Kronjuwelen der Schöpfung
Im Nationalpark Jardines de la Reina vor der kubanischen Küste existieren die letzten intakten Korallenriffe der Karibik. Werden sie den kommenden Tourismusboom überleben?
Anfang des Jahrtausends hatten wir die „Gärten der Königin“ zuletzt erkundet. 80 Kilometer südlich von Kuba waren wir zwischen Mangroveninseln und Korallenriffen auf eine pulsierende Wildnis gestoßen, die uns in Staunen versetzte.
Als wir 2016 in die Region zurückkehren, fragen wir uns besorgt, wie sich der 1400 Quadratkilometer große Nationalpark wohl verändert hat. Bei unserem ersten Tauchgang gleiten wir hinab in einen Wald aus Elchgeweihkorallen. In diesem Dickicht beobachten wir zu unserer Überraschung Blaustreifen-Grunzer und Schnapper, die sich zwischen den breiten Korallenästen in schnellen, spielerischen Bewegungen umkreisen. Wir hatten das Gefühl, in einer Unterwasser-Zeitkapsel zu sein: Eine Welt voller Korallen und Fische – so hatte die Karibik vor Jahrzehnten auch schon ausgesehen.
Tauchlehrer Noel López, der diese Gewässer seit 20 Jahren beobachtet, führt uns zu einem tiefer gelegenen Riff, wo wir auf vier Arten von Zackenbarschen treffen, darunter ein riesiger Judenfisch. Hier scheinen sich sogar mehr Großfische zu drängen als bei unserem ersten Besuch.
An einem Morgen machen wir uns auf zu den Mangroven und schwimmen durch einen überfluteten Wald, in dem sich Ährenfische tummeln. Dann wagen wir uns hinaus ins offene Wasser und tauchen mit Dutzenden von glänzenden Seidenhaien, die einen perfekten Kreis um uns bilden. In der Dämmerung folgen wir einem Spitzkrokodil, das sich lautlos wie ein U-Boot auf Beutezug durch die dunklen Mangroven bewegt. Es ist ein unglaubliches Gefühl, diese Fülle an Tieren und großen Jägern in einem einzigen Ökosystem zu beobachten – und das an nur einem einzigen Tag.
Diese Oase im Meer gedeihe lediglich, erklärt uns der Meeresbiologe Fabián Pina Amargós, weil Kuba den Nationalpark aktiv schütze. Obwohl auch die Jardines de la Reina der Bedrohung ausgesetzt sind, die für alle Korallenriffe von der Erwärmung und Übersäuerung der Ozeane ausgeht, haben sie bislang der Korallenbleiche widerstanden. Wenn bald das US-Embargo gegen Kuba aufgehoben ist, wird der Zauber der karibischen Unterwasserwelt mehr Besucher anlocken. Es ist dringend notwendig, die Balance zwischen Tourismus und Naturschutz zu wahren. Aber die Kubaner wissen zum Glück, was auf dem Spiel steht: die Kronjuwelen der Karibik.
David Doubilet und Jennifer Hayes arbeiten zusammen und haben die Meere vom Äquator bis zu den Polen fotografiert.