Das Leben der Straßenkatzen

Zwei Fotografen hielten ihre „Große Katzenodyssee“ von Marokko bis Japan in Bildern fest.

Von Kristin Hugo
bilder von Tuul and Bruno Morandi
Veröffentlicht am 16. Aug. 2019, 20:05 MESZ

18 Jahre lang hielten Tuul und Bruno Morandi die Menschen, Städte und Landschaften dieser Welt auf ihren Fotografien fest. Auf ihren Reisen sammelten sich dabei zufällig auch eine Menge Bilder eines anderen Motivs an: die flauschig-freundlichen Gesichter von Straßenkatzen.

In ihrem Buch „La Grand Odysée des Chats“ (dt. Die große Katzenodyssee) sieht man die eleganten Tiere beim Entspannen auf den strahlend blauen Häusern von Chefchaouen in Marokko und beim Herumspringen in griechischen Ruinen. In Japan beobachteten manche der Katzen geduldig die Fischer an der Küste und warteten auf ihre Gelegenheit, ein paar der Reste zu ergattern.

Die Morandis sind selbst Katzenliebhaber. Ihr Buch widmeten sie ihrer zehnjährigen Katze Mujra, die Tuul als „wunderschön und liebenswürdig“ beschreibt.

Das Paar fühlte sich während seiner Arbeitsreisen wie magisch von den charismatischen Tieren angezogen und konnte dem Drang nicht widerstehen, die Samtpfoten, die ihnen begegneten, immer wieder abzulichten. Als sie genug Bilder gesammelt hatten, fragten sie ihren Verleger, ob man nicht ein Buch damit herausgeben könne. Er stimmte zu, und so begann sie, sie halbwilden Stadtbewohner mit einem neuen Fokus abzulichten.

Ehemaliger Bergbauort ist jetzt ein Katzendorf
Einst gab es in Houtong einen großen Kohlebergbau, aber nun steht Katzentourismus im Zentrum der Wirtschaft des Ortes.

Für die Fotografen ist das Porträtieren von Katzen ähnlich wie das Fotografieren von Menschen. „Für uns ist das praktisch dasselbe“, sagt Tuul Morandi. „Wir machen gerne Bilder des Moments, des alltäglichen Lebens in den Straßen.“ Bevor sie direkt mit ihren Motiven interagieren, versuchen die Morandis, einen möglichst authentischen Moment einzufangen, in dem sich die Menschen oder Tiere ganz natürlich verhalten. Im Anschluss sprechen sie dann mit den Menschen oder – wenn sie es zulassen – streicheln die Katzen und spielen mit ihnen.

Selbst in den unterschiedlichsten Städten zeigen viele Katzen ähnliche Verhaltensweisen. Aber genau wie Menschen sind manche Katzen schüchterner als andere. Die verwilderten Exemplare sind für gewöhnlich äußerst misstrauisch und meiden Menschen. Es gibt aber auch viele Straßenkatzen, die recht freundlich und aufgeschlossen sind. „Manchmal gibt es sehr schüchterner Katzen, aber in Japan waren die meisten Katzen, denen wir begegnet sind, kein bisschen schüchtern“, sagt Tuul. „Sie wissen, dass die Menschen freundlich sind. Vielleicht liegt das an ihrer Beziehung zu den Menschen, die sie füttern.“

Auf einer japanischen „Katzeninsel“ betrachtet eine orangefarbene Tabby interessiert einen Artgenossen.
Foto von Tuul and Bruno Morandi

In Japan sind die Menschen zu Katzen besonders freundlich, die eine „ganz spezielle Beziehung“ zu den dortigen Fischern haben, sagt Tuul. Die Tiere gelten als Glücksbringer und es gibt sogar Tempel, in denen sie verehrt werden. Außerdem sind sie vielerorts eine Art Touristenattraktion: Es gibt fast ein Dutzend „Katzeninseln“ in Japan.

In Tokio gibt es diverse Tempel, die Katzen gewidmet sind. Dort können Besucher nicht nur steinerne Katzenstatuen bewundern, sondern auch echte Stubentiger.
Foto von Tuul and Bruno Morandi

In zahlreichen Ländern spielen Kultur, Religion, Geschichte und Legenden eine wichtige Rolle für den Status von Straßenkatzen. Der Prophet Mohammed predigte angeblich gerne mit seiner geliebten Katze Muezza auf dem Schoß. Als das Tier einmal auf seine Robe einschlief, schnitt er lieber seinen Ärmel ab, als Muezza zu wecken. „In den meisten islamischen Ländern wie Marokko und der Türkei haben die Leute eine besondere Beziehung zu Katzen, […] weil der Prophet sie wirklich geliebt hat“, erklärt Tuul.

Allerdings ist nicht jeder ein Freund von Straßenkatzen. An vielen Orten gelten verwilderte Katzen als invasive Raubtiere, die der lokalen Fauna großen Schaden zufügen. 2013 versuchte eine Studie, die in „Nature Communications“ erschien, die Zahl der durch Hauskatzen getöteten Wildtiere zu beziffern. Der Analyse zufolge erlegen Freigänger in den USA zwischen 1,3 und 4 Milliarden Vögel sowie 6,3 bis 22,3 Milliarden Säugetiere pro Jahr.

Trotz der Kontroverse rund um den Einfluss von Hauskatzen auf Ökosysteme ist unbestritten, dass Menschen auf der ganzen Welt die Gesellschaft der schnurrenden Vierbeiner genießen. Auf Lamu, einer Insel vor der Küste Kenia, gehören die Tiere sogar zur Kulturgeschichte. In Griechenland sind Katzen gesetzlich geschützt. Wann immer Menschen auf den Katzenbildern der Morandis zu sehen sind, ignorieren sie die Tiere entweder beiläufig oder streicheln sie und halten sie im Arm.

„Die Katzen in den Straßen sind ein Teil ihres Lebens“, sagt sie.

Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.

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