Rätsel um extremes Fischsterben in Niedersachsen gelöst

Unzählige tote Fische und verunreinigte Flüsse ließen niedersächsische Anglerverbände im Sommer 2023 Alarm schlagen. Ein Bericht zeigt nun den unerwarteten Grund für das Massensterben.

Von Lisa Lamm
Veröffentlicht am 12. Apr. 2024, 09:34 MESZ
Unzählige tote Fische in einem Netz.

Verunreinigte Flüsse in Niedersachsen haben zu einem fast historischen Fischsterben geführt. Die Ursache haben Anglerverbände nun im Rahmen eines Berichts erforscht. Sie bemängeln die fehlende behördliche Unterstützung.

Foto von Ralf Gerken, AVN

Tote Fische soweit das Auge reicht: Im August 2023 erlebte der Fluss Bade im Landkreis Rotenburg (Wümme) sowie einige andere Flüsse in Niedersachsen ein Fischsterben von fast historischem Ausmaß. Anglerverbände in der Region maßen damals extrem niedrige Sauerstoffgehalte in den Flüssen – in der Aue-Mehde bei Wehldorf waren es sogar null Milligramm Sauerstoff pro Liter Flusswasser und auch in der Bade lag der der Sauerstoffgehalt fast bei null. Ein tödlicher Wert für Fische. Ideal wäre ein Wert von über 8,0 Milligramm pro Liter.

Ursachenforschung blieb damals laut dem Anglerverband Niedersachsen (AVN) aus – bis seine Mitglieder dem Fischsterben nun selbst auf den Grund gingen. Unter der Aufsicht von Ralf Gerken, Fließgewässerexperte beim AVN, entstand ein Bericht des Vereins, der zeigt: Sommerliche Starkregeneregnisse im Juli und August 2023 waren Schuld an der niedrigen Sauerstoffsättigung der Flüsse. „Dadurch sind die Fische, und zwar etliche Tonnen, jämmerlich erstickt“, sagt der Biologe Florian Möllers vom AVN. 

Verunreinigte Flüsse und unklare Zuständigkeiten

Laut Bericht überschwemmte der Starkregen zahlreiche Flächen, die an die Flüsse angrenzen. In dem stehenden Wasser zersetzten sich anschließend Pflanzen – ein Prozess, der dem Wasser Sauerstoff entzieht. Dieses organisch stark belastete Wasser vermischte sich mit dem Flusswasser und führte dort zu den tödlichen Sauerstoffgehalten von unter einem Milligramm Sauerstoff pro Liter.

Neben dem niedrigen Sauerstoffgehalt zeigte sich die Verunreinigung der Flüsse vor allem im Aussehen: braune Verfärbungen, übler Geruch und große Schaumberge auf der Wasseroberfläche lassen die Situation der Lebewesen im Wasser darunter schon erahnen.

Foto von Ralf Gerken, AVN

Nach Angaben des AVN waren im Jahr 2023 über 100 Kilometer Gewässer von diesem Vorgang und dem daraus resultierenden Fischsterben betroffen. Allein in der Hamme seien über eine Tonne tote Fische gefunden worden. „Die Dunkelziffer dürfte aber um ein Vielfaches höher sein“, sagt Möllers. In der Bade sah es laut ihm besonders schlimm aus: Fast alle der dort lebenden Fischarten sowie Fischnährtiere wie Kleinkrebse sind dort gestorben. 

Wenig Lobby für das Leben unter Wasser

Dass die Anglerverbände nun selbst Ursachenforschung betreiben mussten, kritisieren sie: Von behördlicher Seite habe sich niemand in Niedersachsen zuständig gefühlt, wichtige Untersuchungen der Wassergesundheit und -ökologie seien ausgeblieben. „Damit zukünftig weitere massive Schäden für unsere Gewässer verhindert oder zumindest minimiert werden, sind lokale, regionale und landesweite Konzepte gefragt, die zusammen von allen relevanten Akteuren aus Landwirtschaft, Wasserwirtschaft, Behörden und Angelverbänden erarbeitet werden sollten“, heißt es im Bericht.

Möllers beklagt die fehlende Unterstützung beim Schutz der Tiere, die in heimischen Flüssen und Gewässern wohnen. „Fische haben eine wahnsinnig schlechte Lobby – selbst in Naturschutzkreisen.“ Dabei sei genau diese Arbeit wichtiger denn je. „Unsere heimischen Süßwasserfische sind nach Reptilien und Amphibien die bedrohteste Wirbeltiergruppe mit über 45% gefährdeten Arten in Niedersachsen“, so der Biologe.

BELIEBT

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    Auswirkungen auf die Fischbestände

    Insgesamt gelten mittlerweile zwei Drittel der in Niedersachsen heimischen Fischarten als ausgestorben oder gefährdet. Ursache ist der in ganz Deutschland zu beobachtende schlechte Zustand der Süßwassergewässer: Neben dem Starkregen, der die Gewässer verunreinigt, sind auch die Begradigung und Vertiefung von Flüssen oder Industrieabfälle, die in die Gewässer geleitet werden, Schuld an der Misere. Auch besonders trockene Sommer machen den Flüssen zu schaffen. 

    Gegenmaßnahmen werden schon lange gefordert: Ein reduzierter Eingriff in die natürlichen Flussläufe, die Begrenzung der Industrieabfälle, die in die Gewässer abgeleitet werden dürfen, und der Kampf gegen die Folgen des Klimawandels stehen dabei ganz oben auf der Liste. 

     

     

     

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