Honigbienen sind Mikroplastik-Magneten

An den kleinen Härchen auf den Bienenkörpern sammeln sich Mikroplastikpartikel- und fasern. Für Forschende sind die Insekten daher ein guter Bioindikator – aber wie sich Kunststoff auf die Tiere auswirkt, ist noch unklar.

Von Matt Kelly
Veröffentlicht am 28. Mai 2021, 11:29 MESZ
Arbeiterhonigbiene

Eine erwachsene Arbeiterhonigbiene, Apis mellifera, bei der Futtersuche in einer Mandelblüte. Wissenschaftler nutzen Honigbienen, um Mikroplastik in der Luft zu messen.

Foto von Anand Varma, Nat Geo Image Collection

Wenn Honigbienen durch die Gegend summen und krabbeln, sammeln sie unterwegs dank ihres speziellen Körperbaus winzige Teile ihrer Umgebung auf. Die Bienen sind mit Haaren bedeckt, die kleinste Partikel festhalten, die die Insekten absichtlich sammeln oder die einfach auf ihren täglichen Reisen an ihnen kleben bleiben. Die Härchen werden im Flug elektrostatisch aufgeladen, wodurch sie Partikel förmlich anziehen. Vor allem verfangen sich natürlich Pollen in den Haaren, aber auch Pflanzenreste, Wachs und sogar Teile von anderen Bienen.

Jetzt steht noch ein weiteres Material auf dieser Liste: Kunststoffe. Genauer gesagt, 13 verschiedene synthetische Polymere, wie eine Studie über Honigbienen und Mikroplastik in Dänemark ergab. Die Studie wurde Anfang 2021 in „Science of the Total Environment“ veröffentlicht.

Dass Mikroplastik weiträumig auf dem Planeten verteilt ist, ist mittlerweile bekannt. Wissenschaftler sind noch dabei zu lernen, wie genau es sich durch die Atmosphäre bewegt. Doch die Entnahme von Proben ist schwierig, und die meisten Untersuchungen von Mikroplastik in der Luft wurden bisher am Boden durchgeführt, sagen die Wissenschaftler.

Woher kennen Honigbienen ihre Aufgaben?
Jede Honigbiene hat einen ganz bestimmten Job, von der Pflege der Larven über die Verteidigung des Nests bis zur Nahrungsbeschaffung. Aber woher weiß jede Biene, was sie zu tun hat?

Wie sich nun herausstellt, sind Honigbienen – mit ihren behaarten Beinen und Körpern – ein probates Mittel, um die Verteilung von umherfliegenden Plastikfasern und -partikeln besser beurteilen zu können. Dank ihrer großen Anzahl und ausgedehnten Reisen zur Nahrungssuche können Honigbienen als lebende Sonden eingesetzt werden, um zu beurteilen, wie Mikroplastik auf der Welt verteilt ist.

„Diese Arbeit demonstriert zum ersten Mal die Möglichkeit, Honigbienen als Bioindikator für das Vorhandensein von Mikroplastik in der Umwelt zu nutzen“, sagen die Wissenschaftler.

Bienen als Umweltindikatoren

Jahrzehntelang haben Wissenschaftler Bienen als Indikatoren der Umweltverschmutzung eingesetzt, um Schwermetalle, Pestizide, Luftverschmutzung und sogar radioaktiven Niederschlag zu messen. Aber die Forschung über die Wechselwirkungen von Bienen mit Kunststoffen, die ebenfalls auf die 1970er zurückgeht, hat sich eher auf Makrokunststoffe als auf Mikrokunststoffe konzentriert.

Ein Beispiel dafür sind Blattschneiderbienen, die ähnlich groß sind wie Europäische Honigbienen, aber einzelgängerisch leben und überall auf der Welt zu finden sind. Sie können mit ihren riesigen Mandibeln halbmondförmige Stücke aus Plastik herausschneiden, genau wie sie es mit Blättern und Blüten tun.

Wissenschaftler in Chile, Argentinien und Kanada sowie in den Vereinigten Staaten haben beobachtet, dass Blattschneiderbienen solche Stücke aus Tüten, Verpackungen und anderen Plastikmaterialien schneiden und damit ihre Nester auskleiden. In den USA legte eine Studie außerdem nahe, dass die Bienen auch Nistmaterial aus Plastikflatterband schneiden, das zur Vermessung oder Markierung von Baustellen verwendet wird.

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    In der dänischen Studie sammelten die Wissenschaftler Tausende von weiblichen Arbeiterbienen aus 19 Bienenstöcken – neun im Zentrum von Kopenhagen und zehn in Vororten und ländlichen Gebieten außerhalb der Stadt. Die Forscher sammelten die Bienen direkt aus dem Inneren ihrer Bienenstöcke im Frühjahr, als die Bienenvölker noch im Aufbau waren. Da Bienen mit Pflanzen, Wasser, Boden und Luft interagieren – alles Bereiche, in denen sich Mikroplastik ansammelt –, hatten sie reichlich Gelegenheit, mit Kunststoffen in Kontakt zu kommen. Das Sammelteam trug Kleidung aus Naturfasern und traf weitere Vorsichtsmaßnahmen, um eine Kontamination der Bienen zu vermeiden.

    Die Bienen wurden eingefroren, um sie schmerzlos zu töten, und dann gewaschen und geputzt, um die an ihren Beinen und Körpern haftenden Partikel zu entfernen. Mit Hilfe eines Mikroskops und Infrarotlicht wurden die Partikel dann nach Größe, Form und Materialtyp sortiert.

    Fünfzehn Prozent der gefundenen Partikel waren Mikroplastik. Davon waren 52 Prozent Bruchstücke und 38 Prozent Fasern. Polyester war die dominierende Faser, gefolgt von Polyethylen und Polyvinylchlorid, aber auch natürliche Baumwollfasern wurden von den Bienen aufgenommen.

    Die Stadtbienen wiesen erwartungsgemäß die höchste Anzahl an Mikroplastik auf, da bekannt ist, dass städtische Gebiete die höchste Mikroplastikdichte aufweisen. Überraschend war hingegen, dass die Mikroplastikwerte bei den Bienen in Vorstädten und auf dem Land nicht viel niedriger waren. Das deutet darauf hin, dass die Verbreitung durch den Wind die Konzentration von Mikroplastik über große Gebiete hinweg ausgleicht, sagen die Wissenschaftler.

    „Ich hätte auf dem Land mehr ‚saubere‘ Bienen erwartet als im Zentrum von Kopenhagen“, schrieb Roberto Rosal in einer E-Mail. Der Professor für Chemieingenieurwesen an der Universität von Alcalá in Madrid ist ein Mitautor der Studie. „Aber die hohe Mobilität von kleinem Mikroplastik liefert eine Erklärung dafür.“

    Wie schädigt Mikroplastik Bienen?

    Die Frage, wie sich das Plastik auf Bienen auswirkt, ist noch offen. Wissenschaftler sind sich uneinig darüber, ob der Nestbau der Blattschneiderbienen mit Plastikteilen einfach ein Anzeichen dafür ist, dass sich die Bienen an das Vorhandensein eines neuen Materials angepasst haben – oder ob es sich letztendlich als schädlich erweisen könnte.

    In einer Studie, die Anfang 2021 im „Journal of Hazardous Materials“ veröffentlicht wurde, versuchten Wissenschaftler in China, die potenziellen Risiken von Mikroplastik für Honigbienen zu bewerten. Sie fütterten Honigbienen zwei Wochen lang mit Polystyrol-Mikroplastik und stellten fest, dass dies ihre Sterblichkeitsrate nicht veränderte. Es veränderte jedoch das Mikrobiom der Bienen – die Ansammlung von Darmbakterien, die für grundlegende biologische Funktionen wichtig sind. Aufgrund der Daten schlussfolgerte das chinesische Team, dass die Veränderungen durch den Kunststoff „erhebliche Gesundheitsrisiken“ darstellen könnten.

    Wissen kompakt: Plastik
    Schon früh in der Menschheitsgeschichte kamen Biopolymere zum Einsatz. Heutzutage wird Kunststoff fast ausschließlich aus fossilen Brennstoffen hergestellt. Erfahrt, wie genau Plastik produziert wird und was wir tun können, um die schädlichen Auswirkungen von Kunststoffen auf unseren Planeten und unser Leben zu verringern.

    Insbesondere fand das Team heraus, dass die Sterberate der Bienen von weniger als 20 Prozent auf etwa 55 Prozent anstieg, wenn sie eine Kombination aus Polystyrol und Tetracyclin zu sich nahmen. Letzteres ist ein in der Imkerei häufig verwendeten Antibiotikum zur Vorbeugung einer Larvenerkrankung. „Für sich genommen ist Mikroplastik vielleicht nicht die giftigste Verunreinigung, aber das Zusammenspiel mit anderen Chemikalien könnte seine Toxizität erhöhen“, schlossen die chinesischen Forscher.

    Illaria Negri, eine Forscherin an der Università Cattolica del Sacuro Cuore in Italien, die weder an der dänischen noch an der chinesischen Studie beteiligt war, äußerte ähnliche Bedenken. Die toxischen Wirkungen von Mikroplastik „könnten verstärkt werden, wenn sie in Kombination mit anderen Schadstoffen auftreten, wie z.B. Pestiziden, Tierarzneimitteln und Kunststoffzusätzen“, schrieb sie in einer E-Mail.

    Bestimmte Pestizide können von Plastikmüll absorbiert werden, sagte Negri. In diesem Zustand könnten sie bei Verzehr „verheerende Auswirkungen“ auf die Gesundheit von Bienen und anderen Wildtieren und Insekten haben.

    Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.

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