Blaublüter und Eisgespenster: Warum Blut nicht nur rot ist
Von wegen But ist immer rot. Bei vielen Tieren ist es blau, grün – oder sogar durchsichtig.

Das grüne Blut der Echse Prasinohaema virens (unten) im Vergleich mit rotem Blut (oben).
Prasinohaema virens ist ein wundersames Wesen. Die kleine Baumechse lebt in Neuguinea – und ist durchweg grün. Sie hat eine grüne Haut, eine grüne Zunge, grünes Gewebe und grüne Knochen. Sogar ihr Blut ist grün. Bislang ist kein anderes Wirbeltier mit grünem Blut bekannt. Fast alle Tiere, die eine Wirbelsäule besitzen, also Reptilien, Amphibien, Fische, Vögel und Säuger, haben rotes Blut.
Warum also grün? Die Färbung resultiert aus einer hohen Konzentration des Gallenfarbstoffs Biliverdin, die für andere Tiere hochgiftig wäre. Biliverdin entsteht beim Abbau des roten Blutfarbstoffs Hämoglobin. Wenn Menschen erhöhte Mengen davon im Blut haben, gilt das als Gelbsucht. Auch die typische grün-gelbliche Färbung von Prellungen rührt daher.
Forschende vermuten, dass Prasinohaema im Laufe der Evolution eine Toleranz gegenüber Biliverdin entwickelt hat. Das verschaffte der Echse wohl einen Überlebensvorteil. Das Biliverdin schützt sie vor Plasmodien. Das sind einzellige Parasiten, die beim Menschen Malaria verursachen. Ursprünglich war wohl auch das Blut der kleinen Echsen aus Neuguinea rot. Doch durch Genmutation bildeten sie schließlich grünes Blut – und damit einen körpereigenen Schutz vor den Parasiten.

Eine Frage der Blutkörperchen
Menschen würden eine derart hohe Konzentration des grünen Gallenpigments im Blut nicht überleben. Das Blut von Homo sapiens besteht stattdessen zur knappen Hälfte aus einer gelblich klaren Flüssigkeit, dem Blutplasma. Der Rest sind feste Bestandteile – die Blutzellen. Dazu gehören zum Beispiel die roten Blutkörperchen (Erythrozyten). Sie versorgen den menschlichen Körper mit Sauerstoff. Erythrozyten enthalten Eisen, das dem Blut ähnlich wie Rost die typische Farbe und den metallischen Geschmack verleiht.
Hämoglobin ist ein überaus effektiver Sauerstoffträger. Deshalb haben alle Säugetiere und fast alle übrigen Wirbeltiere rotes Blut. Es gibt aber auch andere Sauerstofftransporter. Hämerythrine zum Beispiel. Das sind Blutproteine von bestimmten Würmern und sogenannten Armfüßern, die sich violett färben, wenn sie mit Sauerstoff reagieren.
Die mit Abstand artenreichste Tiergruppe nutzt indes einen anderen Blutfarbstoff, nämlich Hämocyanin. Es sind die Gliederfüßer, zu denen etwa Krebse, Muscheln, Spinnen, Tintenfische und unzählige Insekten gehören. Ihr Blut ist blau. Denn anders als beim eisenhaltigen Hämoglobin wird der Sauerstoff im Hämocyanin von Kupfer gebunden. Hämocyanin ist bei sehr niedrigen Temperaturen dem Hämoglobin überlegen.
Pfeilschwanzkrebs: Ein Liter blaues Blut für 15.000 Euro
Besonders spektakulär ist der Pfeilschwanzkrebs. Sein blaues Blut kommt sogar bei Medizintests zum Einsatz. Pfeilschwanzkrebse krochen schon vor 150 Millionen Jahren über den Meeresgrund. Seitdem haben sich die Kreaturen, die eigentlich Spinnentiere sind, kaum verändert. Vier Arten gibt es heute noch – darunter Limulus polyphemus. Er erreicht stattliche 60 Zentimeter und wird bis zu fünf Kilo schwer.
Jedes Jahr werden unzählige Pfeilschwanzkrebse gefangen, um ihnen das Blut abzuzapfen. Es enthält ein spezielles Protein, das die Forschung für Arzneimitteltests nutzt. Ein Liter des blauen Blutes kostet bis zu 15.000 Euro. Etwa ein Drittel davon wird den Tieren mit einer Nadel abgenommen. Danach dürfen sie zurück ins Meer. Eine umstrittene Methode – zumal es immer weniger Pfeilschwanzkrebse gibt und der Bestand inzwischen gefährdet ist.

Pfeilschwanzkrebse sind nicht nur in der Medizin gefragt. In einigen Ländern landen sie als Delikatesse auf dem Teller.
Eisfische: Überlebenskünstler mit weißem Blut
Rot, grün, blau: Die Farbpalette des Blutes ist groß. Und es gibt sogar Tiere, deren Blut farblos ist. Eisfische leben unter dem Meereis der Antarktis, weitgehend isoliert vom Rest der marinen Welt. Um dieser extremen Umgebung zu trotzen, haben sie erstaunliche Eigenschaften entwickelt. Sie überstehen Wassertemperaturen unterhalb des Gefrierpunktes.
Eisfische sind außerdem die einzigen Wirbeltiere mit durchsichtigem Blut. Der Clou: Sie binden den Atemsauerstoff nicht chemisch in den roten Blutkörperchen, sondern physikalisch im Blutplasma. Das funktioniert nur, weil sich im eiskalten Wasser besonders viel Sauerstoff lösen kann. Außerdem haben Eisfische ein viel höheres Blutvolumen als andere Fische und atmen zusätzlich durch die Haut.

Eisfisch am Meeresgrund der Antarktis
All das macht die 50 Zentimeter langen Fische mit dem hechtähnlichen Kopf und dem durchscheinenden Gespensterkörper zu Überlebenskünstlern. Vor 10,7 Millionen Jahren spalteten sich die kälteresistenten Tiere von anderen Fischgattungen ab.
Erst vor gut zwei Jahren stieß ein Forschungsteam auf ein riesiges Brutgebiet von Eisfischen im antarktischen Weddellmeer. Sage und schreibe 60 Millionen Nester der Art Neopagetopsis ionah konnten die Forschenden dort aufspüren. Es war die größte jemals beschriebene Fischkolonie.
