten die Forschenden ihre Aufmerksamkeit verstärkt auf das Leben der gewöhnlichen Bevölkerung des Alten Ägyptens. Der neue Fund zeige jedoch, „dass es noch viele wundervolle Dinge zu entdecken gibt – auch noch nach 200 Jahren der Ausgrabungen und Forschung“, so Brown.

BELIEBT

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    Kopf einer Mumie, die ihr Gesicht zum Schrei verzogen hat.

    Nicht nur der Fokus auf Mumien ohne königliche Herkunft ist eine neue Entwicklung, sondern auch der Einsatz moderner wissenschaftlicher Methoden – zum Beispiel Röntgentomografie und DNA-Analysen – bei ihrer Untersuchung. Dieser neue Blick auf Mumien und Artefakte, die bereits vor langer Zeit gefunden wurden, hat schon einige erstaunliche Erkenntnisse hervorgebracht. „Die Tatsache, dass wir eine Mumie virtuell auswickeln und auf diese Weise etwas über das Leben, die Gesundheit, das Alter und den Tod dieser Person herausfinden können – das ist einfach fantastisch“, sagt Brown.

    Manche dieser Techniken sind bereits auf das Grab von Thutmosis II. angewendet worden. Dabei wurde unter anderem ermittelt, dass ein Gehstock mit dem Namen des Pharaos aus Grenadill gefertigt wurde. Das schwarze Holz der Pflanzenart Dabergia melanoxylon wurde im Alten Ägypten aus dem Südosten Afrikas importiert, um daraus Luxusgegenstände herzustellen. Die Entdeckung solcher Artefakte verrät Brown zufolge viel über das Kunsthandwerk und die Handelsnetze in dieser wichtigen Phase der altägyptischen Geschichte.

    Dieser Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.

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