Pflanzen absorbieren unser CO2 – aber wie lange noch?
Seit der Industrialisierung nehmen Pflanzen weltweit mehr Kohlendioxid auf. Forscher fürchten, dass sie ihr Limit bald erreichen werden.

All die Kräuter, Rankpflanzen und Bäume, die uns umgeben, spielen eine ausschlaggebende Rolle bei der Absorption von überschüssigem CO2 aus der Atmosphäre.
Aber irgendwann, so erklärt eine aktuelle Studie, werden die Pflanzen gesättigt sein – und dann wird auch ihr Einfluss auf den CO2-Gehalt in unserer Luft abnehmen. Wann genau es so weit sein wird, ist eine Frage, die Wissenschaftler nun fieberhaft zu beantworten versuchen.
Seit dem Beginn der industriellen Revolution im 20. Jahrhundert ist die Konzentration des Kohlendioxids in der Atmosphäre durch menschliche Aktivitäten rasant angestiegen. Auf Basis von Computermodellen schlussfolgerten die Studienautoren, dass auch die Photosynthese der Pflanzen um 30 Prozent zugenommen hat.
„Das ist quasi der Silberstreif am sonst eher dunklen Horizont“, sagt Lucas Cernusak, einer die Studienautoren und Ökophysiologe von der australischen James Cook University.
Die Studie wurde im Fachmagazin „Trends in Plant Science“ veröffentlicht.
Cernusak und seine Kollegen nutzten Daten aus einer 2017er Studie, die in „Nature“ erschienen war und unter anderem den Carbonylsulfid-Gehalt in Eisbohrkernen und Luftproben gemessen hatte. Neben Kohlendioxid nehmen Pflanzen auch Carbonylsulfid aus der Luft auf. Dessen Konzentration dient oft als Richtwert, um die Photosynthese im globalen Maßstab zu messen.
„Pflanzen an Land entziehen der Luft ungefähr 29 Prozent der Emissionen, die ansonsten zum Anstieg der CO2-Konzentration beitragen würden. Unsere Modellanalyse zeigt, dass die Rolle der Photosynthese für diese terrestrische Kohlenstoffsenke größer ist, als es die meisten anderen Modelle vermuten lassen“, erklärt Cernusak.
Mit der „Kohlenstoffsenke“ meint er das dauerhafte CO2-Reservoir, das die Pflanzen darstellen, da sie insgesamt mehr Kohlendioxid aus der Luft absorbieren, als sie durch ihre natürlichen Prozesse wieder abgeben.
Manche Wissenschaftler sind aber nicht so überzeugt davon, dass Carbonylsulfid einen guten Indikator für die Messung von Photosynthese darstellt.
Die Biologin Kerry Sendall von der Georgia Southern University erforscht, wie Pflanzen in verschiedenen Klimaszenarien wachsen würden.
Da die Carbonylsulfid-Absorption der Pflanzen je nach Lichtsituation variieren kann, können die Schätzwerte der Studie Sendall zufolge überschätzt worden sein. Allerdings verweist sie auch darauf, dass die meisten Messmethoden für die globale Photosynthese mit einer gewissen Unsicherheit einhergehen.
Mehr Grün, mehr Blätter
Unabhängig davon, in welchem Umfang die Photosynthese zugenommen hat, sind sich die Forscher darüber einig, dass überschüssiges CO2 für Pflanzen wie Dünger wirkt und ihr Wachstum anregt.
„Es gibt Belege dafür, dass Bäume mehr Blätter und mehr Holz haben“, sagt Cernusak. „Und im Holz wird eigentlich der Großteil des Kohlendioxids absorbiert.“
Wissenschaftler des Oak Ride National Laboratory konnten beobachten, dass die Poren auf Blättern größer werden, wenn die Pflanzen einer höheren CO2-Konzentration ausgesetzt werden.
Im Rahmen ihrer eigenen Experimente setzte Sendall die Pflanzen dem Doppelten ihrer gewohnten CO2-Konzentration aus.
Unter diesen Bedingungen „sieht der Aufbau ihres Blattgewebes ein bisschen anders aus“, sagt sie. „Es wird zäher und ist für Pflanzenfresser schwerer zu fressen, aber auch Larven haben es schwerer, davon zu leben.“
Sättigungsgrad
Der CO2-Gehalt in der Atmosphäre steigt nach wie vor an und es wird angenommen, dass die Pflanzen dem nicht auf ewig gewachsen sein werden.
„Die Reaktion der terrestrischen Kohlenstoffsenke auf den steigenden CO2-Gehalt ist der größte Unsicherheitsfaktor in heutigen globalen CO2-Modellen und damit auch in Projektionen zum Klimawandel“, erklärt das Oak Ridge National Laboratory auf seiner Website.
Die Rodung zugunsten von Landwirtschaft und Viehzucht sowie Emissionen aus fossilen Brennstoffen sind die größten Einflussfaktoren für den Kohlenstoffkreislauf. Wenn beide Faktoren nicht zurückgefahren werden, sei es den Wissenschaftlern zufolge unvermeidlich, dass wir einen Kipppunkt erreichen werden.
„Dann wird mehr CO2, das wir ausstoßen, in der Luft verbleiben, die CO2-Konzentration wird rapide ansteigen und der Klimawandel wird schneller voranschreiten“, sagt Danielle Way, eine Ökophysiologin von der Western University.
Was können wir tun?
Wissenschaftler der University of Illinois und dem US-Landwirtschaftsministerium haben mit Möglichkeiten experimentiert, Pflanzen genetisch so zu verändern, dass sie noch mehr CO2 aufnehmen können. Ein Enzym namens RuBisCO steuert die CO2-Aufnahme für die Photosynthese. Dieses Enzym wollen die Forscher effizienter machen.
Aktuelle Tests mit genetisch veränderten Nutzpflanzen haben gezeigt, dass RuBisCO den Ertrag um etwa 40 Prozent steigern kann. Bis das modifizierte Pflanzenenzym aber gewerbsmäßig eingesetzt werden kann, könnte mehr als ein Jahrzehnt vergehen. Bislang wurden zudem nur Tests an gewöhnlichen Kulturpflanzen wie Tabak vorgenommen. Unklar ist, wie RuBisCO sich auf Bäume auswirken würde, die den größten Anteil an der CO2-Absorption haben.
Im September 2018 trafen sich Umweltschutzgruppen in San Francisco, um eine Plan zur Rettung der Wälder zu entwickeln – ein Asset, das sie als die „vergessene Klimalösung“ bezeichnen.
„Ich denke, die politischen Entscheidungsträger sollten auf unsere Erkenntnisse reagieren, indem sie anerkennen, dass die terrestrische Biosphäre aktuell als effektive Kohlenstoffsenke fungiert“, so Cernusak. „Setzt sofortige Maßnahmen zum Schutz der Wälder um, damit sie weiterhin so funktionieren können, und macht euch umgehend daran, unserer Energieerzeugung auf weniger CO2-lastige Methoden umzustellen.“
Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.
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