Totstellen beim Sex: Wie sich Grasfroschweibchen gegen Männchen wehren

Männliche Grasfrösche gehen bei der Paarung aggressiv vor. Die Weibchen haben gegen dieses übergriffige Verhalten eine interessante Strategie entwickelt.

Von Insa Germerott
Veröffentlicht am 16. Okt. 2023, 10:16 MESZ
Drei Grasfroschmännchen belagern ein Grasfroschweibchen im Teich.

Viele Männchen, ein Weibchen: In der Paarungszeit sind die männlichen Grasfrösche in der Überzahl. Manchmal stürzen sich mehrere von ihnen auf ein einzelnes Weibchen – doch die wehren sich.  

Foto von Daniel Prudek / Adobe Stock

Die Paarungszeit der Grasfrösche, eine der häufigsten Amphibienarten Deutschlands, erinnert an eine große Orgie: Im Frühling versammeln sich Tausende Tiere am Teich. Da Grasfrösche zu den explosiv ablaichenden Arten gehören – also nur über eine sehr kurze Fortpflanzungszeit von weniger als zwei Wochen verfügen –, geben die Männchen in diesem Zeitraum alles, um den Fortbestand ihrer Art zu sichern. Und klammern sich dabei mit großer Kraft an jeden anderen verfügbaren Grasfrosch, den sie finden können. 

Was das für ihre weiblichen Artgenossen bedeutet, lässt sich leicht erahnen: Sie werden von den Männchen sexuell genötigt – bis hin zur Formierung von sogenannten „Paarungsbällen“, in denen mehrere Männchen ein Weibchen umklammern. In diesen Knäueln stirbt das Grasfroschweibchen häufig. 

Bislang nahmen Forschende an, dass sich die Weibchen in diesen penetranten Laichgesellschaften nicht zur Wehr setzen können. Die Biolog*innen Carolin Dittrich und Mark-Oliver Rödel vom Museum für Naturkunde Berlin konnten nun allerdings das Gegenteil beweisen: Die Weibchen wehren sich sehr wohl – mit einfallsreichen Strategien. Die Studie der Wissenschaftler*innen erschien in der Zeitschrift Royal Society Open Science

Laute gegen Belästigung

Da die Grasfroschweibchen erst nach zwei bis drei Jahren geschlechtsreif werden, sind die Männchen bei dem Fortpflanzungsspektakel jedes Jahr in der Überzahl. Sie sind nicht wählerisch und erwischen bei dem Akt auch schon einmal versehentlich ein anderes Männchen. Dieses gibt dann einen Grunzlaut von sich, um auf den Fehler aufmerksam zu machen – daraufhin löst das Männchen die Umklammerung. 

Diesen tiefen, niederfrequentierten Grunzlaut haben sich auch die Weibchen zunutze gemacht: Sie imitieren das Geräusch, um das Männchen zum Loslassen zu bewegen. Ihre am häufigsten genutzte Strategie, um sich aus den Fängen ihrer männlichen Artgenossen zu befreien, ist jedoch das Drehen um die eigene Körperachse. Hilft das nicht, kommen die Laute zum Einsatz. Darunter befinden sich teilweise auch höherfrequentierte „Quietsch“-Laute, die die Forschenden noch nicht eindeutig zuordnen können. 

Letzte Möglichkeit: Totstellen 

Das erstaunlichste Verhalten, das die Forschenden bei den Weibchen jedoch beobachten konnten, war das Totstellen. Es kam als letzte Möglichkeit zum Einsatz – immer dann, wenn die anderen Strategien keine Wirkung zeigten. Bei dieser tonischen Unbeweglichkeit, wie das Totstellen in der Wissenschaft genannt wird, streckten die Weibchen die Arme und Beine steif von ihrem Körper und verharrten so lange unbeweglich, bis das Männchen losließ. 

„Ein Totstellen im Zusammenhang mit der Paarung ist außergewöhnlich und wird sehr selten beobachtet“, sagt Carolin Dittrich, Erstautorin der Studie. Die Berliner Biolog*innen vermuten, dass sich dieses Abwehrverhalten bei den Grasfroschweibchen entwickelt hat, um sie vor den für sie oft tödlichen Paarungsbällen zu schützen. Totstellen, um zu überleben also.

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