Hormone im Leitungswasser: Deutsche Forscher entwickeln neues Filterverfahren

Mikroverunreinigungen in unserem Wasser können die Gesundheit gefährden. Wissenschaftler aus Karlsruhe haben nun eine neue und energieeffiziente Antwort auf dieses Problem gefunden.

Von Deborah Roth
Veröffentlicht am 4. März 2022, 14:46 MEZ
Die zwei Becken eines Klärwerks in der Schweiz.

Wasserklärwerke können bisher nicht alle Hormone aus unserem Trinkwasser entfernen.  Wissenschaftler aus Karlsruhe haben nun eine Lösung zur Beseitigung solcher Schadstoffe gefunden.

Foto von Patrick Federi / Unsplash

Trinkwasser in Deutschland ist von guter Qualität: Unser Leitungswasser gehört zu den am besten kontrollierten Lebensmitteln. Dennoch haben viele Konsumenten Bedenken: Nitrat im Grundwasser, Blei in den Trinkwasserrohren sowie Rückstände von Hormonen oder von Pestiziden im Leitungswasser sind Gründe dafür. 

Eine breit gefächerte Lösung zur Beseitigung solcher Schadstoffe gab es bislang nicht. Jetzt scheint jedoch das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) zusammen mit dem Institut für funktionelle Grenzflächen (IFG) eine genau solche gefunden zu haben: Die Forschenden haben ein Verfahren entwickelt, das Hormone schnell und energieeffizient aus dem Wasser beseitigt. Die Forschungsergebnisse wurden kürzlich im Journal of Hazardous Materials publiziert.

Pille im Wasser

Wie Hormone ins Wasser gelangen, ist simpel nachzuvollziehen. Das künstliche Östrogen wird geschluckt und ein Teil mit dem Urin wieder ausgeschieden. Das Wasser aus der Klospülung läuft anschließend in eine Kläranlage, in der die Hormone wie Estradiol, Ethinylestradiol, Gestagen oder Testosterone bisher nur unvollständig abgebaut werden konnten. Anschließend gelangten die Hormone in die Seen, Flüsse und andere Gewässer.

Die geringe Konzentration und Größe dieser Hormon-Moleküle erschweren nicht nur ihren Nachweis mittels analytischer Verfahren im Wasser. Sie machen auch ihre Beseitigung schwierig.

Der Anteil der verschiedenen Hormone in einem Liter bereits geklärten und behandelten Wasser beträgt rund 100 Nanogramm. „Das gleicht der Suche nach der Nadel im Heuhaufen“, sagt Professorin Andrea Schäfer von der Membrantechnologie am Institut für funktionelle Grenzflächen (IFG). „Und doch sind diese Hormone in solchen Konzentrationen wirksam.”

Ressourcen- und energieschonend: Die neue Membrantechnologie

Das neuentwickelte Verfahren hat den Vorteil, auch von Industriepartnern und somit von großen Klärwerken genutzt werden zu können. Dabei hilft eine semi-permeable Membrane: Der Großteil an Schadstoffen wird durch eine halb-flüssigkeitsdurchlässige Materialwand gefiltert, in der Aktivkohle eingebaut ist.

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    Im Detail wird das Abwasser also durch eine Polymermembran „gedrückt“, das die Mikroorganismen und größere Verunreinigungen herausfiltert. Die dahinter liegende Schicht aus spezieller Aktivkohle geht chemisch mit Kohlenstoff- und Hormonmoleküle eine Verbindung ein – diese bleiben somit an ihr kleben. Das Verfahren hat den Vorteil, dass große Wassermengen durchfließen können und dadurch viele Moleküle gleichzeitig gebunden werden. Dadurch wird sehr viel weniger Energie benötigt als bei Alternativverfahren wie der Umkehrosmose.

    „Wir glauben, dass wir eine vielversprechende Technologie entwickelt haben, mit der wir bei der Elimination von hormonellen Mikroschadstoffen aus Wasser einen großen Schritt weiter kommen“, sagt Matteo Tagliavini, Doktorand in Schäfers Gruppe und Mitautor der aktuellen Publikation. 

    Die Membrane eignen sich sowohl für industrielle Großanlagen als auch für Anwendungen in kleinerem Maßstab wie dem häuslichen Wasserhahn. Das eingesetzte Material ist schon zugelassen und ein erstes Industrieprojekt bereits in Planung.

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