Peru: Alte Ruinen helfen beim Kampf gegen Wassermangel

Die Aufarbeitung eines 1.400 Jahre alten, genialen Kanalsystems in den Anden über Lima könnte in der Trockenzeit für mehr Wasser sorgen.

Von Erica Gies
Veröffentlicht am 15. Juli 2019, 15:21 MESZ
Die Gemeinde Huamantanga liegt inmitten der Anden, wo sich auch einige der amunas befinden – uralte ...
Die Gemeinde Huamantanga liegt inmitten der Anden, wo sich auch einige der amunas befinden – uralte Kanalsysteme für das Wassermanagement. Die Landeshauptstadt Lima liegt weiter stromabwärts.
Foto von Junior Gil-Ríos, CONDESAN

Die Küstenwüste Perus zeichnet sich durch eine lange Trockenzeit aus. Vergangene Kulturen wie die Inka, Nazca und Chavín haben jedoch eine kluge Möglichkeit gefunden, um den wertvollen Niederschlag in der Regenzeit bestmöglich zu nutzen. In dem Andendorf Huamantanga, das ein paar Autostunden von der Hauptstadt Lima entfernt liegt, nutzen die Menschen noch immer eine 1.400 Jahre alte Technik, um den Regen in schmalen Steinkanälen namens amunas aufzufangen. Sie leiten das Wasser in sandige und felsige Bereiche, wo es im Boden versickert.

Da sich das Wasser unterirdisch langsamer fortbewegt als an der Oberfläche, sprudelt das aufgefangene Regenwasser erst einige Zeit später aus unterirdischen Quellen hervor. Damit verlängert sich die Verfügbarkeit des Wassers bis in die Trockenzeit hinein.

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Zum ersten Mal haben Forscher nun mit Messungen und Modellen ergründet, wie die Wiederherstellung und Nutzung zusätzlicher amunas – die in verschiedenen Bereichen des Hochlands der Anden noch existieren – der zweitgrößten Wüstenstadt der Welt, Lima, helfen könnten. Mithilfe von Talsperren und Wasserreservoirs versorgt Lima seine fast 10 Millionen Einwohner während der Trockenzeit mit Wasser, aber diese Maßnahmen reichen nicht aus: Im Schnitt fehlen der Stadt pro Trockenzeit 43 Millionen Kubikmeter Wasser. Der jährliche Gesamtbedarf der Stadt beläuft sich auf 848 Millionen Kubikmeter.

Wenn 34,7 Prozent des Wassers, den der Fluss Rimac während der Regenzeit führt, in die amunas umgeleitet würden, könnten während der Trockenzeit 99 Millionen Kubikmeter zusätzliches Wasser zur Verfügung stehen. Das ist mehr als doppelt so viel, wie benötigt wird, berichten die Autoren einer Studie, die im Fachmagazin „Nature Sustainability“ veröffentlicht wurde.

Mit Färbeversuchen und Messungen zeigten die Forscher, dass die alten Kanäle das Wasser tatsächlich in den Untergrund beförderten. Dort bahnte es sich seinen Weg den Berg hinab und trat an Quellen schließlich wieder hervor. Wie viel Zeit dabei verging, war eine der wichtigsten Erkenntnisse der Studie: Bis zu seinem Wiederauftauchen vergingen zwischen zwei Wochen und acht Monate, wobei die durchschnittliche Zeit im Untergrund 45 Tage betrug.

Würde man die Nutzung der amunas intensivieren, könnte man die Wassermenge des Rimac zu Beginn der Trockenzeit um rund 33 Prozent steigern. Dadurch müssten die Wassermanager erst viel später auf die Vorräte in den Reservoirs zurückgreifen.

Amunas: Kanalsystem mit Trefferquote

Die Kanäle oder amunas leiten das Wasser während der Regenzeit in sandige und felsige Bereiche. Dort versickert es und wird im Boden gespeichert. Nur langsam wandert es den Berghang hinab und steht am Ende während der Trockenzeit wieder zur Verfügung.
Photography by Musuq Briceño, CONDESAN

Die Einheimischen halfen den Forschern dabei, bestimmte Kanäle den entsprechenden Quellen zuzuordnen. Die Färbetests bewiesen, dass die Prognosen „sehr akkurat“ waren, sagt Boris Ochoa-Tocachi. Der Hauptautor der Studie ist ein Bautechniker des Imperial College landeten. „Das hat uns überrascht.“ Es zeigte, wie wichtig es ist, „das indigene Wissen zu retten und neu zu bewerten, damit es unsere moderne Wissenschaft ergänzen und Lösungen für aktuelle Probleme aufzeigen kann“, wie er sagt.

Die Restaurierung zusätzlicher amunas in den Bergen über Lima wäre in Zukunft wohl umso wertvoller, wenn natürliche Wasserspeicher wie Gletscher und Schneedecken durch den Klimawandel verschwinden, sagte Graham Fogg. Der Hydrogeologe der University of California in Davis war an der Studie nicht beteiligt.

Fogg zufolge könnten die potenziellen Vorteile sogar noch größer sein, als es die Forscher errechnet haben. Die Grundwassersysteme sind im Vergleich zu den meisten Oberflächensystemen wie Flüssen und Bächen „ziemlich groß“, wie er sagt. „Man kann den Druck in einem Bereich erhöhen [indem man Oberflächenwasser in den Untergrund leitet] und damit den Grundwasserspiegel in Bereichen heben, die viele Kilometer entfernt sind.“

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Die Forscher wissen bisher nur von drei ländlichen Gemeinden, die einige amunas nutzen, um die Wasserverfügbarkeit für ihre Äcker und Tiere bis in die Trockenzeit hinein auszudehnen, sagte Ochoa-Tocachi. Diese Gemeinden hätten zudem kulturelle Praktiken und Feste, die der Reinigung und Wartung der Kanäle gewidmet sind.

Moderne Neuerungen wie die Versiegelung der Kanäle mit Beton würden sich ihm zufolge nicht negativ auf diese Gemeinden auswirken, da sowohl die amunas als auch die Quellen oberhalb des Dorfes liegen. Ein Großteil des Wassers, das die Dorfbewohner für ihre Äcker umleiten, wird letztlich wieder im Boden versickern und seinen Weg zum Fluss finden, sodass auch die Stadtbewohner flussabwärts davon profitieren.

Preiswert und effektiv Wasser sparen

Peru ist ein Vorreiter bei der Nutzung natürlicher Ökosysteme, um Menschen mit lebenswichtigen Ressourcen wie Wasser zu versorgen. Öffentliche Wasserbetriebe finanzieren mit einem Teil ihrer Einnahmen den Schutz natürlicher Wassersysteme. Obwohl die amunas von Menschen gebaut wurden, gelten sie als naturbasierte Systeme, da das Wasser im Boden gespeichert wird, sagte Ochoa-Tocachi.

Damit solche Projekte mit staatlichen Mitteln finanziert werden können, muss belegt werden, dass die Investitionen einen entsprechenden Nutzen bringen. Solche Daten fehlen derzeit im Vergleich zur „grauen Infrastruktur“, zu der beispielsweise große Betonstaudämme gehören. In diesem Kontext sei „die Studie enorm bedeutend“, sagte der Co-Autor Bert De Bièvra, der Koordinator der Regional Initiative for Hydrological Monitoring of Andean Ecosystems. Die Daten der Wissenschaftler würden zeigen, dass sich ein Investment in diese Projekte lohnt.

Die amunas würden nur etwa ein Zehntel so viel wie Lösungen mit grauer Infrastruktur kosten, sagte Ochoa-Tocachi. Zudem würde der Klimawandel die Niederschlagsmuster in Peru verändern: Die Trockenzeiten werden trockener und die Regenzeiten werden feuchter. Das Wassermanagement muss sich an diese neuen Gegebenheiten anpassen. Den Forschern zufolge kann der Bau großer und teurer Staudämme dabei aber nicht die einzige Antwort sein.

Es wäre deutlich preiswerter, die amunas großflächig wiederherzustellen. Je nach Bedarf könnten dann weitere Kanäle restauriert werden, wodurch dieser Ansatz an Flexibilität gewinnt. Die Studie schloss mit der Aussage, dass die Zukunft von Limas Wasserhaushalt wahrscheinlich von einem Hybridansatz abhängt, der alte und moderne Technologien sowie die Natur kombiniert.

Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.

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