Wolkenlos warm? So reagieren Wolken auf den Klimawandel

Wärmere Erde, weniger Wolken? Das Zusammenspiel zwischen Wolken und Klimawandel beschäftigt die Wissenschaft. Ein großangelegtes Forschungsprojekt will Antworten finden.

Von Barbara Buenaventura
Veröffentlicht am 1. Sept. 2020, 12:16 MESZ
Wolken und Klimawandel

Ein Forschungsprojekt sammelt Daten über die flachen Cumuluswolken rund um Barbados. So soll das Zusammenspiel von Wolken und Erderwärmung untersucht werden.

Foto von Max-Planck-Institut für Meteorologie

Heißere Sommer, Dürreperioden, verstärktes Auftreten von Allergien: Einige Symptome des Klimawandels spürt der Mensch wortwörtlich am eigenen Leib. Über andere Zusammenhänge wissen wir erstaunlich wenig: das Zusammenspiel von Wolken und Klimawandel beispielsweise, das schon seit einigen Jahrzehnten Forschungsgegenstand ist. Öffentliche Aufmerksamkeit erhält das Thema erstaunlich wenig: „Vielleicht, weil die Menschen lieber über etwas sprechen, das sie sicher wissen – als über etwas, das sie noch nicht wissen“, vermutet Professor Bjorn Stevens.

Der US-amerikanische Klimawissenschaftler vom Hamburger Max-Planck-Institut für Meteorologie will als Projektleiter von EUREC4A zumindest einige Wissenslücken schließen: Die aufwändige Feldstudie, die 40 internationale Forschungseinrichtungen in einer deutsch-französischen Initiative über Jahre hinweg aufgesetzt und vorbereitet haben, sammelte im Januar und Februar dieses Jahres in umfangreichen Messungen Daten über die flachen Cumuluswolken rund um Barbados. Die niedrigen Wolken vor der Karibikinsel sind repräsentativ für die Wolken in den gesamten tropischen Passatwindregionen, ihre Untersuchung soll Aufschluss darüber geben, wie sich die Wolkenbedeckung mit dem Klimawandel verändert. Im Gespräch mit NationalGeographic.de erklärt der Meteorologe, warum gerade Wolken ein wichtiges Stimmungsbild für die Erderwärmung zeichnen könnten, und warum es uns auch mit entsprechendem Hintergrundwissen schwerfallen wird, den Klimawandel an den Wolken abzulesen.

Herr Professor Stevens, in wenigen Worten und für Laien erklärt: Wie hängen Wolken mit der Erderwärmung zusammen?

Die Frage der globalen Erwärmung ist immer auch eine Frage des Energiehaushalts: Wie viel Energie bekommt die Erde von der Sonne und wie effektiv kann sie diese wieder zurückstrahlen? Die Wolken beeinflussen diesen Energieaustausch besonders hinsichtlich der Solarenergie. Sie fungieren wie ein Schirm, der weniger Sonnenlicht auf die Erde durchlässt, und haben insofern einen Abkühlungseffekt: Mehr Wolken bedeuten mehr Abkühlung. Wenn sich das Klima erwärmt, es aber weiterhin Wolken gibt, dann ist die Erderwärmung geringer. Wenn es aber weniger Wolken gibt, verstärkt sich auch die Erderwärmung.

Welches Forschungsziel hat in diesem Zusammenhang die Feldstudie EUREC4A?

Nicht alle Wolken beeinflussen den Prozess des Energieaustauschs gleichermaßen. Im Laufe der Zeit hat die Forschung eine konkretere Vorstellung davon bekommen, welche Wolken den Energiehaushalt besonders wirksam regulieren. In den vergangenen Jahren wurden konkrete Modelle und Hypothesen entwickelt, durch welche Mechanismen sich die Wolken bei Erwärmung verändern könnten. EUREC4A wurde entwickelt, um diese Hypothesen zu testen.

BELIEBT

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    Die niedrigen Wolken über Barbados sind Forschungsgegenstand von EUREC4A.

    Foto von Max-Planck-Institut für Meteorologie

    In einigen Klimamodellen verringert sich die Bewölkung über dem Ozean bei zunehmender Erderwärmung. Die dadurch entstehende löchrigere Wolkendecke könnte den Klimawandel weiter ankurbeln. Welche Bedeutung hätte eine Bestätigung dieser Annahme?

    Wenn wir zeigen können, dass die Wolkenänderungen in den aufgestellten Klimamodellen plausibel oder eben nicht plausibel sind, dann beeinflusst das natürlich die Vorhersage einer verstärkten oder geringeren Klimaerwärmung. Sollten sich die Theorien der sehr sensiblen Modelle bewahrheiten, macht das eine stärkere Erwärmung wahrscheinlich. Aber auch das Gegenteil könnte der Fall sein: Die Erwärmung kann sich als geringer herausstellen als prognostiziert wurde. Die unterschiedlichen Aussagen der Klimamodelle, ob sich die Erderwärmung nun um 2 oder 3 Grad verstärkt oder ob die Erwärmung sogar zwei oder dreimal so stark sein könnte, haben viel mit Wolken zu tun – vor allem mit den flachen, bodennahen Wolken über dem tropischen Ozean.

    Inwiefern sind die tropischen Wolken von besonderem Interesse?

    Wolken haben grundsätzlich zwei Auswirkungen auf das Klimasystem: Zum einen haben sie einen Treibhauseffekt, weshalb klare Tage im Winter tendenziell kälter sind. Zum anderen haben sie einen Reflexions- oder Albedo-Effekt, weshalb klare Tage im Sommer, an denen das Sonnenlicht eine größere Rolle spielt, tendenziell wärmer sind. Wolken, die sich in der Nähe von und über einer dunklen Oberfläche wie dem Atlantik ansammeln, haben einen besonders starken Einfluss auf das Klima, weil ihr Albedo-Effekt viel größer ist als ihr kompensierender Treibhauseffekt. Die Passatzone in den Tropen ist ein riesiges Gebiet, in dem vergleichsweise wenige Menschen leben, sie erstreckt sich größtenteils über dem Meer. Barbados liegt in diesem Gebiet, und frühere Studien haben gezeigt, dass, wenn wir dort Veränderungen in der Bewölkung bestimmen können, wir die Hoffnung haben können, dass dies allgemein für Passatwolken weltweit gelten kann.

    Für die Messungen kamen Forschungsflugzeuge und -schiffe, Satelliten, ein mobiles Wetterradar, Ballondrachen sowie autonome Flugkörper und Wasserfahrzeuge zum Einsatz. Was waren deren Aufgaben?

    Schiffe und Flugzeuge dieser Art machen es möglich, die räumliche Umgebung und die Eigenschaften von Wolkenfeldern zu quantifizieren. Durch viele unterschiedliche Messungen wird es eindeutiger, die Verbindung zwischen den Wolken und ihrer Umgebung zu erkennen – das ist der Schlüssel zur Prüfung der hypothetischen Mechanismen.

    Unter anderem mit Drohnen wurden die Messungen vor und über Barbados vorgenommen.

    Foto von Frédéric Batier

    Gab es auf der Reise überraschende Erkenntnisse oder Tendenzen, die Sie bereits weitergeben können?

    Wir haben viele Jahren auf dieses Projekt hingearbeitet. Das beinhaltete unter anderem auch die Errichtung und Wartung des modernsten Wolkenobservatoriums der Welt - so dass es zumindest keine großen Überraschungen mehr aus der Natur gab. Zu neuen Erkenntnissen möchte ich nicht spekulieren, aber ich glaube schon, dass wir in einem oder anderthalb Jahren eine konkretere Vorstellung davon haben werden, ob die Klimamodelle auf dem richtigen Weg sind. Mich als Wolkenforscher hat außerdem sehr beeindruckt, wie kleinste Prozesse und Wirbel den oberen Ozean und damit auch die Atmosphäre beeinflussen können. Bisher haben wir den Ozean als weniger dynamisch und mehr oder weniger als gegeben angesehen. Diese Sichtweise werde ich überdenken müssen.

    Werden auch Nicht-Forscher den fortschreitenden Klimawandel irgendwann den Wolken ansehen können?

    Das Komische an Wolken ist: Je näher man ihnen kommt, desto weniger kennt man sie. Etwas, das am Himmel so starr und fest erscheint, ist so nebulös und ungeformt, wenn man versucht, es zu berühren oder zu quantifizieren. Wenn wir glauben, dass wir Veränderungen am Himmel sehen können, spiegeln diese meist Verschiebungen in den Zirkulationsmustern wider, die trockenere oder feuchtere Tage bringen. Diese deuten aber nicht unbedingt auf einen Klimawandel hin, da selbst Verschiebungen über Zeiträume von Jahrzehnten Teil der Variabilität sein können, den die Erde uns präsentiert.

    Professor Bjorn Stevens ist Chef der Abteilung „Atmosphäre im Erdsystem“ am Hamburger Max-Planck-Institut für Meteorologie. Sein Hauptinteressensgebiet ist die Art und Weise, wie atmosphärisches Wasser - insbesondere in Form von Wolken - das Klima formt. Stevens hat eine Reihe internationaler Feldstudien initiiert und geleitet und mit der Einrichtung des Barbados Cloud Observatory ein Programm laufender Messungen eingerichtet.

    Foto von David Ausserhofer

    Was treibt Sie an?

    Im weitesten Sinne: die Schönheit der Dinge. Das ist sicher ein eher ästhetischer Antrieb. In der Forschung kann Schönheit auch mit Eleganz zu tun haben. Es ist schön, wie die Wolken liegen, wie sie am Himmel aussehen. Schönheit bedeutet aber auch, etwas besonders klar zu beschreiben oder eine Abbildung verständlich zusammenzuführen. Ich erhalte viel Zufriedenheit daraus, Dinge schön zu machen und das Schöne zu sehen – ob in der Natur oder in der Kreativität der anderen Menschen. 

     

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