Können künstliche Wal-Exkremente unsere Weltmeere retten?

Ein internationales Wissenschaftsteam hat einen neuen Ansatz entwickelt, um nährstoffarme Ökosysteme und Fischpopulationen wiederzubeleben: eine Art Dünger für die Ozeane. Auch gegen den Klimawandel soll er womöglich helfen.

Wal-Exkremente sind ein wichtiger Bestandteil des Ökosystems Meer. Forschende wollen den Meeres-Dünger nun künstlich herstellen.

Foto von Gabriel Dizzi / Unsplash
Von Marina Weishaupt
Veröffentlicht am 14. März 2022, 10:27 MEZ

Noch ist es ein Experiment mit ungewissem Ausgang – und dennoch ein großer Hoffnungsträger für die Weltmeere: Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen des Centre for Climate Repair an der Universität Cambridge wollen herausfinden, ob sich künstlich nachgeahmte Wal-Exkremente genauso positiv auf fragile Meeresökosysteme auswirken können wie das natürliche Vorbild. 

Das internationale Projekt ist das erste einer großen Reihe an Versuchen zur Regeneration mariner Biomasse und soll innerhalb der nächsten Monate im Arabischen Meer vor der westlichen Küste Indiens aufgenommen werden. „Wir versuchen, den Ozean wieder zu bevölkern“, sagt David King, Leiter der Forschungen und des Centre for Climat Repair. Ihm haben sich insgesamt sechs Universitäten und Forschungseinrichtungen aus der ganzen Welt angeschlossen. 

Wundermittel Walkot

Die positiven Effekte der Ausscheidungen von Walen auf das gesamte Ökosystem Meer wurden bereits vor einem Jahrzehnt von Meeresbiologen beschrieben. Das Phänomen der sogenannten Whale Pump ist dabei so simpel wie genial: Zwar fressen die Meeressäuger in Tiefen von bis zu 300 Metern Krill, können sich dort aufgrund des hohen Drucks jedoch nicht erleichtern. Zurück an der wärmeren Wasseroberfläche holen sie also nicht nur Luft für erneute Tauchgänge, sondern scheiden dort auch ihren Kot aus.

„Sie schaffen dann ein schwimmendes Bett aus Exkrementen, und wenn Sonnenlicht darauf fällt, wächst dort Phytoplankton“, so King gegenüber NewScientist. Diese verschiedenen Arten von Algen, Einzellern und Bakterien dienen wiederum Fischen als wichtige Nahrungsquelle. Innerhalb der letzten 400 Jahre hat sich jedoch nicht nur die Anzahl der Wale um schätzungsweise 95 Prozent verringert – die dadurch fehlenden Nährstoffe hungerten die Weltmeere und deren Bewohner nahezu aus. 

Das künstliche Pendant

Um der ausbleibenden Düngewirkung entgegenzuwirken, kommt es auf die genaue Zusammensetzung des nachgeahmten Walkots an. Diese ist noch nicht abschließend entschieden. Die zwei naheliegendsten Optionen sind nach Angaben der Forschenden eisenhaltiger Sand oder Vulkanasche. Der erwünschte Effekt ist stark von der richtigen Zusammensetzung aus Nitraten, Silikaten, Phosphaten und Eisen abhängig. 

Um einen möglichst authentischen Nährboden für Phytoplankton darzubieten, muss die Masse außerdem an der Meeresoberfläche schwimmen. Hierfür kommt ein Abfallprodukt einer indischen Reisfabrik gelegen: Reishülsen. Diese werden gebacken und im Anschluss daran mit den notwendigen Nährstoffen vermengt. Die Forschenden können folglich untersuchen, ob die Masse den natürlichen Walexkrementen genug ähnelt, um den erwünschten Effekt als Nährboden zu erfüllen.

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    Wiederbevölkerung und willkommener Nebeneffekt

    Ob das Experiment nach einem erfolgreichen Gelingen einen endgültigen Lösungsansatz für die Wiederbevölkerung der Weltmeere darstellt, ist laut King ungewiss. Um dies zu erreichen, müssten die Bemühungen in einem sehr viel größeren Maßstab durchgeführt werden. Dennoch stellt es das Hauptziel der aufwendigen Zusammenarbeit dar. Durch gezieltes Platzieren der künstlich hergestellten Masse könnte womöglich auch die Fischerei davon profitieren.

    Das Phytoplankton, das auf den Walexkrementen heranwächst, hat unterdessen noch einen weiteren positiven Effekt: Durch Fotosynthese absorbiert es Kohlendioxid aus der Atmosphäre. Der gebundene Kohlenstoff wird nach dem Durchlaufen der Nahrungskette im Meeresboden eingeschlossen. Ähnliche Projekte wären laut King durchaus in der Lage, auf diese Weise jährlich mehrere Milliarden Tonnen Kohlendioxid einzuschließen. 

    Dieser Ansatz der Bionik, dem Übertragen biologischer Prozesse auf technologische Lösungen, würde also für mehrere Probleme eine gute Übergangslösung darstellen. Laut King wäre die zukünftige Erholung der Walpopulationen jedoch nach wie vor der optimale Weg, die biologische Pumpe wieder in Gang zu bringen.

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