Welt aus Plastik – wie der Mensch die Erde verändert

Kunststoff, der sich mit Milliarden Jahre alten Felsen verbindet. Ansammlungen von schwimmendem Müll im Meer, die Tiere mit Inseln verwechseln. Der Mensch verändert den Planeten und schafft mit Abfall neue geologische Strukturen.

Von Nina Piatscheck
Veröffentlicht am 28. Apr. 2023, 15:50 MESZ
Ein Einsiedlerkrebs, der einen Flaschendeckel als Haus nutzt.

Die Eingriffe des Menschen in die Natur werden immer gravierender. Neben Pflanzen und Tieren wird mittlerweile sogar Gestein von der Plastikflut beeinträchtigt.

Foto von Bertrand Godfroid / Adobe Stock

Gerodete Wälder, künstlich gestaute Seen, Tonnen von Asphalt: Dass wir Menschen den Planeten verändern, ist nicht neu. Nun finden sich jedoch immer mehr Belege dafür, dass wir auch dauerhaft in die Geologie der Erde eingreifen – mit unserem Müll. Wissenschaftler konnten zeigen, dass sich dieser unwiderruflich mit Gestein verbindet.

So fand ein internationales Forschungsteam in einem Bach in China Felssteine, die chemisch mit Mikroplastik verschmolzen sind – eine irreversible Reaktion, durch die eine neue Art von Kunststoff entsteht. In insgesamt vier Proben wurden solche Verbindungen nachgewiesen. Die zugehörige Studie unter Leitung der Tsinghua Universität, Peking, wurde in der Fachpublikation Environmental Science and Technology veröffentlicht. 

Felsen aus Plastik

Auch die brasilianische Forscherin Fernanda Avelar Santos, Geologin an der Federal University of Paraná, entdeckte Plastikgestein: auf der einsamen Insel Trindade. Felsen, die blau-grün leuchten, weil das über Millionen Jahre entstandene Gestein sich mit angeschwemmtem Plastik verklumpt hatte. Das Eiland liegt im Atlantik, rund 1.200 Kilometer von der Küste Brasiliens entfernt. Nur Forschende und das Militär schauen hier ab und an vorbei. Trotzdem ist die Insel so verdreckt von Plastikmüll, dass sich neue „Felsformationen“ gebildet haben. 

Das Plastik stammt größtenteils von Fischernetzen. Avelar Santos und ihr Team fanden unter anderem eine Art Plastikfelsen, die sie und als Plastistone benannten – es sind die ersten untersuchten Felsen, die fast ausschließlich aus Plastik bestehen. Die Studie zu den Plastikfelsen erschien 2022 im Marine Pollution Bulletin.

Links: Oben:

Diese „Plastikfelsen" haben sich aus im Meer treibenden Plastikmüll gebildet. Gefunden wurden sie auf der Insel Trindade in Brasilien, einem der entlegensten Orte der Erde.

Rechts: Unten:

Bei den Felsen handelt es sich laut den Forschenden um eine neue Art von geologischer Formation, bei der sich erdeigene Materialen mit einer neuen, menschengemachten Zutat verbinden – Plastik. 

bilder von Fernanda Avelar Santos

Ähnliche Strukturen wurden in den vergangenen acht Jahren unter anderem auf Hawaii und in Großbritannien gefunden: Sogenanntes Plastiglomerat, eine Vermischung aus Sand, Stein und geschmolzenem Plastik. Besonders bei dem Fund auf Trinidade war jedoch auch, dass die Plastikfelsen an einem Ort entstanden sind, der so weit entfernt von jeder Zivilisation liegt. 

Menschliche Eingriffe seien heute so allgegenwärtig, dass man sich fragen müsse: „Was ist eigentlich noch wirklich natürlich?”, schreibt Santos. Die Meeresverschmutzung führe zu einem Paradigmenwechsel bei der Vorstellung davon, wie Gesteine und Sedimentablagerungen entstehen.

Anthropozän: Das Plastik-Zeitalter ist da

Wissenschaftler sagen schon seit einigen Jahren, dass wir uns am Beginn einer neuen Epoche befinden: dem Anthropozän – dem Zeitalter des Menschen. Nachweisbar ist das anhand einer weltweit einheitlichen Bodenschicht. „Die Menschheit hat mehr als die Hälfte des Bodens an Land verändert", schrieb Geofoscher Mark Williams von der University of Leicester bereits vor knapp einem Jahrzehnt im Fachblatt The Anthropocene. Straßen, Steinbrüche und landwirtschaftliche Flächen hätten den natürlichen Bewuchs verdrängt. 

Mit Plastik verschmolzenes Gestein ist für die Wissenschaft nun ein endgültiger Beweis für dieses neue Zeitalter. 

BELIEBT

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    Plastik als Lebensraum

    Es braucht jedoch nicht immer Steine für nachhaltige Veränderung unserer Erde: Im Pazifik zwischen Kalifornien und Hawaii fanden Forschende Krustentiere, die sich auf Inseln aus schwimmendem Plastikmüll angesiedelt haben. Ihre Studie, die in der Zeitschrift Nature Ecology and Evolution veröffentlicht wurde, beschreibt eine neue, im Meer lebende Gemeinschaft verschiedenster Spezies von Krebstieren bis Seeanemonen. 

    Insgesamt 37 wirbellose Arten stellten die Forschenden auf den Abfällen fest. Sie ernähren sich von dem Schleim aus Bakterien und Algen, der den Müll bedeckt. Die Tiere stammen ursprünglich aus Küstengebieten in Japan oder anderen weiter entfernten Ländern und sind im offenen Meer eigentlich nicht zu finden. Nun bevölkern sie menschengemachte Inseln.

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