Unterwelt in Flammen: der Krater von Derweze
In der Wüste Turkmenistans brennt seit 50 Jahren ein riesiger Krater. Statt das Bohrloch zu schließen, wird es nun zum Touristen-Hotspot.
In der Wüste Turkmenistans brennt seit 50 Jahren ein riesiger Krater. Statt das Bohrloch zu schließen, wird es nun zum Touristen-Hotspot.
In der Nähe des 350-Seelendorfes Derweze in Turkmenistan steht seit fünfzig Jahren eine Krater in Flammen. Das brennende Loch mit einem Durchmesser von ungefähr siebzig Metern hat von den Einheimischen den Namen „Tor zur Unterwelt/Hölle“ (turkmenisch: „jähenneme açylan gapy“) bekommen. Derweze liegt in der Regenschattenwüste Karakum in Zentralasien. In der Region befinden sich bedeutende Erdgas- und Erdölvorkommen, über die man im Jahr 1971 im Zuge einer Explorationsbohrung in der Nähe der Ortschaft Derweze Aufschluss gewinnen wollte. Zufällig stießen die Geologen dabei auf eine mit Erdgas gefüllte, unterirdische Höhle. Der Boden unter der Bohrplattform brach ein und der riesige Krater entstand.
Entstehung des Kraters
Dr. rer. nat. Ralf Littke, Universitätsprofessor der Fachgruppe für Geowissenschaften und Geographie an der RWTH Aachen University sieht den Einsturz als unglücklichen Zufall: „Damals wurde offenbar ein größerer Hohlraum angebohrt, anders lässt sich die Entstehung eines solchen Kraters nicht erklären. Normalerweise speichert die Natur Gas im Untergrund in Gesteinsporen. Entlässt man das Gas bei der Förderung aus dem Porenraum, entsteht kein so großes Loch. Stattdessen senkt sich die Erdoberfläche während eines sehr langsamen und sehr weiträumigen Absenkungsprozesses. Im Fall des Kraters von Derweze ist aber in einem sehr eng begrenzten Bereich ein großer Teil eingebrochen, was vermutlich mit der unerwarteten Anbohrung eines Hohlraums, wie einer Karsthöhle, zusammenhängt - ein unglücklicher Zufall".
Anzünden als Lösung
Die Entscheidungsträger beschlossen im Jahr 1971, das austretende Methangas anzuzünden, da man gesundheitliche Folgen für die Bevölkerung der nahegelegenen Ortschaft Derweze vermeiden wollte und CO2 umweltverträglicher ist. „CO2 ist wie Methan ein Treibhausgas. CO2 kommt in der Atmosphäre etwa 200 mal mehr vor als Methan, weswegen CO2 vom Gesamttreibhauseffekt bedeutender als Methan ist. Sieht man sich aber die einzelnen Moleküle an, ist Methan ein viel stärkeres Treibhausgas: Der Treibhauseffekt eines Methanmoleküls ist ungefähr 30-mal so hoch wie der eines CO2-Moleküls. Deswegen ist es sinnvoll, nicht Methan sondern CO2 in die Atmosphäre entweichen zu lassen. Und deswegen hat man wohl das Gas angezündet“, erklärt Dr. Littke.
Im Jahr 1971 ging man davon aus, der Untergrundspeicher werde wenige Tage nach dem Anzünden ausbrennen. Doch er brennt bis heute. Auch der Geowissenschaftler der RWTH Aachen bestätigt den Irrtum: „Wenn nur ein Hohlraum im Untergrund das Methan geliefert hätte, wäre es zu einem sehr schnellen, explosionsartigen Blowout gekommen, danach wäre kein Gas mehr nachgeströmt. In Derweze war das nicht der Fall: Dort gibt es offenbar mindestens eine Verbindung in die Tiefe, durch die weiterhin Methan in nicht sehr großen, aber doch nennenswerten Raten Richtung Erdoberfläche in den Krater strömt, wo es verbrennt“.
Dass Gas über feine Kanäle, die sogenannten Vents, zur Erdoberfläche strömt, ist nicht aussergewöhnlich und ein natürliches Phänomen in vielen Sedimentbecken der Erde. „Solche Ausström-Vorgänge können viele Jahrzehnte andauern. Auch die normale Gasförderung aus Reservoirgesteinen ist normalerweise auf 30 bis 70 Jahre ausgelegt. Das Gas strömt also in der Regel sehr langsam in den Gesteinen.“
Um einzuschätzen, wie lange der Krater noch brennen wird, sind umfangreiche Studien der regionalen geologischen Verhältnisse erforderlich. Jedoch sei es in einer solchen Situation durchaus möglich, dass der Krater nicht nur Jahrzehnte, sondern Jahrhunderte weiter brennt, so Dr. Littke.
Austrittskanäle verschließen
Mit dem heutigen Stand der Technik könnte man, wie nach dem katastrophalen Blowout der Bohrplattform Deepwater Horizon im Jahr 2010, über eine Horizontalbohrung versuchen den Austrittskanal des Methans zu verschließen. Doch ein solches Vorgehen ist extrem kostenintensiv und für ein Land mit geringen finanziellen Ressourcen nicht ohne Weiteres umsetzbar. Zudem scheint der öffentliche Druck für einen Verschluss im Fall des Höllentors von Turkmenistan nicht hoch genug, auch wenn die Regierung Turkmenistans in den letzten Jahren mehrfach eine Schließung des Kraters ankündigte, insbesondere um angrenzende Gasvorkommen nicht in Mitleidenschaft zu ziehen.
Marginale Umwelteffekte
Doch wie hoch sind die Kosten für die Umwelt? Dr. Littke schätzt sie vergleichbar marginal ein: „Für die Umwelt ist das selbstverständlich sehr unglücklich. Was den gesamten Umweltaspekt angeht, ist der brennende Derweze-Krater im Vergleich zu den brennenden Kohlefeldern in Indien und China eine Marginalie. Auch in Deutschland brannten einige Kohlenhalden über viele Jahre. Verglichen mit den großen Kohlebränden, die extrem hohe Mengen CO2 in die Erdatmosphäre schleudern, ohne dass die Energie genutzt wird, hat Derweze einen eher kleinen Effekt auf die Umwelt und einen geringen anthropogenen Anteil auf den Treibhauseffekt. Trotzdem wäre es natürlich umwelttechnisch sinnvoll, den Austritt und die Zufuhr von Methan zu stoppen. Hörten die Brände auf, liesse sich das Gebiet zudem anderweitig nutzen“.
Höllentor als Touristenattraktion
Die Wüste Karakum macht es Touristen nicht leicht den Krater von Derweze zu erreichen. Zudem entfaltet sich die Wirkung des brennenden Kraters erst richtig mit Einbruch der Dunkelheit, was die An- und Abreise nicht angenehmer macht. Trotzdem locken die Flammen immer mehr Reisende in die karge Gegend, sei es auch nur für einen spektakulären Post in den sozialen Medien. "Ob der Krater als touristische Attraktion Leute anzieht, die in Hotels übernachten und Devisen ins Land bringen liegt außerhalb meiner Expertise“, schliesst Prof. Dr. Littke. „Ich kann nur raten, sich nur kurz am Kraterrand aufzuhalten, denn die Hitze und Atmosphäre dort sind auf Dauer für die Lungen und den Körper nicht förderlich.“
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