Erhöhter Wasserverbrauch: Die Pflanzenwelt wird durch Klimawandel durstiger

Der Anstieg von CO2 in der Atmosphäre und die Erderwärmung lassen Pflanzen größer werden und geben ihnen mehr Zeit, dem Boden Wasser zu entziehen. Ein Phänomen, dass die Wasserversorgung der Menschen vor neue Herausforderungen stellt.

Von Stephen Leahy
Veröffentlicht am 5. Nov. 2019, 16:45 MEZ
Die Auswirkungen von erhöhtem CO2-Niveau und steigenden Temperaturen sorgt für einen erhöhten Wasserbedarf der Vegetation. Das ...
Die Auswirkungen von erhöhtem CO2-Niveau und steigenden Temperaturen sorgt für einen erhöhten Wasserbedarf der Vegetation. Das lässt den Wasserspiegel in Bächen und Flüssen, wie dem hier gezeigten Ashepoo River in South Carolina, sinken.
Foto von Vincent J. Musi, Nat Geo Image Collection

Zum Ende dieses Jahrhunderts könnten Pflanzen erheblich mehr Wasser benötigen, was weniger Ressourcen für die Menschen in Nordamerika, Europa und Zentralasien übrig lässt – selbst wenn es mehr regnet und schneit. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die am kürzlich im Wissenschaftsmagazin „Nature Geoscience“ veröffentlicht wurde.

Pflanzen sind die Hauptregulatoren des Wasserkreislaufs und verantwortlich für 60 Prozent des Übergangs von Wasser aus dem Boden in die Atmosphäre. Neueste Forschungen zeigen nun, dass der Klimawandel diesen lebensnotwendigen Kreislauf auf verschiedene Weisen beeinflusst.

„Pflanzen wirken für die Atmosphäre wie ein Strohhalm und bestimmen, wie Wasser aus dem Boden in die Luft gelangt“, sagt Klimageograf Justin Mankin vom Dartmouth College, leitender Autor der Studie.

Ohne eine massive Senkung der Kohlendioxidemissionen in den kommenden Jahrzehnten wird die Durchnittstemperatur zwischen vier und sechs Grad Celsius ansteigen. Der atmosphärische Gehalt von CO2 wird sich bis zum Ende des Jahrhunderts verdoppeln. Diese wärmeren, CO2-reicheren Umweltbedingungen wirken so, als würde man in einem Gewächshaus die Heizung aufdrehen und zusätzlich CO2 hineinpumpen. Geht man davon aus, dass keine anderen begrenzenden Faktoren wie z.B. Nährstoffmangel vorliegen, führt das zu einer wahren Wachstumsexplosion der Vegetation. Das wiederum senkt jedoch die Wassermenge, auf die Menschen Zugriff haben, erklärt Mankin in einem Interview.

Der Klimawandel wirkt sich in drei Arten auf das Pflanzenwachstum aus. Erstens benötigen Pflanzen bei steigender CO2-Konzentration weniger Wasser für die Photosynthese. Dieser gut dokumentierte Effekt wurde lange so interpretiert, dass durch ihn mehr Süßwasser im Boden und Flüssen zur Verfügung steht. Er wird aber durch eine zweite Auswirkung ausgehebelt: Die Erderwärmung führt zu längeren und wärmeren Wachstumsperioden, was Pflanzen mehr Zeit zum Wachsen und zur Wasseraufnahme gibt. Dieser Vorgang trocknet den Boden quasi aus.

Diese farbenprächtige Darstellung zeigt, wie das erderwärmende CO2 sich durch die Atmosphäre bewegt

Ursachen und Auswirkungen des Klimawandels

Wissenschaftler legen nun eine dritte Auswirkung dar: Wenn das CO2-Niveau steigt, regt das die Photosynthese an. Pflanzen in diesem wärmeren, CO2-reichen Lebensraum werden größer und bilden mehr Blätter aus. Das bedeutet, dass bei Regen mehr nasse Blätter eine größere Verdunstungsoberfläche bieten. Computermodelle zeigen, dass diese größere Verdunstungsoberfläche der Blätter immense Auswirkungen auf den Abfluss des Wassers und den Feuchtigkeitsgehalt im Boden hat, meint Mankin.

Mankins Team nutzte 16 verschiedene Klimamodelle und nutzte dabei historische Daten für eine ganze Reihe von Variablen wie unter anderem Niederschlag, Verdunstung über Blätter und Boden, Blattflächenindex und Bodenfeuchtigkeit, um vergangene Umweltbedingungen zu rekonstruieren. Zukünftige Klimavariablen wie die Oberflächentemperatur und das CO2-Niveau wurden hinzugefügt, um Erkenntnisse über ihre Auswirkungen auf den globalen Wasserkreislauf zu ermitteln.

In einer wärmeren, CO2-reicheren Welt nehmen die Pflanzen zwar überall mehr Wasser auf, doch in nördlichen und tropischen Regionen sollte der Niederschlag ausreichen, um das zusätzliche Pflanzenwachstum mitzuversorgen, sagt Mankin.

Unterm Strich kommt die Studie zu folgendem Schluss: Die kombinierten Auswirkungen von erhöhtem CO2-Gehalt und wärmeren Temperaturen führt zu mehr Wasserverbrauch bei Pflanzen. Das lässt den Wasserstand von Bächen und Flüssen in den mittleren Breitengraden zurückgehen, was unter anderem Nordamerika, Europa und Zentralasien betrifft.

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    Es steht schlecht ums Wasser

    Schon lange werden Diskussionen darüber geführt, ob die Auswirkungen von mehr CO2 auf Pflanzen in mehr Wasserverfügbarkeit an Land resultieren, erklärt Peter Gleick, ein renommierter Wasserexperte und ehemaliger Vorsitzender des Pacific Institutes, das sich mit Problemlösungsstrategien in Sachen Wasser weltweit befasst.

    „Durch die genaueren Modelle des generellen Zuwachses an Biomasse und den Einbezug der Blattoberflächen“, gelangt die Studie „zu einer soliden und gegenteiligen Erkenntnis, nach der es schlecht um unser Wasser steht: Der Anstieg des CO2-Niveaus und die damit verbundenen Veränderungen des Klimas werden die Wasserverfügbarkeit verschlechtern, nicht verbessern“, sagt Gleick, der nicht an diesem Forschungsprojekt beteiligt war.

    Frühere Klimaforschung ging bereits von einer 80-prozentigen Wahrscheinlichkeit aus, dass der Südwesten der USA und ein Großteil der Great Plains bis 2100 von einer 35 Jahre andauernden „Megadürre“ betroffen sein werden, wenn die CO2-Emissionen auf dem aktuellen Stand bleiben. Moderate Senkungen der Emissionen verringern das Risiko nur auf 60 Prozent. Und dieses Modell einer Megadürre bezieht nicht einmal die neuen Erkenntnisse mit ein, wie die Veränderungen in der Vegetation das noch verschlimmern könnten, meint Gleick.

    Die Atmosphäre ist bereits reicher an CO2 und das Klima ist wärmer. Es gibt Belege durch Satellitenaufnahmen, die schon jetzt ein erhebliches Wachstum der Vegetation während der vergangenen 40 Jahre dokumentieren, sagt Mankin. Die Wachstumsperioden sind zwar länger geworden, doch es ist schwierig, das vermehrte Grün auf der Erde allein dem Klimawandel zuzuschreiben. Grund dafür ist der massive Eingriff des Menschen in die Landschaft während der letzten 100 Jahre.

    Die CO2-Konzentration steigt und steigt

    Für mindestens 800.000 Jahre lag die Konzentration von CO2 in der Atmosphäre bei 180 bis 290 parts per million (ppm) oder Anteilen pro Million. Während der letzten 10.000 Jahre blieb sie konstant bei 280ppm, bis die Industrielle Revolution den Gebrauch von Kohle zur Energiegewinnung im großen Maßstab aufbrachte.

    Aktuelle Messungen zeigen, dass das CO2-Niveau im September 2019 bei 412 ppm lagen, 47 Prozent höher als vor dem industriellen Zeitalter. Zuletzt lag die CO2-Konzentration vor 16 bis 25 Millionen Jahren bei über 400 ppm und zu dieser Zeit sahen der Planet und sein Klima noch ganz anders aus.

    Das CO2-Niveau steigt im Moment um 2ppm pro Jahr. Bei weiterer Nutzung von Kohle, Gas und Öl könnte sich das bis zum Jahr 2100 auf 560ppm verdoppeln. Unter diesen Bedingungen zeigen die Modelle, dass mehr Dürren auftreten, die länger andauern und die mittleren Breitengrade härter treffen werden – selbst bei normalen Niederschlagsmengen. 

    Wasserknappheit ist bereits ein gravierendes Problem unter dem laut einer Studie von 2016 schon heute 4 Milliarden Menschen mindestens einen Monat pro Jahr leiden. Sinkt die Verfügbarkeit noch weiter, steht es in der Tat schlecht ums Wasser. Das betrifft auch reiche Länder wie die USA, sagt er, wo schon jetzt Menschen von Detroit bis in den Südwesten mit Wasserknappheit zu kämpfen haben.

    Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.

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