Video zeigt womöglich erstmals Trauerverhalten von Nabelschweinen

Die Videoaufnahmen eines achtjährigen Schülers zeigen, wie Halsbandpekaris mit dem Tod eines Artgenossen umgehen.

Von Erica Tennenhouse
Veröffentlicht am 20. Dez. 2017, 18:37 MEZ
Halsbandpekaris trauern womöglich um ihre Toten

Am 8. Januar 2017 entdeckte ein achtjähriger Junge namens Dante de Kort ein totes Halsbandpekari in der Nähe seines Zuhauses in Arizona, USA. Für ein wissenschaftliches Schulprojekt installierte er eine Kamera mit Bewegungssensor – ein Geburtstagsgeschenk von seinen Großeltern – neben dem Leichnam.

Er ahnte nicht, dass sein Schulprojekt einen wertvollen Einblick in die Reaktionen dieser Tiere auf den Tod liefern würde.

Als die Biologin Mariana Altrichter im Februar eine regionale Wissenschaftsmesse besuchte, fielen ihr de Korts Videos sofort auf. Sie hatte die sozialen Säuger jahrelang studiert und wusste, welche engen sozialen Bindungen sie aufbauen konnten. Aber sie hatte noch nie beobachtet, dass Mitglieder einer Herde wieder und wieder zu einem toten Artgenossen zurückkehrten. 

„Das war ziemlich verblüffend, weil es sich nicht einfach nur um eine sofortige Reaktion handelte, nach der sie weiterzogen – das ging zehn Tage lang so“, sagt Altrichter, die Vorsitzende der Spezialistengruppe für Nabelschweine von der Weltnaturschutzunion.

UMGANG MIT DEM TOD

Es gibt für verschiedene Tierarten Berichte von Ritualen rund um den Tod eines Artgenossen, darunter von Elefanten, Primaten, Delfinen und Vögeln, beispielsweise Raben. Man hat schon Elefanten beobachtet, die tagelang über dem Leichnam eines verstorbenen Herdenmitglieds standen, vor und zurück wiegten und an dem leblosen Körper zogen. Manche Experten vermuten, dass dies Anzeichen von Trauer sind. (Lesenswert: Auch Wale trauern um ihre Toten)

Bisher hatte noch niemand von solchen Reaktionen auf den Tod unter Nabelschweinen gehört, zu denen die Halsbandpekaris zählen. Die Tiere sind in Amerika heimisch und leben in Gruppen unterschiedlicher Größe.

In den Videos von de Kort beobachten die Halsbandpekaris den toten Artgenossen ganz genau, stupsen ihn mit der Schnauze an, beißen ihn, schnüffeln an ihm und starren ihn an. Sie schlafen neben dem Kadaver und versuchen sogar ihn anzuheben, indem sie ihre Schnauzen unter ihn schieben und ihn hochdrücken.

Als ein Rudel Kojoten sich ihrem gefallenen Artgenossen näherte, scheuchten die Nabelschweine es davon. „Es hat mich wirklich überrascht, dass sie den Kojoten die Stirn boten“, sagt de Kort und merkt an, dass die Halsbandpekaris zahlenmäßig unterlegen waren.

Am zehnten Tag fielen die Kojoten schließlich über die verwesenden Überreste her. Ab da stellte die Herde ihre Besuche ein. De Kort und Altrichter beschrieben den Hergang der Ereignisse in einer Abhandlung, die in der Fachzeitschrift „Ecology“ erschien.

Aber handelte es sich tatsächlich um Trauer? Es schwierig, das allein auf Basis der Videos mit Sicherheit zu sagen, obwohl Altrichter überzeugt ist, dass das Verhalten die wissenschaftliche Definition erfüllt: Handlungen, die ein Tier vollzieht, um mit einem Verlust fertig zu werden.

Ob Gefühle wie Kummer mit den Handlungen einhergingen, sei allerdings nicht klar, sagt sie.

EMOTIONALE TIERE

Barbara J. King, eine emeritierte Professorin für Anthropologie des College of William and Mary, beanstandet die Unterscheidung zwischen Handlungen der Trauer und Gefühlen der Trauer.

„Die handfesten und weit verbreiteten Beweise für eine emotionale Reaktion der überlebenden Tiere [auf den Tod] reichen von schwermütigem sozialen Rückzug bis zu erkennbarem Stress in der Körperhaltung und Lautäußerungen.“

Dennoch räumt King die Möglichkeit ein, dass die Tiere in den Videos weder trauerten noch traurig waren. 

Ihrer Meinung nach war der stärkste Hinweis auf Trauer das Schlafen neben dem Leichnam – ein Verhalten, das nicht durch Neugier, Territorialverhalten oder andere Alternativen erklärt werden kann. Es ist durchaus plausibel, dass Halsbandpekaris trauern können, wenn man die wachsende Anzahl von Studien über emotionale Reaktionen von Tieren auf den Tod betrachtet, wie sie hinzufügt.

Weitere Studien zu Nabelschweinen könnten diese Fragen beantworten, und de Kort hofft, dass er daran mitwirken kann.

„Die meisten Leute glauben, dass sie nur Tiere sind“, sagt der Viertklässler, „aber sie sind eigentlich ziemlich schlau und haben auch ein paar menschliche Instinkte.“

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