Rekordjahr für Schweinswale: Die „Kleinen Tümmler“ erobern deutsche Flüsse
Nicht nur im Meer: Schweinswale kann man auch in einigen norddeutschen Flüssen antreffen.
Wer in Schleswig-Holstein an Wedels Elbstränden unterwegs ist oder im niedersächsischen Stadland einen Weserspaziergang macht, kann sie mit ein bisschen Glück im Wasser entdecken: Schweinswale (Phocoena phocoena) sind seit einigen Jahren wieder in deutschen Flüssen unterwegs. Im Jahr 2024 wurden sie so häufig gesichtet wie seit Jahrzehnten nicht mehr.
Schweinswale in Deutschland
Schweinswale sind die einzigen Wale, die in Deutschland heimisch sind. Was viele nicht wissen: Die Säugetiere leben nicht nur ganzjährig in der Nord- und Ostsee, sondern dringen mittlerweile auch wieder in Süßwasser-Flüsse vor. Laut einem Beitrag der Diplom-Biologin Denise Wenger vom Schweinswale e.V., der sich für den Schutz der Meerestiere einsetzt, war das bis vor etwa 100 Jahren noch der Regelfall. Dann wurden die Tiere gejagt und die Industrialisierung begann. Die Wasserqualität der Flüsse nahm rapide ab und die Bedingungen für die Schweinswale verschlechterten sich – so verschwanden sie schließlich aus den Flüssen.
Bis vor knapp 20 Jahren: 2007 kehrten die Tiere zurück – und besuchen seitdem wieder regelmäßig Weser, Elbe und Ems. 2013 berichtete Deutschlandfunk sogar von Schweinswalen, die sich bis in den Hamburger Hafen hinein trauten.
Warum gibt es Schweinswale in Flüssen?
Die Wale befinden sich allerdings nicht dauerhaft in den Flüssen. „Sie halten sich nur im späten Winter beziehungsweise vor allem im Frühjahr in den Flüssen Weser und Elbe auf, wenn sie wandernden (anadromen) Fischarten zu deren Laichgründen folgen“, erklärt Wenger. Sie jagen dort zum Beispiel den Stint.
„Schweinswale sind Säugetiere und können sich auch mehrere Wochen im Brack- oder Süßwasser aufhalten“, sagt Wenger. Allerdings nicht ganz ohne Einbuße: Die Tiere hätten in den Flüssen vermehrt mit Hautkrankheiten zu kämpfen, so die Diplom-Biologin. Diese könnten zum einen mit der Verschmutzung der Gewässer zusammenhängen, zum anderen aber auch mit dem Süßwasser, welches das Wachstum mancher Pilze oder Bakterien begünstige.
Ein Schweinswal mit einer Hautkrankheit in der Weser.
Trotz dieser Hürden konnten die Bundesanstalt für Gewässerkunde (BfG) und die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung (WSV) im April 2024 so viele Wale in den deutschen Flüssen verzeichnen wie seit Jahrzehnten nicht mehr. „Der April 2024 war in Weser und Elbe seit Beginn unserer Messungen ein absolutes Rekordjahr“, sagt Biogeowissenschaftler Dr. Thomas Taupp von der (BfG). „Im Vergleich zu den Vorjahren wurden dort fünf- bis zehnmal häufiger Schweinswale detektiert.“ In der Weser bei Stadland wurden 2024 beispielsweise in 33 Prozent der aufgezeichneten Stunden Schweinswale erfasst, in der Elbe bei Wedel sogar in 44 Prozent der Stunden.
Mithilfe von sogenannten Hydrophonsystemen – einer Art Unterwassermikrofon – untersuchen die Forschenden der BfG und der WSV, wie weit die Tiere in die Flüsse vordringen. Ihre Messungen finden dabei an festen Standorten statt: bei Wedel an der Elbe, bei Stadland an der Weser, an vier Stationen an der Außenems sowie seit Neuestem auch bei Terborg, stromauf des Emssperrwerks. Selbst dort konnten in diesem Jahr erstmals Schweinswale nachgewiesen werden, was zeigt, dass sie durch das Sperrwerk wandern.
Gefährdung durch Fischerei und Schifffahrt
Die aufgezeichneten Daten liefern wertvolle Informationen über den Zustand der Flüsse und deren Fischbestände – und tragen gleichzeitig dazu bei, den Schutz der Schweinswale weiter zu verbessern. Denn trotz der Tatsache, dass die Tiere wieder regelmäßig in den Flüssen zu beobachten sind, sind sie immer noch gefährdet: in den Meeren zum Beispiel durch den zunehmenden Unterwasserlärm, der sie in ihrer Orientierung beeinträchtigt, und die Stellnetze der Fischerei; in den Flüssen durch die Schifffahrt.