Mutierte Hühner: schwarz bis auf die Knochen

Insgesamt gibt es vier Hühnerrassen, deren Gewebe komplett schwarz ist und alle besitzen die gleiche genetische Mutation. Ein Wissenschaftler erklärt, wie es dazu kam.

Von Jason Bittel
Veröffentlicht am 20. Sept. 2019, 14:54 MESZ
Ayam-Cemani-Hahn
Dieser Ayam-Cemani-Hahn ist ein typischer Vertreter seiner Rasse: schwarz von Kopf bis Fuß und innen wie außen.
Foto von Biosphoto, Alamy

Das Ayam-Cemani-Huhn ist mit großer Wahrscheinlichkeit das am stärksten pigmentierte Lebewesen der Erde. Nicht nur Feder, Schnabel, Kamm, Zunge und Füße dieser Vögel sind in einem bläulich schimmernden Schwarz gefärbt, auch ihre Knochen zeigen den gleichen markanten Farbton. Selbst das Fleisch der Hühner sieht aus, als wäre es in Tinte mariniert worden.

Interessanterweise ist das Cemani – das aus Indonesien stammt – nur das auffälligste Beispiel für ein Phänomen, das die Wissenschaft dermale Hyperpigmentierung nennt. Auch Vertreter der Seidenhühner (so benannt wegen ihrer weichen, haar-artigen Federn), sowie die schwarzen H’Mong-Hühner aus Vietnam und die Schwedischen Schwarzhühner weisen hyperpigmentierte Haut und Gewebe auf.

Wissenschaftler sprechen hierbei von Fibromelanosis.

„Wir haben Belege dafür, dass es sich hierbei um eine komplexe Neuanordnung innerhalb des Genoms handelt“, sagt Leif Andersson, ein Genetiker an der Universität von Uppsala in Schweden, wo er die Genetik von domestizierten Tierarten untersucht.

Andersson erklärt außerdem, dass die Mutation, die diese Hühner aufweisen, auf einen einzigen Vogel zurückgeht, der vor Hunderten oder sogar Tausenden von Jahren gelebt haben könnte.

„Die Mutation, die Fibromelanosis zugrunde liegt, ist sehr speziell, weswegen wir davon ausgehen, dass sie nur einmal aufgetreten ist“, meint Andersson.

Das dunkelste Fleisch der Welt

Im Internet stolpert man ständig über Tiere, bei denen sich der sogenannte Melanismus, also eine Schwarzfärbung zeigt. Dazu gehören Schwarze Panther und Servale, aber auch melanistische Flamingos, Geckos und Schlangen mit schwarzen Schuppen. Die Hühner, mit denen Anderssons Forschung sich beschäftigt, treiben es dabei jedoch auf die Spitze.

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    Und das steckt dahinter:

    Die meisten Wirbeltiere besitzen ein Gen namens Endothelin-3 oder EDN3, das – neben anderen Faktoren – für die Färbung der Haut verantwortlich ist. Wenn sich ein normales Huhn entwickelt, kommt es in bestimmten Zellen (wie den Hautzellen oder Federfollikeln) zu einer Genexpression von END3, was die Produktion von Menoblasten verursacht. Diese Zellen sind für Farbe zuständig.

    Bei den hyperpigmentierten Hühnern kommt es jedoch in allen Körperzellen das EDN3-Expression, was zehnmal so viele Melanoblasten hervorbringt und dazu führt, dass die Knochen und das Gewebe aussehen, als wären sie in Teer getaucht worden.

    „Es ist wie ein falscher Wegweiser“, meint Andersson. „Wenn die Genexpression von END3 zu viel und an den falschen Stellen erfolgt, wandern die Pigmentzellen nicht nur an ihren eigentlich vorgesehenen Platz.“

    Die Mutation an sich scheint keine schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit der Vögel zu haben. Doch die dunkle Farbe dieser Rassen macht sie in den Augen von Züchtern und Feinschmeckern umso wertvoller und ihrem Fleisch wird ein einzigartiger, vielschichtiger Geschmack nachgesagt.

    Vom Außenseiter zum Ausstellungssieger

    Auch wenn die Wissenschaft nun versteht, was diese Hühner so besonders macht, gibt die Geschichte dieser Rassen nach wie vor Rätsel auf.

    Viele Forscher halten einige Worte von Marco Polo in seinen Reiseberichten für den ersten schriftlichen Hinweis auf die schwarzen Hühner. Im Jahr 1298 schrieb der Entdecker auf seiner Reise durch Asien über eine Hühnerrasse, die „Haare wie Katzen hat, schwarz ist und die besten Eier legt“. Absolute Sicherheit gibt es keine, aber die Beschreibung klingt ganz nach einem Seidenhuhn.

    Diese Seidenhühner sind ebenfalls innen wie außen schwarz. Sie wurden im Fort Worth Zoo in Texas fotografiert.
    Foto von Joël Sartore, National Geographic Photo Ark

    Ab diesem Zeitpunkt, sagt Andersson, hat sich die Mutation aller Wahrscheinlichkeit nach durch Hühnerzüchter in der Welt verbreitet, da diese die neuartige Färbung der Tiere sehr zu schätzen wussten. Es gibt sogar eine Anekdote über einen Seemann, der schwarzes Huhn von der ost-asiatischen Handelsstraße mitbrachte, was erklären würde, wie das Schwedische Schwarzhuhn in Europa entstand.

    „Ich denke, es ist offensichtlich, dass die Menschen Vielfältigkeit bei Haustieren mögen“, erklärt Andersson, der auch den genetischen Ursprung der Seidenfiedrigkeit erforscht hat und im Moment untersucht, wodurch der Kamm bei Hühnern entsteht.

    Die Rassen gibt es zwar schon seit einigen Jahrhunderten, doch die Tiere sind immer noch relativ selten. So ist beispielsweise von den vier Rassen nur das Seidenhuhn mit eigenen Zuchtstandards und Rassemerkmalen beim amerikanischen Geflügelzüchterverband (APA) anerkannt. Damit kann es an Wettbewerben teilnehmen.

    Laut John Monaco, dem Presidänten des APA kann der Prozess der Aufstellung einer einheitlichen Richtlinie für eine Rasse Jahre dauern.

    „Die Cemanis gibt es hier noch nicht so lange und die Züchter beginnen gerade erst, mit ihnen zu arbeiten“, sagt Monaco. „Seidenhühner gibt es dagegen en masse. Es gibt viele Farbvarianten und sie sind als Sieger aus verschiedenen Wettbewerben hervorgegangen.“

    Natürlich ist für Andersson jede der schwarzen Hühnerrassen ein Gewinner, da ihre Färbung aus genetischer Sicht so unwahrscheinlich selten ist.

    „Man sieht sehr viel häufiger fehlerhafte Pigmentierungen – weiße Flecken oder gar keine Pigmentierung –, weil es viel leichter ist, Gene zu unterbrechen als Gene zu aktivieren, wie es hier passiert ist“, meint er.

    Es war der Zufall, der die schwarzen Hühner hervorbrachte. Aber es war der Mensch, der sie gezüchtet und auf der ganzen Welt verbreitet hat.

    „Das macht es umso faszinierender“, ist Anderssons Fazit

    Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.

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