Von wegen Fleischfresser: Walhaie verzehren große Mengen Algen

Außerdem können die Meeresriesen monatelang fasten.

Von Christie Wilcox
Veröffentlicht am 8. Feb. 2019, 19:45 MEZ
Im Rahmen einer Studie fanden Forscher heraus, dass Walhaie gar keine reinen Fleischfresser sind.
Im Rahmen einer Studie fanden Forscher heraus, dass Walhaie gar keine reinen Fleischfresser sind.
Foto von Brian J. Skerry, Nat Geo Image Collection

Walhaie sind die größten Fische unserer Meere. Als Filtrierer sind sie aber im Gegensatz zu ihren fleischfressenden Verwandten nicht gefürchtet, sondern gelten als sanfte Riesen. Trotzdem sind und bleiben es Haie, weshalb man auch lange Zeit davon ausging, dass sie sich fast ausschließlich von tierischem Protein wie Plankton ernähren.

Allerdings kam eine Studie, die in „Ecological Monographs“ erschien, zu einem anderen Ergebnis. Nach einer umfassenden Analyse von Blut- und Gewebeproben von mehr als einem Dutzend Walhaien kamen Forscher zu dem Schluss, dass die Tiere durch und durch Allesfresser sind und auch vor Pflanzen und Algen keinen Halt machen.

Das Forscherteam unter der Leitung von Alex Wyatt von der Universität Tokio nutzte sowohl Proben von wilden Walhaien als auch von Exemplaren in Gefangenschaft, um die Fressgewohnheiten die geheimnisvollen Meerestiere zu enträtseln. Zwar hatte man schon im Rahmen früherer Studien Seetang im Magen von Walhaien gefunden, aber die aktuelle Studie ist die erste, die darauf hindeutet, dass solche Algen eines ihrer Hauptnahrungsmittel sind.

„Walhaie sind sehr charismatische Tiere, die weltweit bedroht sind. Aber wir wissen noch immer nicht genug über ihre Ökologie, um sie effektiv zu schützen“, erzählt Wyatt National Geographic. „Ich bin sehr daran interessiert, zu einem besseren Verständnis der Art beizutragen.“

Die Erforschung der Ernährungsweise eines Tieres gehört zu den „Grundlagen“, sagt Alistair Dove, ein Walhai-Experte und Vizepräsident des Bereichs Forschung und Artenschutz am Georgia Aquarium. Aber „sie ist auch unerlässlich, wenn man Populationsmodelle erstellen will, die man für die Entwicklung sinnvoller Pläne zum Schutz gefährdeter Arten benötigt.“

Wer über Artenschutzmaßnahmen entscheiden muss, benötigt konkrete Informationen über die Gewohnheiten der entsprechenden Art. Dazu gehören eben auch Details wie die Bewegungsmuster der einzelnen Tiere und ihre Ernährungsweise. Nur so kann man eine Art bestmöglich schützen. Durch das Anbringen von Peilsendern konnten Forscher bereits die Bewegungsmuster der Tiere entschlüsseln, aber es ist so gut wie unmöglich, den umherziehenden Fischen die ganze Zeit über zu folgen, um zu sehen, was sie fressen. Das macht die Vorgehensweise von Wyatt und seinem Team so spannend: Sie benutzten Blut- und Gewebeproben, die einfach bei passender Gelegenheit entnommen werden können, um darauf zu schließen, was das Tier gefressen hat.

„Das ist ein wirklich toller Beitrag zu unserem Wissen über die Nahrungssuche und Ernährung von Walhaien“, sagt Clare Prebble, eine Wissenschaftlerin der Marine Megafauna Foundation.

Zwischen Festmahl und Fastenzeit

Um herauszufinden, was genau die Tiere fressen, ermittelten die Forscher die unterschiedlichen Formen – oder Isotope – von Atomen sieben verschiedener Elemente wie Stickstoff und Kohlenstoff. Der Anteil dieser Isotope ist je nach Nahrungsquelle – Algen, Zooplankton, Fisch – unterschiedlich. Wenn die Forscher den Anteil solcher Atome im Gewebe eines Walhais untersuchen, können sie viel über dessen Ernährung herausfinden.

Schwimmen mit Walhaien in Mexiko

Für gewöhnlich hat die Sache aber einen kleinen Haken: Stabile Isotope werden zwar regelmäßig genutzt, um auf die Nahrung diverser Tiere zu schließen, aber meist müssen die Forscher dafür Mutmaßungen darüber anstellen, wie die Tiere die Nährstoffe aus ihrer Nahrung verwerten. Bei der Walhaistudie dienten allerdings fünf Wahlhaie aus dem Okinawa Churaumi Aquarium, deren Ernährungsplan bekannt ist, als Kontrollgruppe. Ihre Werte lieferten einen Vergleichswert für die Ergebnisse der wilden Walhaie. „Das ist wirklich wahnsinnig viel Arbeit, bei der Erkenntnisse von Tieren in Aquarien sehr nutzbringend auf das angewendet werden, was wir über dieselbe Art in ihrem natürlichen Lebensraum herausfinden wollen“, sagt Dove.

Genau wie die großen Meeressäuger, nach denen sie benannt wurden, sind Walhaie gewaltige Tiere. Sie können über 13 Meter lang und mehr als 12 Tonnen schwer werden. Bei so viel Körpergewicht brauchen die Fische naturgemäß eine Menge Nahrung. Allerdings entdeckten die Forscher auch, dass die Giganten mindestens vier Monate ohne Nahrungsaufnahme überleben können. Einige von ihnen nehmen auf ihren Reisen vermutlich keine Nahrung zu sich, sagt Wyatt – wahrscheinlich, weil sie unterwegs aufs nichts treffen, für das es sich lohnen würde anzuhalten.

Längere Fastenperioden erscheinen durchaus einleuchtend, wenn man über den Lebensraum der Tiere nachdenkt, so Prebble. „Die Nahrungsverfügbarkeit im Meer ist ziemlich ungleichmäßig. Daher wäre es für die Walhaie eine gute Strategie, sich vollzustopfen, wenn es genügend Nahrung gibt, und mit dieser Energie dann Durststrecken auf ihrer Suche nach dem nächsten Meeresfrüchte-Buffet zu überbrücken“, erklärt sie.

Aber nicht bei allen Tieren fanden sich Anzeichen für so lange Pausen zwischen den Mahlzeiten. Die Werte der einzelnen Individuen unterschieden sich stark, was Prebble und Dove besonders faszinierte. Das könnte bedeuten, dass einige Walhaie sich auf bestimmte Nahrung oder bestimmte Fressplätze spezialisiert haben. Überhaupt scheint ihr Speiseplan deutlich vielfältiger zu sein, als man bisher angenommen hatte.

Für ein bisschen Abwechslung

Laut Wyatts Daten beziehen die Tiere die Hälfte ihrer Nährstoffe aus Pflanzen und Algen. Aber warum sollten Walhaie überhaupt große Mengen an Algen fressen? Dafür gibt es ein paar mögliche Erklärungen.

„Es ist unklar, ob das Vorteile hat oder ob die Walhaie diese Entscheidung überhaupt bewusst treffen“, sagt Wyatt. „Aber es ist durchaus plausibel, dass die Algen eine Nahrungsquelle darstellen könnte, wenn es wenig andere Nahrung gibt.“

„Es überrascht nicht, dass Walhaie eine Menge Pflanzenmaterie schlucken, wenn man bedenkt, dass sie bei ihrer Nahrungsaufnahme nach Größe sortieren, nicht nach Art“, gibt Dove zu bedenken. Zu diesem Schluss kam auch eine Studie aus dem Jahr 2013, in deren Rahmen Forscher feststellten, dass man im Magen von Walhaien oft Algen fand. Die neuen Daten zeigen nun allerdings, dass die Fische viele Nährstoffe aus den verzehrten Algen ziehen. Das könnte bedeuten, dass ihre vegetarische Nahrung mehr als bloßer Zufall ist.

Um herauszufinden, ob Walhaie wirklich absichtlich eine omnivore Ernährung praktizieren, werden die Forscher feststellen müssen, ob die Tiere gezielt Bereiche mit vielen Algen ansteuern, wenn wenig tierische Nahrung zur Verfügung steht. Außerdem müssen sie untersuchen, wie effektiv die Walhaie die Nährstoffe aus den Algen verwerten. Genau das haben Biologen auch getan, als man vermehrt Seegras im Verdauungstrakt von Ammenhaien fand. Zu ihrer Überraschung fanden sie heraus, dass die Haie die Pflanzen dank eines speziellen Enzyms in ihrem Magen tatsächlich verdauen können.

Dove wäre jedenfalls nicht überrascht, wenn sich Walhaie als echte Omnivoren herausstellen würden. „Die engsten Verwandten der Walhaie sind Arten, die am Meeresgrund leben, und ich gehe fest davon aus, dass auch einige von denen sich als Allesfresser herausstellen werden“, sagt er. „Das ist das Faszinierende an Haien: Je mehr wie über sie herausfinden, desto mehr stellen sie unsere grundlegenden Annahmen über ihre Biologie infrage. Das macht sie wirklich zu einer der spannendsten Tiergruppen, die man erforschen kann.“

 

Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.

 

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