Feuersalamander in Deutschland: Wie eine Krankheit die beliebte Amphibienart bedroht

Ein invasiver Pilz aus Asien tötet hierzulande immer mehr Tiere. Besonders häufig sterben Feuersalamander an der qualvollen Krankheit. Wie sie sich verbreitet – und was jeder von uns dagegen tun kann.

Von Marina Weishaupt
Veröffentlicht am 10. Juli 2024, 09:27 MESZ
Ein mit Gummihandschuhen geschützter Forscher nimmt einen Abstrich an möglicherweise infizierten Feuersalamander vor.

Um Bsal aufzuspüren und zu dokumentieren, werden pro Tier zwei oder drei Proben mithilfe von Wattetupfern genommen. Mit diesen streichen die Forschenden über den Bauch, die Gliedmaßen und die Kloake. Ob das Tier von Bsal befallen ist oder gesund, wird dann im Labor mittels eines QPCR-Nachweises ausgewertet.

Foto von Niklas Banowski

Ein kleiner Bachlauf plätschert durch einen Buchenwald, die Erde und das alte Laub entlang der Ufer sind kühl und feucht. Steine und Totholz bieten ausreichend Versteckmöglichkeiten. Kurzum: Hier fühlen sich die Feuersalamander (Salamandra salamandra) besonders wohl. Wenn Niklas Banowski durch diese Lebensräume streift, dann sehr bedacht. Denn der Biologe und Naturfotograf weiß: Überall könnte Bsal, umgangssprachlich auch Feuersalamanderfresser oder -pest, lauern – und durch unbedachtes Verhalten weiter verbreitet werden. Der heimtückische und aggressive Pilz rafft teils große Teile ihrer Feuersalamander-Populationen dahin. Zuletzt wurden die Lurche deshalb auf die Vorwarnliste der Roten Liste heraufgestuft.

Seit 5 Jahren beschäftigt sich Banowski intensiv mit Batrachochytrium salamandrivorans, kurz Bsal, – zunächst im Rahmen seiner Masterarbeit. Seine dafür gewonnenen Forschungsergebnisse konnte er zuletzt einem Paper über die aktuelle Lage in Deutschland beisteuern. Mittlerweile unterstützt der 30-Jährige deutschlandweit verschiedene Universitäten ehrenamtlich beim Monitoring und betreibt sowohl mit seiner Fotografie als auch mit Fachvorträgen engagierte Aufklärungsarbeit über Bsal. „Die Tiere sehen teilweise wirklich schlimm aus und tun mir einfach unfassbar leid“, sagt Banowski. Die Aufnahmen der von Bsal zerfressenen Tiere, die er in den letzten Jahren gesammelt hat, sind teils nur schwer zu ertragen. Zeit, dem stillen Leiden der Amphibien mehr Aufmerksamkeit zu schenken – und über Vorkehrungsmaßnahmen aufzuklären.

Rasende Verbreitung: Aus Asien nach Mitteleuropa 

Ursprünglich stammt der verhängnisvolle Pilz aus Ostasien. „Dort wurde dieser bislang nicht beschrieben, weil er dort zu keinen Problemen führt. Ostasiatische Molche und Salamander und Bsal haben zusammen eine Evolution durchlaufen. Dementsprechend lebt der Pilz zwar auf den Tieren, richtet aber keinen nennenswerten Schaden in Populationen an“, sagt Niklas Banowski. Wie und wann genau Bsal schließlich seinen Weg nach Europa fand, ist für Forschende bislang unklar. Laut Banowski ist eine Theorie: Bsal kam mit dem früher sehr beliebten ostasiatischen Feuerbauchmolch (Cynops) nach Europa – wurde also möglicherweise mit dem natürlichen Träger des Pilzes unbewusst von der Terraristik „importiert“ und gelangte schließlich in die Natur.

Galerie: Bsal – Der Feuersalamanderpest auf der Spur

Sicher ist: Seit 2010 werden auffällig viele tote Tiere in den Niederlanden entdeckt. Drei Jahre später wurde der Grund dafür, ein invasiver Pilz, erstmals nachgewiesen und beschrieben. Damals wütete Batrachochytrium salamandrivorans dort so sehr, dass die Population im Waldgebiet Bunderbos, etwa 20 Kilometer westlich von Aachen, mit einer Sterblichkeit von mehr als 95 Prozent zusammenbrach. Nur ein Jahr später wiesen Forschende den Pilz in der Eifel nach.

Rückblickend weiß man, dass es Bsal aber schon früher in Europa gegeben hat. Das belegt ein Massensterben in der deutschen Eifel aus dem Jahr 2004. Laut Banowski wurde der Vorfall allerdings erst Jahre später gemeldet. „Die Person kam auf die Universitäten zu und hatte sogar einige Tiere in Formaldehyd eingelegt – wodurch mikroskopisch belegt werden konnte, dass der Pilz bereits vor 20 Jahren in Europa war“, sagt Banowski. Dementsprechend lange hatte Bsal also Zeit, sich auszubreiten und immer weiter in neue Regionen vorzudringen.

BELIEBT

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    Trauriger Anblick einer tragischen Realität: Im Gebiet der Beneluxländer, Westdeutschland und nun sogar bis in den Süden Bayerns finden Forschende oder Waldbesucher*innen immer öfter tote Feuersalamander vor. 

    Foto von Niklas Banowski

    „Je mehr man danach gesucht hat, desto mehr hat man dann auch gefunden“, sagt Banowski. Schnell stellte man den Pilz auch in Belgien, der gesamten Eifel im Ruhrgebiet fest. 2020 sprang der Pilz dann relativ weit – aus den bisherigen Verbreitungsgebieten bis nach Nord- und Südbayern. „Das war außergewöhnlich, weil die Ausbreitung stets eher regional vonstatten ging“, sagt Banowski. Das dazwischenliegende Baden-Württemberg gilt zwar bisher als unbetroffen, jedoch sind seit 2024 Fälle aus Hessen an der Grenze zu Nordrhein-Westfalen bekannt.

    Lebendig gefressen: Der qualvolle Todeskampf der Feuersalamander

    Bsal verbreitet sich nicht nur rasant, sondern ist auch höchst ansteckend. Äußerlich lässt sich eine bereits weit fortgeschrittene Infektion anhand offensichtlicher Anzeichen selbst von Laien feststellen. „Teilweise haben diese Tiere Verhaltensauffälligkeiten. Wenn ich einen apathischen Feuersalamander tagsüber bei Hitze mitten in der Sonne herumtorkeln sehe, dann stimmt etwas nicht mit ihm“, sagt Banowski.

    Beim genaueren Hinsehen kann man in der Haut der Tiere kraterförmige Läsionen erkennen. Je schlimmer das Tier befallen ist, desto großflächiger breiten sich diese aus. Der Pilz zerfrisst mit der Haut ein lebenswichtiges Organ, mit dem die Salamander ihren Feuchtigkeitshaushalt regulieren und über das sie Sauerstoff aufnehmen. Die defekte Schutzbarriere schädigt das Immunsystem und ebnet den Weg für andere Infektionskrankheiten. Die Überlebenschancen der Salamander sind damit gleich null, eine etwaige Bildung von Resistenzen ist bisher nicht bekannt. Letztendlich versterben sie qualvoll: „Der erste, den ich gefunden habe, war total apathisch. Er hat sich nicht bewegt, war total vom Pilz zerfressen und hat sehr stark geblutet“, sagt Banowski.

    Links: Oben:

    Ein an Bsal verstorbener Feuersalamander.

    Rechts: Unten:

    Deutlich zu erkennen: Der Pilz hat große Teile der obersten Hautschicht befallen und förmlich „weggefressen“.

    bilder von Niklas Banowski

    Weshalb die Krankheit unter allen heimischen Lurchen vor allem für Feuersalamander derart verhängnisvoll ist, ist für Forschende bislang ungewiss. Denn das Immunsystem von Amphibien ist wenig erforscht. „Vielleicht hängt das mit der Größe der Tiere zusammen oder mit der Tatsache, dass Molche im Gegensatz zu Feuersalamandern eine bestimmte Zeit des Jahres im Wasser verbringen“, sagt Banowski.

    Deutschland: Salamander-Hochburg und Bsal-Hotspot

    Während Molche also weniger empfindlich auf Bsal reagieren, führt eine unbehandelte Infektion bei Feuersalamandern mit ziemlicher Sicherheit zum Tod. Hauptschauplatz des tödlichen Treibens ist Deutschland: „88 Prozent der Bsal-Nachweise kommen tatsächlich von hier. Wir sind leider der traurige Hotspot von diesem Pilz“, sagt Banowski.

    Die hohen Zahlen liegen zweifelsohne auch an der Tatsache, dass Deutschland sehr große Vorkommen des Feuersalamanders aufweist. Er gilt hierzulande deshalb als sogenannte Verantwortungsart. Heißt: Die Bundesrepublik verpflichtet sich – zumindest in der Theorie – in besonderer Weise für seinen Schutz und die Sicherung seiner Bestände. Diesem im Bundesprogramm Biologische Vielfalt festgehaltenen Engagement steht nun seit geraumer Zeit die Verbreitung und Evolution von Bsal gegenüber.

    Während die Forschung bereits ihr Bestes gibt, mehr über ihn zu erfahren, weiß der Pilz sich unterdessen an (klimabedingte) Veränderungen anzupassen. „Ursprünglich lag die Optimum-Temperatur zwischen 10 und 15 Grad Celsius. Allerdings hat der Pilz relativ schnell Resistenzen gebildet. Mittlerweile gibt es auch Stämme, die mit Temperaturen von deutlich über 20 Grad sehr gut zurechtkommen“, sagt Banowski. Laut dem Biologen war das früher anders. Der erstmals beschriebene Ursprungsstamm starb bei 20 bis 25 Grad. Nun komme es zu ganzjährigen Ansteckungen.

    Andere Amphibienarten, wie Berg- oder Fadenmolche, die sich nicht mit Bsal anstecken, können dem Pilz dennoch als Reservoir dienen. Treffen sie auf Feuersalamander – wie hier, in einer Pfütze – kann es zu einer Übertragung kommen.



     

    Foto von Niklas Banowski

    Wie sich Bsal genau verbreitet, lässt sich schlecht nachweisen. „Wir wissen beispielsweise aus Laboruntersuchungen, dass sich der Pilz an den Füßen von Wasservögeln hält. Ob das in der freien Natur eine Rolle spielt, ist fraglich“, sagt Niklas Banowski. Im Wasser würde dem Pilz glücklicherweise relativ schnell der Garaus gemacht werden, denn seine Sporen stehen auf dem Speiseplan von Wasserflöhen (Daphnia spec.). Wenn sich allerdings während der Paarungszeit viele Salamander entlang der Bäche tummeln, könnte es trotzdem auch auf diesem Weg zu einer Übertragung kommen.

    Der größte Teil der Verbreitung findet laut Banowski aber sehr wahrscheinlich durch den direkten Körperkontakt von Tier zu Tier statt. Dazu gehören auch Kämpfe oder das Zusammenfinden vieler Tiere im Winterquartier – was laut dem Biologen vermutlich ein Faktor für das vermehrte Massensterben im Winter ist.

    Geburtstag bei den Feuersalamandern
    Eine Feuersalamandermiutter bringt ihren Nachwuchs wohlbehalten lebend zur Welt. Damit ist ihre Arbeit getan – jetzt sind die Kleinen auf sich gestellt. Szenen aus Europas verborgene Naturwunder.

    Die Frage, welche Folgen das starke Schrumpfen einer ganzen Feuersalamander-Population für das lokale Ökosystem hat, können Biolog*innen nicht gesichert beantworten. Dass der Wegfall von nur einer Art langfristig negative Auswirkungen haben kann, steht aber außer Frage. „Im obersten, fischfreien Teil von Bächen sind Feuersalamanderlarven häufig die größten Räuber und ernähren sich von Insektenlarven. Hier würde also die Spitze der Nahrungskette wegfallen“, sagt Banowski. Abgesehen davon stellt der Verlust einer Art, die sich über Jahrtausende entwickelt hat, für den Biologen schlichtweg ein ethisches Dilemma dar.

    “Man muss sich vor Augen führen: Häufig verschwinden mit einer Art auch ganz viele andere Arten.”

    von Niklas Banowski

    Hoffnungsvoller Lichtblick: Feuersalamanderpest ist behandelbar

    Glücklicherweise besteht trotz der radikalen Krankheitsverläufe und der schnellen Verbreitung durchaus Hoffnung, was die Bekämpfung der Krankheit angeht. „Tatsächlich kann man infizierte Tiere mittels medikamentöser Behandlung in Gefangenschaft heilen“, sagt Banowski. Diesen Erfolg konnte die Forschung der Universität Trier verzeichnen. Eine praktikable Lösung sei dies jedoch lediglich für einzelne, leidende Tiere oder Nachzucht-Projekte – nicht jedoch für eine gesamte befallene Population.

    Hoffnung aus dem Labor: Dies sind die ersten Feuersalamander, die von der Universität Trier mittels Medikamenten geheilt werden konnten.

    Foto von Niklas Banowski

    Niklas Banowski schöpft auch Hoffnung aus der Tatsache, dass die Populationen zwar in den allermeisten Fällen auf eine sehr geringe Zahl an Tieren schrumpfen, die Krankheit bislang dennoch überstehen. Lediglich eine Population in den Niederlanden erlag dem Pilz bisher vollständig.

    Außerdem erfreulich: Der Nachwuchs bleibt – zumindest anfangs – von der Krankheit verschont. Potenziell infizierte Salamander können die Krankheit bei der Ablage der Larven nicht an diese weitergeben. „Der Pilz frisst keratinhaltige Zellen. Die Larven verfügen noch nicht über genug Keratin, um sich anzustecken. Eine gute Nachricht – sofern die Weibchen überhaupt dazu kommen, sich zu vermehren“, sagt Banowski.

    Mithilfe zur Prävention: Regionales Aussterben von Feuersalamandern verhindern

    Während man die Lurche nicht davon abhalten kann, die Krankheit untereinander zu verbreiten, können wir Menschen unser Verhalten sehr wohl anpassen. „Egal in welcher Form, letztendlich muss man davon ausgehen, dass der Mensch eine große Rolle spielt“, sagt Banowski. Eine Verbreitung über mit Pilzsporen kontaminierte Schuhe läge relativ nahe.

    Salamanderpest in Wuppertal: Hinweisschilder mit Hilfsmaßnahmen sollen Spaziergänger*innen für das Problem Bsal sensibilisieren, um die Verbreitung einzudämmen. Für deutsche Wälder mit ihren großflächigen Wegenetzen und zahlreichen Zugängen ein Tropfen auf den heißen Stein.

    Foto von Niklas Banowski

    „Das A und O bei der wissenschaftlichen Feldarbeit ist: Desinfektion. Sobald man Gebiete wechselt, werden die Schuhe gründlich gesäubert. Gummistiefel eignen sich dafür perfekt.“ Niklas Banowski weiß aber auch, dass dieses Vorgehen für „normale“ Waldspaziergänger*innen im Alltag vermutlich nicht so einfach umzusetzen ist. Dass sich der Pilz beispielsweise im Ruhrgebiet so gut verbreiten konnte, liegt laut ihm womöglich daran, dass Menschen ihre Freizeit gerne abwechslungsreich gestalten und in vielen verschiedenen Gegenden unterwegs sind. Banowski rät daher, die Schuhe nach einem Ausflug gut trocknen zu lassen und dann gründlich zu säubern.

    Wer bei Spaziergängen zufällig auf kranke oder bereits verendete Feuersalamander trifft, kann zusätzlich zu den Präventionsmaßnahmen auch aktiv bei der Forschung zu Bsal helfen. Die Website BsalEurope hat sämtliche Kontakte der jeweiligen Länder aufgelistet, an die Sichtungen gemeldet werden können. „Am besten macht man von auffälligen Tieren ein Foto und merkt sich die Koordinaten. Lebende Tiere sollten auf keinen Fall angefasst oder gar eingesammelt werden – letzteres ist sogar illegal“, sagt Niklas Banowski. Bei verstorbenen Tieren, die Anzeichen auf Bsal aufweisen, empfiehlt der Biologe, diese vorsichtig mitzunehmen und einzufrieren. Gefrierbeutel oder Hundekotbeutel würden sich gut dafür eignen. Besteht seitens der Universitäten Interesse an dem Tier, würden diese Anweisungen bezüglich des weiteren Verfahren geben.

    Letztendlich braucht es jedoch mehr Aufklärung, so Banowski. Nur mit dem Wissen um die Gefährdung der schwarz-gelben Lurche können Menschen sich dazu entschließen zu handeln. Als ersten wichtigen Schritt nennt Niklas Banowski Aufklärung durch Hinweisschilder in betroffenen Gebieten, wie es etwa im Bergischen Land und im Ruhrgebiet umgesetzt wird. Betroffene und zuständige Bundesländer könnten sich zudem ein Beispiel an anderen Ländern wie etwa Neuseeland nehmen. Seit 2018 werden Wandernde hier beim Besuch bestimmter Wege durch „cleaning stations“ geleitet. So soll die Verbreitung der Kauri-Wurzelfäule eingedämmt werden, der die größte Baumart des Inselstaates zum Opfer fällt. Zumindest für abgrenzbare und viel besuchte Parks, Wander- oder Waldgebiete könnte sich Banowski die Einrichtung solcher Stationen vorstellen. Gemeinsames Schuhe putzen gegen den Feuersalamanderpilz sozusagen – einen Versuch zugunsten der leidenden Lurche wäre es wert.

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