Tiefseefisch kann seinen Atem vier Minuten lang anhalten
Seekröten haben einen einzigartigen Mechanismus entwickelt, um besonders viel Sauerstoff aufzunehmen.

Seekröten – so stellt sich heraus – stecken voller Überraschungen.
Schon vor einiger Zeit haben Wissenschaftler herausgefunden, dass diese Tiefseebewohner mit speziellen Flossen über den Meeresboden „laufen“. Nun hat eine Studie gezeigt, dass die Tiere noch über eine weitere besondere Anpassung verfügen: große, dehnbare Kiemenkammern, die sich im Inneren der Seekröten mit Meerwasser füllen können. Dadurch können die Fische mehr Sauerstoff aufnehmen und ihren Atem bis zu vier Minuten lang anhalten.
Dieses Verhalten, das bei Fischen zum ersten Mal beobachtet wurde, könnte dazu dienen, in einem Lebensraum mit nur wenig Nahrung Energie zu sparen.
„Das ist schon cool – ein bisschen wie eine andere Methode, um sich aufzublasen, über die kein anderer Fisch verfügt“, sagt die Co-Autorin der Studie Stacy Farina, eine Biologieprofessorin an der Howard University. Kugelfische saugen beispielsweise große Mengen Meerwasser ein und pumpen damit ihren enorm elastischen Magen auf.
Galerie: Die verborgene Unterwasserwelt der Tiefsee

Die Erforschung solcher Anpassungen an das Leben in der Tiefsee hilft Biologen dabei, mehr darüber zu lernen, wie sich die Tiere evolutionär auf diesen Lebensraum spezialisiert haben.
Insgesamt gibt es mehr als 20 Seekrötengattungen, die weltweit in bis zu 2.500 Metern Tiefe leben.
„Sie haben sich vollständig auf das Leben am Meeresboden angepasst. Im Grunde schwimmen sie so gut wie nie“, erzählt der Co-Autor Nick Long vom Dickinson College in Pennsylvania.
„Manche Leute sagen sogar, sie seien faul.“
Immer mit der Ruhe
Für ihre Studie sezierten Farina und Long Seekröten vom Museum of Comparative Zoology der Harvard University und führten CT-Scans an ihnen durch. Darüber hinaus analysierten sie Videoaufnahmen von diversen Seekröten, die von Unterwasserdrohnen der NOAA aufgenommen wurden.
Laut ihren Ergebnissen, die im Fachmagazin „Journal of Fish Biology“ erschienen, können Seekröten durch das Aufblasen ihrer Kiemenkammern ihr Körpervolumen um bis zu 30 Prozent vergrößern. Übertragen auf einen Menschen würde das bedeuten, dass die Lungen auf die Größe des gesamten Bauches ausgedehnt würden, erklärt Farina.
Besonders fasziniert war das Team von der einzigartigen Fähigkeit des Fisches, seinen Atem anzuhalten. Videoaufnahmen der Tiere lassen vermuten, dass dies Teil ihres normalen Atmungsmusters ist. Ein solches Verhalten sieht man sonst eigentlich nur bei Tieren, die über eine Lunge verfügen – auch wenn beispielsweise Welse ihren Atem bei Sauerstoffmangel gelegentlich anhalten, wie sie sagt
Die Forscher vermuten, dass die Seekröten ihren Körper aufpumpen, um Energie zu sparen – immerhin erfordert das Atmen einen gewissen Aufwand.
Obwohl Seekröten im Grunde alles fressen, was in ihr Maul passt – von Würmern über Fische bis hin zu Kraken –, „ist es ziemlich unwahrscheinlich, dass sie jeden Tag Beute machen“, so Long.
John Caruso, ein emeritierter Professor der Tulane University, der an der Studie nicht beteiligt war, beurteilte die Arbeit als „ausgezeichnet“.
Er gibt einzig zu bedenken, dass die Seekröte in dem Drohnenvideo ihren Atem womöglich angehalten hat, weil sie sich vom hellen Licht des Unterwasserfahrzeugs gestört fühlte. Ihm zufolge seien noch weitere Beobachtungen nötig, um festzustellen, ob es sich tatsächlich um normales Atmungsverhalten handelt.
Verteidigungsmodus?
Das Aufblasen der Seekröte könnte aber nicht nur Energie sparen, sondern auch ein Verteidigungsmechanismus gegen Fressfeinde sein, wie es in der Studie heißt.
Der Professor Hsuan-Ching Ho vom Institut für Meeresbiologie an der taiwanesischen Nationaluniversität Dong Hwa bezweifelt allerdings, dass das der Fall ist. Er beschrieb 2006 drei neue Arten von Seekröten. Kugelfische pumpen beispielsweise Wasser in ihren Magen, um ihre Form beizubehalten, wenn sie gebissen oder zusammengedrückt werden. Die Kiemenkammern der Seekröte hingegen sind offen. Das Wasser würde also einfach herausfließen, wenn sie gebissen wird.
Caruso hält den Verteidigungsmechanismus dennoch für eine „plausible Hypothese“.
Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.
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