Immer mehr Haie setzen jährliche Wanderung aus
Kleine Schwarzspitzenhaie reisen für gewöhnlich zu Zehntausenden von North Carolina nach Florida. Aufgrund des Klimawandels meiden viele von ihnen nun den warmen Süden.
Die jährliche Wanderung der Kleinen Schwarzspitzenhaie vom Süden Floridas nach North Carolina hat vor einer Weile begonnen. Laut Wissenschaftlern, die dieses verblüffende Schauspiel beobachten, ist aber nur ein Drittel der üblichen Zahl von Haien unterwegs.
Die Tiere – allesamt Männchen – schwimmen während der kälteren Monate nach Süden und kehren im Frühling nach Norden zurück, um sich mit den Weibchen zu paaren. Aber während der letzten Jahre blieben viele Männchen dank des wärmer werdenden Wassers an der Ostküste im Norden.
Das könnte zu einem Problem werden. Die wandernden Haie halten Floridas Küstenökosystem gesund, indem sie schwache und kranke Fische fressen und so zum Erhalt der Korallenriffe und Seegraswiesen beitragen.
Stephen Kajiura, ein Meeresbiologe an der Florida Atlantic University, verfolgt die Wanderungen der Kleinen Schwarzspitzenhaie seit 15 Jahren. Mit einer Cessna 172 fliegt er dafür über das kristallklare Meerwasser Floridas und macht Aufnahmen der Haie.
Im Anschluss springt er mit seiner Crew in ein Boot, um einige der Tiere mit kleinen akustischen Geräten oder Satellitenempfängern auszustatten. Früher zählten sie manchmal Gruppen von bis zu 15.000 Tieren. In dieser Saison kann davon aber keine Rede sein.
„Das Jahr war merkwürdig“, sagt Kajiura. „Letztes Jahr war es den ganzen Winter über ungewöhnlich warm: Die Wassertemperatur fiel nie unter 23 °C. In diesem Jahr ist sie ganz dramatisch auf 26 °C angestiegen. Es ist sogar noch wärmer als letztes Jahr um diese Zeit.“
NORDWÄRTS
Die Unterwasser-Hitzewelle ist das Ergebnis saisonaler Variabilität, die auch dafür sorgt, dass es an Land mal kühlere Sommer oder mildere Winter geben kann.
Kajiura glaubt aber, dass diese wandernde Haipopulation sich im Laufe der Zeit nach Norden verlagern wird, da die Meerestemperatur durch den globalen Klimawandel auf lange Sicht ansteigen wird. Viele dieser Veränderungen haben bereits begonnen.
Tatsächlich hat sich das Meer an der Nordostküste der USA im letzten Jahrzehnt schneller erwärmt als 99 Prozent der weltweiten Meere, sagte Vince Saba. Der Meeresbiologe arbeitet am Northeast Fisheries Science Center der National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA).
„Wir erleben eine Verschiebung nach Norden bei den meisten unserer Fischbestände: Winterflunder, Sommerflunder, Hering und Makrele“, erzählte er. „Einige dieser Arten stehen auf dem Speiseplan der Küstenhaie.“
Seit 1960 hat sich der Meeresbereich zwischen Cape Hatteras in North Carolina bis zum Golf von Maine um mehr als 1 °C erwärmt. Das mag nicht nach viel klingen, aber für Fische und andere Meereslebewesen kann es den Unterschied zwischen Leben und Tod bedeuten.
„Wir können einen Mantel anziehen und Eidechsen können in der Sonne baden. Aber Fische haben diese Option nicht“, sagte Malin Pinsky, ein Meeresökologe von der Rutgers Universität. „Fische können den Temperaturen nicht entkommen. Selbst ein halbes oder ganzes Grad kann für ihre Fähigkeit zu überleben oder sich fortzupflanzen eine Menge sein.“
Darum ziehen die Kleinen Schwarzspitzenhaie genau wie Kabeljaue, Dornhaie und andere Fischarten nordwärts, um es gemütlicher zu haben – und ihren Beutetieren zu folgen.
GEFÄHRLICHER FANG
Schwimmer und Surfer an der Nordostküste könnten demnächst also mehr Haie sehen. Obwohl die Art nicht als aggressiv gilt, wurden schon Leute gebissen, weil die Haie ihre Beine mit Nahrung verwechselten.
Auch Fischer sind von der Verschiebung der Fischbestände betroffen.
Kommerzielle Fangboote in North Carolina verbrachten sonst einen Tag auf hoher See und kehrten abends mit einer wertvollen Ladung Sommerflundern zurück. Nun müssen sie hunderte Meilen nordwärts fahren, um ihren Laderaum zu füllen, was mehr Geld kostet und das Unterfangen gefährlicher macht.
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