Sonnenmilch & Co: Viele Kosmetika enthalten Öl aus Hailebern

Tierisches Squalen wird in zahlreichen Kosmetikprodukten verwendet – ein Problem für die ohnehin schon gefährdeten Tiefseehaie.

Von Annie Roth
Veröffentlicht am 24. Juli 2018, 15:05 MESZ


Überall auf der Welt angeln Fischer Haie aus den Tiefen des Meeres, um ihre Leber zu entnehmen. Das Organ enthält eine ölige Substanz namens Squalen, die in vielen Kosmetikprodukten wie Sonnencreme, Lippenstift, Foundation und Body Lotion benutzt wird.

Da die Verbindung reich an Fettsäuren und Antioxidantien ist, fungiert sie als wichtiger Feuchtigkeitsspender. Woraus das Squalen in diversen Produkten gewonnen wird, unterscheidet sich je nach Marke allerdings. Die Substanz kommt auch in Oliven, Weizenkeimen und anderen Pflanzen vor – allerdings ist sie in Hailebern in deutlich größeren Konzentrationen vorhanden. Experten zufolge sind die Tiere daher eine einfache und billige Möglichkeit, um die Substanz zu gewinnen.

Obwohl Squalen aus Hailebern auch in anderen Produkten verwendet wird – zum Beispiel in Vitaminpräparaten und Impfstoffen –, werden 90 Prozent des Stoffes an die Kosmetikindustrie verkauft, wie in einem Bericht der französischen Meeresschutzorganisation BLOOM aus dem Jahr 2012 hervorgeht.

Als Reaktion auf das steigende öffentliche Interesse am Artenschutz für Haie sind viele westliche Unternehmen auf Squalen aus pflanzlichen Quellen umgestiegen, obwohl dessen Herstellung etwa 30 Prozent teurer ist.

Laut Andriana Matsangou, einer Sprecherin des britisch-niederländischen Konzerns Unilever, bezieht das Unternehmen Squalen „ausschließlich aus pflanzlichen Quellen, um die Gewinnung aus Haiarten zu vermeiden“.

Ebenso sagt der Sprecher von L‘Oréal, Alexander Habib, dass das französische Unternehmen seit zehn Jahren kein Squalen aus Haien mehr nutzt und „strenge Maßnahmen implementiert hat, um die Herkunft des Squalens von unseren Lieferanten zu kontrollieren“. 

UNBEKANNTE AUSWIRKUNGEN

Dennoch bezieht die globale Kosmetikindustrie ihr Squalen weiterhin größtenteils aus Haien. Welche genauen Auswirkungen das gezielte Abfischen der Tiefseehaie auf das Gleichgewicht der untersten Meeresschichten hat, ist nicht bekannt, sagt David Ebert. Er ist der Direktor des Pacific Shark Research Center am Moss Landing Marine Laboratory in Kalifornien.

„Das Problem ist, dass wir nicht genau wissen, was da unten vor sich geht“, so Ebert. „Viele dieser Fischereien operieren in Gebieten der Welt, die nicht überwacht werden.“ 

Von den 60 Haiarten, auf die ihres Lebertrans wegen Jagd gemacht wird, werden 26 von der Weltnaturschutzunion als gefährdet eingestuft, darunter der Blattschuppen-Schlingerhai.

Allerdings ist das nicht die einzige Gefahr für die Tiere: Jedes Jahr werden womöglich bis zu hundert Millionen Haie verschiedener Arten getötet – hauptsächlich, um die chinesische Nachfrage nach Haifischflossensuppe zu decken.

ANGELN BIS ZUR AUSROTTUNG

Die Fischer, die es auf Squalen abgesehen haben, sind gezielt auf der Suche nach Tiefseehaien wie Schlingerhaien, Riesenhaien und Hundshaien. Ihre großen Lebern enthalten besonders viel Öl und sorgen dafür, dass die Tiere trotz des großen Drucks in der Tiefsee Auftrieb haben, erklärt Ebert.

Diese Arten seien durch die Fischerei aber besonders gefährdet, da sie langsam wachsen und sich nur unregelmäßig fortpflanzen, wie er hinzufügt.

Auf Squalen spezialisierte Fischereien operieren vorwiegend in Indien, dem Südostatlantik und dem Westpazifik. Außerdem werden sie größtenteils nicht reguliert, wie ein Bericht der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen aus dem Jahr 2011 offenbart.

Aufgrund der Tatsache, dass Squalen auch aus anderen Quellen gewonnen werden kann, ist „die Nachfrage an Squalen wahrscheinlich nicht so groß wie noch vor 50 Jahren, aber ich glaube nicht, dass irgendwer überwacht, was da vor sich geht“, sagt Ebert.

Meeresschutzorganisationen wie Oceana haben eine verstärkte Regulierung von Squalenfischereien und größeren Schutz für Tiefseehaie gefordert. Im Jahr 2006 hat die EU strenge Auflagen für das Fischen von Tiefseehaien im Nordostatlantik erlassen, aber nur wenige Länder sind diesem Beispiel gefolgt.

Ebert, der in den letzten 20 Jahren mehr als 20 neue Tiefseehaiarten entdeckt hat, fürchtet, dass wir ohne strengere Schutzmaßnahmen „eine Situation schaffen könnten, in der wir Haiarten verlieren, ohne es zu merken“.

Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.

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