Chemikalien aus Plastik und Kosmetika in wilden Delfinen gefunden

In früheren Studien wurden die entdeckten Phthalate mit bestimmten Krebsarten und Fortpflanzungsproblemen in Verbindung gebracht.

Von Sarah Gibbens
Veröffentlicht am 10. Sept. 2018, 15:12 MESZ
Von 2016 bis 2017 wurden 17 Tümmler untersucht. Mehrere der Tiere wiesen Rückstände von Chemikalien aus ...
Von 2016 bis 2017 wurden 17 Tümmler untersucht. Mehrere der Tiere wiesen Rückstände von Chemikalien aus menschlicher Produktion auf.
Foto von Jim Abernethy, National Geographic Creative

Die Tümmler der Sarasota-Bucht im US-Bundesstaat Florida sind freundlich und neugierig – und locken daher viele Touristen an. Aktuelle Forschungen haben nun gezeigt, dass sich im Körper der Tiere Chemikalien aus menschlicher Produktion anreichern und sich womöglich auf ihre Gesundheit auswirken.

Im Rahmen einer Studie, die im Fachmagazin „American Geophysical Union“ veröffentlicht wurde, fanden Forscher heraus, dass Phthalate in den Delfinen nachgewiesen werden können. Die Ester der Phthalsäure sind häufig genutzte Weichmacher für Alltagsgegenstände aus Kunststoff, in anderer Form aber auch in Kosmetika und Farben vertreten.

Von 2016 bis 2017 sammelten die Forscher des College of Charleston und der Chicago Zoological Society Urinproben von 17 Delfinen aus der Bucht. In dem Urin konnten die Forscher Chemikalien ausfindig machen, die noch drei bis sechs Monate, nachdem der Delfin mit ihnen in Kontakt gekommen war, in seinem Körper vorhanden waren.

Bei der Studie wurden diese Chemikalien zum ersten Mal in wilden Delfinen entdeckt. Die Tiere in der Gegend sind den Forschern gut bekannt und werden schon seit über 40 Jahren studiert.

„Es hat uns nicht überrascht, die Belastung festzustellen. Was überraschend war, war hingegen der entdeckte Grad der Belastung“, erzählt die Studienleiterin Leslie Hart.

Mindestens eine Form von Phthalaten wurde in 71 Prozent der getesteten Delfine nachgewiesen.

Da zum ersten Mal Urintests durchgeführt wurden, müssen die Forscher Hart zufolge noch herausfinden, welche Werte als normal oder abweichend gelten. In einigen Delfinen war das Maß an Abbauprodukten von Phthalaten mit Konzentrationen vergleichbar, die man bei Menschen feststellen kann, wie sie sagt. Das sei überraschend, weil Menschen vermutlich regelmäßiger in Kontakt mit Gegenständen kommen, in denen solche Chemikalien enthalten sind

Die Wissenschaftler wissen nun zwar mehr darüber, welche Chemikalien sich in Delfinen anreichern, aber dafür warf die Studie andere wichtige Fragen auf: Wie genau kommen die Tiere in Kontakt mit Phthalaten und wie könnte sich das auf ihre Gesundheit auswirken?

PHTHALATE UND DIE UMWELT

Phthalate werden fast auf der ganzen Welt bei der Herstellung von Kunststoffen und Vinyl als Weichmacher benutzt. Früher waren die chemischen Verbindungen auch in Babyprodukten wie Schnullern zu finden. Mittlerweile ist ihre Verwendung im Kinderspielzeug jedoch verboten.

Da sich Delfine recht weit am Ende der Nahrungskette befinden, eine hohe Lebenserwartung haben und oft Küstengewässer in der Nähe von Städten durchschwimmen, sind sie „ausgezeichnete Marker für die [Gesundheit der] Ökosysteme“, erzählt die Delfinforscherin Tara Cox von der Savannah State University, die an der Studie nicht beteiligt war.

„Sie können uns Informationen darüber geben, was in der Umwelt passiert und wie es sich auf Menschen auswirken könnte“, sagt sie.

Bei einer Studie zu dem Veresterungsprodukt Diethylhexylphthalat (DEHP) fand man heraus, dass Ratten bei einer Langzeitbelastung durch die Chemikalie Leberkrebs entwickelten und Probleme mit der Fortpflanzung hatten.

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    Harts Arbeit ist Teil eines laufenden Projekts, bei dem untersucht wird, wie sich Phthalate auf die Gesundheit auswirken und in der Umwelt verteilen. Außerdem hat sie Studien mit College-Studenten durchgeführt, um besser zu verstehen, welche Verhaltensweisen das Belastungsrisiko erhöhen.

    Bei einigen Versuchsreihen wurde das Konsumverhalten der Studenten verändert, indem sie aufgefordert wurden, keine alltäglichen Produkte zu benutzen, die Phthalate enthalten, beispielsweise bestimmte Shampoos und Seifen. Daraufhin verzeichneten die Forscher bei den Studenten einen messbaren Rückgang der chemischen Rückstände.

    Zwar müssen die Wissenschaftler noch immer viel über die Gefahren von Phthalaten lernen, aber Hart hofft, dass die Ermittlung der größten Quellen dieser Chemikalien dazu beitragen wird, ihre Aufnahme und damit verbundene Gesundheitsrisiken zu reduzieren.

    „Man kann Trickle-Down-Effekte auf die Umwelt beobachten“, sagt Hart über die Verringerung der Konsumentennachfrage.

    ANREICHERUNG IN DELFINEN

    In der nächsten Phase der Delfinforschung in der Sarasota-Bucht wollen die Wissenschaftler herausfinden, wie die Tiere die Phthalate verstoffwechseln. Außerdem wollen sie in Erfahrung bringen, wie die Tümmler die Chemikalien überhaupt aufnehmen. Auch in anderen im Wasser lebenden Organismen wie Algen, Fischen und einigen wirbellosen Tieren wurden Spuren von Phthalaten nachgewiesen. Daher ist es möglich, dass die Delfine die Substanzen über ihre Beutetiere aufnehmen.

    Wenn sich Kunststoffe im Meer Stück für Stück in immer kleinere Teile zersetzen, werden dabei auch Phthalate ins Wasser abgegeben. Zudem könnten Abwässer aus städtischen Gebieten Rückstände der Chemikalien enthalten, die dann in den Ozean gelangen.

    Ohne Tests an Tieren aus anderen Regionen kann Hart nicht sagen, wie verbreitet das Problem ist. Ihr zufolge sei es aber logisch anzunehmen, dass andere Delfinpopulationen Spuren ähnlicher Chemikalien aufweisen könnten.

    Cox ist ebenfalls der Ansicht, dass das Problem auch außerhalb Floridas vorhanden sein dürfte. „Wo auch immer Menschen in der Nähe sind, erfolgt ein solcher Abfluss [von Chemikalien]“, sagt sie.

    Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht

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