Sonderfall: Grevyzebras verhungern bei Dürre ohne Zufütterung

Generell ist das Füttern von Wildtieren nicht empfehlenswert. Für die Grevyzebras gibt es aber keine andere Wahl – vorerst zumindest.

Von Emma Marris
Veröffentlicht am 20. Jan. 2020, 11:01 MEZ
Die stark gefährdeten Grevyzebras streifen durch die Steppen im Norden Kenias. In freier Wildbahn gibt es ...
Die stark gefährdeten Grevyzebras streifen durch die Steppen im Norden Kenias. In freier Wildbahn gibt es nur noch um die 2.400 Tiere.
Foto von Heath Holden

Grevyzebras – oder loiborkoram in der Sprache der Samburu – sind echte Schwergewichte. Mit bis zu 430 kg Körpergewicht sind sie die größten wilden Vertreter aus der Familie der Pferde. Ihre auffälligen Ohren wirken von Weitem rundlich und ihre Streifen sind feiner als die der Steppenzebras. „Das sind absolut fantastische Tiere“, sagt Belinda Low Mackey, die Mitbegründerin des Grevy’s Zebra Trust mit Sitz in Nairobi.

Und sie sind stark gefährdet. In freier Wildbahn gibt es nur noch um die 2.000 ausgewachsene Exemplare. Ihr Verbreitungsgebiet ist von einem beträchtlichen Teil des Horns von Afrika auf ein paar wenige Bereiche in Kenia und Äthiopien zusammengeschrumpft.

Um diesen Ort zu erreichen, riskieren Zebras jedes Jahr ihr Leben

Der Bejagung der Tiere im 20. Jahrhundert und die anhaltende Futterkonkurrenz mit Viehherden, die ebenfalls in dem trockenen Lebensraum grasen, haben die Zahl der Grevyzebras erheblich reduziert. Seit 2009 leidet die Region zudem unter Dürren, die das Gras vertrocknen lassen, das die Zebras fressen. Der Fotograf Heath Holden begleitete im Oktober einige der Ranger des Trusts im kenianischen Samburu County. Der Boden war „unsagbar trocken“, sagt er. „Die ganzen Flüsse waren ausgetrocknet.“

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    Lewarani Loidingae (links) und Lenengetai Lmantoros sind Botschafter des Grevy’s Zebra Trust. Die sind in den Bereichen Überwachung und Sicherheit ausgebildet und unterstützen den Kenya Wildlife Service beim Kampf gegen Wilderei und bei Gemeindeprojekten.
    Foto von Heath Holden

    In Kombination mit den grasenden Viehherden können solche Ereignisse zahlreichen Grevyzebras zum Verhängnis werden. Der Grevy’s Zebra Trust hat daher beschlossen, die wilden Tiere zu füttern. Während der Dürreperioden in den Jahren 2011, 2014, 2017 und 2019 hat er entlang der Wanderrouten der Tiere zu ihren Wasserlöchern Heuballen verteilt. Das Heu stammt aus benachbarten Provinzen und wurde per LKW und Motorrad herangeschafft. Allein 2017, als die schlimmste Dürre des Jahrzehnts die Region traf, verteilte der Trust mehr als 3.500 Heuballen.

    Aber sollte man wilde Tiere füttern? In vielen Fällen lautet die Antwort nein. Laut der Philosophin Clare Palmer, die an der Texas A&M University Tierethik erforscht, könnte man theoretisch argumentieren, dass das Füttern von Zebras den Tieren ein Stück ihrer Wildheit nimmt und sie abhängiger von Menschen macht. Und wenn sie von Menschen abhängig werden, sind sie gleichzeitig weniger frei.

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    „Das Verringern der Freiheit dieser Tiere könnte auf gewisse Weise als Überheblichkeit gewertet werden, als menschliche Arroganz, alles auf der Welt kontrollieren zu wollen“, sagt sie.

    Wenn Menschen Tiere ohne einen sorgfältig ausgearbeiteten Plan füttern, kann das tatsächlich gefährliche Folgen haben: Die Tiere könnten sich zu sehr an menschliche Nähe gewöhnen oder ihr Verhalten ändern. In einigen Fällen haben Tiere ihre jährlichen Wanderungen aufgegeben oder ihre Routen verändert. In anderen Fällen sind sie Menschen zu nahe gekommen oder haben ihre Gehöfte und Häuser beschädigt, was das Risiko vom gezielten Abschüssen nach sich zieht. Im aktuellen Fall fressen die Zebras das Heu nachts, wenn die Menschen längst weg sind. Ihre Essenslieferanten bekommen sie also nie zu Gesicht.

    Samburufrauen nehmen an einem Workshop für ganzheitliches Landmanagement teil. So sollen Ernteerträge erhöht und der Lebensraum der Wildtiere geschützt werden.
    Foto von Heath Holden

    Wenn die Alternative darin besteht, zu verhungern, halten die kenianischen Wildtiermanager es durchaus für akzeptabel, die Wildheit der Zebras in einem Aspekt ein bisschen zu verringern. Außerdem, so sagt Palmer ebenfalls, wurde das Leben der Zebras ohnehin davon geprägt, dass sie seit Jahrtausenden in Gegenwart der Nutztiere und seit Jahrzehnten mit dem Klimawandel leben. „Es ist also nicht so, als wäre ein Leben jenseits des menschlichen Einflussbereichs für diese Zebras überhaupt eine Option.

    Mitarbeiter des Grevy’s Zebra Trust demonstrieren im Rahmen eines Landmanagement-Trainings, dass Boden mit Vegetationsbewuchs und nackter Boden Wasser unterschiedlich gut zurückhalten.
    Foto von Heath Holden

    “Eine „Tragik der Allmende“

    Low Mackey zufolge ist das auch ohnehin nicht das Ziel. Menschen, ihr Vieh und Grevyzebras sollen koexistieren können. Sie hofft, dass die Futterlieferungen nur „eine kurzfristige Intervention“ sein werden. Derweil arbeitet der Trust daran, den Boden zu restaurieren, damit alle Weidetiere von ihm leben können, egal ob wild oder domestiziert.

    Im Rahmen der Bodenverbesserung werden Akazienbäume gefällt, die die Tiere nicht fressen können. Die Äste werden genutzt, um Wasserfurchen aufzufüllen und die Erosion zu kontrollieren. Grassamen werden neu ausgesät und die Landbesitzer werden geschult, um ihr Weidemanagement besser an ihre neue, sesshafte Lebensweise anzupassen. „Das war für sie sehr inspirierend“, sagt Low Mackey. „Sie wissen, dass sie ihre Zukunft proaktiv mitgestalten können.“

    Auf gewisse Weise erinnert die Situation an ein berühmtes Gedankenexperiment des Ökologen Garrett Hardin: die Tragik der Allmende. Es besagt, dass ein Allgemeingut – wie beispielsweise Weidefläche – unwillkürlich überstrapaziert werden wird, weil einzelne Nutzer keinen Anreiz haben, ihre Nutzung einzuschränken, während andere immer mehr Tiere auf die Weideflächen bringen.

    Grevyzebras fressen Heu, das der Grevy’s Zebra Trust für sie ausgelegt hat. Die Dürre hat dem Gras, von dem sich die Tiere normalerweise ernähren, stark zugesetzt. Der Trust füttert die Zebras deshalb, um sie durch die Dürreperiode zu bringen.
    Foto von Heath Holden

    Wenn die Viehhalter sich darüber einig werden können, wie sie das Land so bewirtschaften, dass es genügend Gras für ihr Vieh und die Zebras gibt, würde sich Hardins pessimistische Vorhersage erneut als falsch herausstellen. Elinor Ostrom, die 2009 den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften gewann, erforschte solche Erfolgsgeschichten – Orte, an denen frei verfügbare Ressourcen fair und verantwortungsvoll von Gruppen gemanagt werden. In der Schweiz haben sich Viehhalter beispielsweise darauf geeinigt, im Sommer nur so viele Kühe auf den Wiesen weiden zu lassen, wie sie im Winter in ihren Ställen versorgen können.

    Die Geschichte der Grevyzebras ist letztlich eine Metapher für den Artenschutz: Manche Arten kann man auf kurze Sicht retten, wenn man Ressourcen dafür aufwendet – Geld, politische Aufmerksamkeit oder einfach ein bisschen Heu. Aber auf lange Sicht wird sich der Artenreichtum der Erde am ehesten erhalten lassen, wenn man ganze Landschaften so managt, dass Menschen und andere Arten darin Seite an Seite gedeihen können.

    Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.

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