Genetische Sensation: Studie weist neue Riesenschlangen-Art nach
250 Kilo schwer, 8 Meter lang: Die Grüne Anakonda galt bislang als einzige Spezies ihrer Art. Jetzt hat ein Forschungsteam herausgefunden, dass die Riesenschlange eine enge Verwandte hat.

Zum Verwechseln ähnlich: Selbst Fachleuten ist es beinahe unmöglich, die hier abgebildete neuentdeckte Nördliche Grüne Anakonda von ihrer wohlbekannten Verwandten – der Südlichen Grünen Anakonda – zu unterscheiden.
Auf den ersten Blick ist die neuentdeckte Schlangenart Eunectes akayima nicht von der Grünen Anakonda zu unterscheiden. Laut der Studie des Forschungsteams um Bryan Fry, National Geographic Explorer und Biologe an der University of Queensland, ist die von ihnen „Nördliche Grüne Anakonda“ genannte Schlange aber genetisch tatsächlich eine eigenständige Spezies. Ihr wohl gehütetes Geheimnis konnte nun im Dschungel Südamerikas während der Dreharbeiten zur National Geographic Dokumentationsserie Pole to Pole gelüftet werden.
Auf Schlangen-Expedition
Um die neue Schlangenart zu finden, unternahmen die Forschenden mehrere aufwändige Expeditionen in den Dschungel Ecuadors, Venezuelas sowie Brasiliens. Die mächtigen Raubtiere dort ausfindig zu machen, gestaltete sich für die Wissenschaftler*innen allerdings äußerst schwierig. Denn Anakondas zählen zu den Wasserschlangen und verbringen die meiste Zeit ihres Lebens in Gewässern, wo sie sich deutlich graziler und schneller fortbewegen können als an Land.

Die dunkelgrünen Kreise markieren die Orte der Blut- und Gewebeentnahmen der bisher bekannten Spezies der Grünen Anakonda. Die hellgrünen Markierungen stellen die DNA-Proben der neuentdeckten Art dar.
Konnte das Team eines der bis zu 250 Kilo schweren Tiere im Dschungel erfolgreich aufgespüren, folgte die riskante Blut- und Gewebeentnahme. Außerdem interessierten sich die Forschenden für den Unterleib der großen Würgeschlangen. Allerdings kann eine solche Inspektion äußerst unangenehm enden. Wenn man Pech hat, übergießt einen eine derart große Schlange mit eineinhalb Litern Exkrementen, lacht Bryan Fry.
Genanalyse offenbart neue Anakonda-Spezies
Zurück im Labor die Überraschung: Die Proben beweisen, dass es eine zweite, eigenständige Art der Grünen Anakonda gibt. Auch wenn sie sich sehr ähnlich sehen – ihre DNA zeigt, wie verschieden die Schlangen sind. „Genetisch unterscheiden sie sich um fünfeinhalb Prozent. Um das nun in Kontext zu setzen: Wir unterscheiden uns um etwa zwei Prozent von Schimpansen“, sagt Fry.
Weiteres Ergebnis: Die neuentdeckte Schlangenart wurde überwiegend im Norden des Untersuchungsgebietes gefunden. Die Forschenden sprechen deshalb von einer räumlichen Trennung zwischen den Spezies und schlagen für die neue Art die Bezeichnung Nördliche Grüne Anakonda (Eunectes akayima) vor. Die bereits bekannte E. murinus könnte zukünftig weiterhin als Südliche Grüne Anakonda bezeichnet werden.
Evolution der Nördlichen und Südlichen Grünen Anakonda
Allerdings gibt es auch eine sogenannte Kontaktzone, in der die Forschenden beide Arten nachweisen konnten. Dort, in Fanzösisch-Guayana, erhoffen sich die Forschenden in Zukunft weitere Hinweise auf die Evolution der Spezies.

Die grafische Aufarbeitung zeigt die karierte „Kontaktzone“ der neu entdeckten Nördlichen Grünen Anakonda und der bisher bekannten Südlichen Grünen Anakonda. Außerdem markiert: der Lebensraum der ebenfalls im Untersuchungsgebiet heimischen Gelben Anakonda.
Genetische Hinweise auf eine mögliche Kreuzung gibt es nicht. Den Biologen Fry interessieren deshalb vor allem die Genitalien beider Spezies. Entwickelten sich diese unterschiedlich und verhinderten im Laufe der Evolution eine Paarung, könnte das die Trennung der Nördlichen und der Südlichen Grünen Anakonda erklären.
Dass es nun zwei Grüne Anakondas gibt, hat auch erheblichen Einfluss auf den Schutzstatus der Riesenschlangen. Denn bislang wird die Spezies in der Roten Liste der Weltnaturschutzunion IUCN als eine der am wenigsten gefährdeten Arten klassifiziert – ein Trugschluss, sagt Mitautor Fry. „Die neu beschriebene Nördliche Grüne Anakonda hat ein viel kleineres Verbreitungsgebiet als die Südliche, und das bedeutet, dass sie viel gefährdeter ist.“
