Anruf beim Ara: Videochats machen Papageien glücklich

Der Papagei ist ein soziales Tier – doch in Gefangenschaft wird dieses Bedürfnis nicht ausreichend gestillt. Forschende haben untersucht, ob sich die Lücke mit Videoanrufen füllen lässt.

Von Katarina Fischer
Veröffentlicht am 26. Apr. 2023, 09:52 MESZ
Der Papagei sitzt vor einem Handy und chattet per Video mit Artgenossen.

Ellie, der 11-jährige Goffinkakadu der Studienautorin Jennifer Cunha, beim Videochat mit einem Artgenossen.

Foto von Matthew Modoono/Northeastern University

Das Gespräch unter vier Augen mit der Freundin, die im Ausland lebt, oder den Verwandten in der Heimat den Nachwuchs in Bild und Ton präsentieren: Das geht heute ganz leicht mit Videochatdiensten wie Zoom und FaceTime. Viele Menschen haben das Angebot vor allem während der Corona-Pandemie zu schätzen gelernt, als persönliche Treffen nicht möglich waren.

Doch können auch Tiere mit dieser Form des sozialen Kontakts etwas anfangen? Dieser Frage ist Rébecca Kleinberger, Assistenzprofessorin an der Northeastern University in Boston, gemeinsam mit Forschenden der Northeastern University, des Massachusetts Institute of Technology (MIT) und der University of Glasgow nachgegangen.

Das Studienteam hat bereits bei verschiedenen Tierarten – von Hunden bis hin zu Orcas – untersucht, ob sie Computerinteraktion begreifen und daraus einen Nutzen ziehen. Nun haben die Forschenden Papageien gezeigt, wie sie Artgenossen per Video anrufen können, und stellten fest, dass die Vögel diese Form der Kommunikation nicht nur verstehen, sondern auch Spaß daran haben.

Kontaktaufnahme per Video

Es gibt mehrere Gründe, warum sich die neue Studie auf Papageien konzentriert. Zum einen sind die Vögel außergewöhnlich intelligent: Die kognitiven Fähigkeiten mancher Arten entsprechen denen von Kindern im frühen Grundschulalter. Zum anderen ist ihr Sehvermögen ausgeprägt genug, um Bewegungen auf einem Bildschirm zu erkennen. Außerdem sind sie begabte Vokalisten – eine Eigenschaft, die ihnen in freier Wildbahn dabei hilft, in den dichten Baumkronen des Regenwalds ihre Schwarmkameraden zu finden.

An der Studie nahmen 18 Tiere teil, die im Parrot Kindergarten in Jupiter, Florida, leben. Ihre Pfleger brachten ihnen bei, eine Glocke zu läuten, wenn sie einen Artgenossen anrufen wollten. Daraufhin wurde ihnen ein Tablet zur Verfügung gestellt, auf dessen Bildschirm Fotos möglicher Gesprächspartner zu sehen waren. In jeweils dreistündigen Sitzungen konnte jeder Vogel mit seinem Schnabel auf den Bildschirm tippen und so bis zu zwei Anrufe mit einer Höchstdauer von je fünf Minuten starten. Sobald die Papageien während des Anrufs Anzeichen von Angst oder Aggression zeigten, waren die Pfleger angewiesen, diesen abzubrechen.

Während drei Vögel vorzeitig aus der Studie ausschieden, zeigten fünfzehn von ihnen so viel Freude daran, dass sie bis zu ihrem Ende mitmachten und die erlaubte Zeit für die Anrufe bis zur letzten Sekunde nutzten. Sie reagierten mit freudigem Krächzen und Kopfwippen auf ihre Artgenossen, putzen sich, zeigten Spielverhalten und begannen zu singen. „Es entstand eine starke soziale Dynamik“, sagt Kleinberger.

Die Vögel riefen sich nicht nur freiwillig gegenseitig an und schienen zu verstehen, dass am anderen Ende ein echter Papagei war, sondern lernten per Videocall auch neue Fähigkeiten wie die Futtersuche, neue Laute und sogar das Fliegen voneinander.

Virtuelle Freundschaften

Besonders beeindruckend waren die Ergebnisse auf sozialer Ebene. Die Papageien, die von anderen am häufigsten angerufen wurden, waren die, die selbst die meisten Anrufe initiierten. Dem Studienteam zufolge deutet dies auf eine wechselseitige Dynamik hin, die der menschlichen Sozialisation stark ähnelt.

Manche Tiere bauten per Video enge Beziehungen zueinander auf: Im Rahmen der Studie freundete sich Vogel Ellie, der Goffinkakadu der Verhaltensforscherin und Studienautorin Jennifer Cunha, mit einem in Kalifornien lebenden Graupapagei namens Cookie an. „Der Versuch liegt über Jahr zurück und die beiden reden immer noch miteinander“, sagt sie.

An der Studie nahmen auch zwei ältere männliche Aras teil, die beide in Gefangenschaft leben und in ihrem Leben selten mit anderen Aras interagiert haben. Wenn sie einander auf dem Bildschirm sahen, tanzten und sangen sie begeistert und riefen „Hallo! Komm her! Hallo!“, wenn sich der andere aus dem Videobild heraus bewegte. „Das zeigt, wie kognitiv komplex diese Vögel sind und wie gut sie sich auszudrücken können“, sagt Studienautorin Ilyena Hirskyj-Douglas, Computerwissenschaftlerin an der University of Glasgow.

Nicht für den Hausgebrauch geeignet

In freier Wildbahn leben Papageien außerhalb der Brutzeit in großen Schwärmen. Erst seit Ende des 19. Jahrhunderts werden die Vögel professionell domestiziert – in Anbetracht des hohen Alters, das manche Spezies erreichen können, also erst seit ungefähr zwei Generationen. Auch wenn Papageien nur in Paaren, besser noch in Gruppen gehalten werden dürfen, werden ihre sozialen Bedürfnisse in Gefangenschaft kaum gestillt.   

Einmalig: Afrikas seltenster Papagei bei der Paarung gefilmt.
11. Mai 2018: Diese Vögel tragen den zweifelhaften Ehrentitel „Afrikas seltenster Papagei“. Dies sind die ersten Filmaufnahmen eines Kappapagei-Pärchens bei der Paarung.

Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass Videoanrufe Papageien dabei helfen könnten, sich der Kommunikation frei lebender Artgenossen anzunähern und so die Lebensumstände im Haus ihrer Besitzer zu verbessern. „Wir sagen nicht, dass sie dadurch so glücklich werden, wie sie es in freier Wildbahn wären“, sagt Rébecca Kleinberger. „Wir möchten nur versuchen, denen zu helfen, die bereits in Gefangenschaft sind.“

Trotz des positiven Studienverlaufs rät sie Papageienhaltern davon ab, ihr Haustier einfach einem Zoom-Call auszusetzen. Die untersuchten Vögel seien von erfahrenen Pflegern behutsam an die Technologie herangeführt und sorgfältig beobachtet worden. Man könne nicht vorhersagen, wie einzelne Papageien auf das Angebot reagieren und es bestehe das Risiko, dass die Tiere Angst bekommen oder aggressiv werden. Dann könne es zu Verletzungen oder auch Sachschäden kommen – große Papageienarten seien etwa dazu in der Lage, ein Tablet mit ihrem Schnabel in Stücke zu reißen.

Für domestizierte Vögel, die zum Beispiel zum Schutz vor Krankheiten nicht in der Nähe ihrer Artgenossen sein dürfen, können Videocalls unter korrekter Anleitung aber durchaus eine Möglichkeit darstellen, ihre Lebensqualität zu verbessern.

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