Kastanien in ihrer Schale am Baum.

Dramatisches Baumsterben: Gibt es in Deutschland bald keine Kastanien mehr?

Herbst ist Kastanien-Zeit in Deutschland. Doch das könnte sich bald ändern: Immer mehr Bäume sterben und müssen gefällt werden. Manche Städte haben den Kampf um die Rosskastanie bereits aufgegeben. Gibt es noch eine Rettung?

Kastanien gehören in Deutschland zum Herbst wie Kürbisse und bunte Blätter. Doch um die Rosskastanien steht es schlecht. Wie lange bleibt uns dieser Anblick noch erhalten?

Foto von M. Schuppich / Adobe Stock
Von Lisa Lamm
Veröffentlicht am 6. Okt. 2023, 09:08 MESZ

Erst vor etwas weniger als 500 Jahren wurde die Rosskastanie von Konstantinopel nach Mitteleuropa gebracht. Mittlerweile ist sie aus dem Herbst in Deutschland nicht mehr wegzudenken: Vor allem Kinder erfreuen sich an den gefallenen Früchten der Bäume.

Doch seit einigen Jahren ist der beliebte Baum gleich durch mehrere Gefahren bedroht: Die Miniermotte hat sich auf die Gewöhnliche Rosskastanie (Aesculus hippocastanum) spezialisiert und greift ihre Blätter an. Noch gefährlicher ist das Bakterium Pseudomonas syringae pv. aesculi. Das befällt vor allem den Stamm des Baumes und lässt ihn schwarz und rissig werden – Pilzbefall ist die Folge. Viele Städte pflanzen die beliebten Bäume aus diesen Gründen nicht mehr nach.

Wie lange wird uns die Rosskastanie also noch erhalten bleiben?

So schadet die Miniermotte den Rosskastanien

Die Rosskastanienminiermotte (Cameraria ohridella) ist ein Insekt aus der Ordnung der Kleinschmetterlinge. Sie wurde erstmals in den 1980ern beobachtet, als sie die Region um den mazedonischen Ohridsee befiel. Die Tiere brauchen die weißblütige Gewöhnliche Rosskastanie zum Leben: Auf den Blättern des Baumes legen die erwachsenen Tiere ihre Eier. Etwa drei Wochen später, meist Mitte bis Ende April, schlüpfen die Larven, die sich in den folgenden Wochen durch das Blattinnere fressen und den Blättern so extrem schaden. Diese welken und werden braun – meist schon im Spätsommer.

Bereits früh kann man die Schäden erkennen, die die Miniermottenlarven den Blättern der Rosskastanie zufügen.

Foto von Zigmar Stein / Adobe Stock

Auf längere Sicht kann ein solcher Befall dafür sorgen, dass der Baum weniger seiner weißen Blüten entwickelt – und auf Dauer auch weniger Früchte produziert. In Hamburg führte der Miniermottenbefall der weißblühenden Rosskastanie dazu, dass zwischen 2000 und 2006 nur noch wenige der Bäume gepflanzt wurden. Zunächst pflanzte man als Gegenmaßnahme vermehrt die rotblühende Rosskastanie – doch der Hoffnungsträger konnte gegen den nächsten Schädling, die Pseudomonas-Bakterien, ebenfalls nichts ausrichten.

Blutende Kastanien-Stämme durch die Pseudomonas-Krankheit

Bekannt ist der Befall von Rosskastanien durch Pseudomonas-Bakterien in Deutschland seit 2007 – nach ersten Fällen in Hamburg. Die durch sie ausgelöste Pseudomonas-Krankheit ist besonders verhängnisvoll, weil sie zum Absterben einzelner Äste oder eines ganzen Baumes führen kann und sich stark ausbreitet. 

In Hamburg standen Ende 2018 beispielsweise fast 600 Bäume unter Verdacht, von dem Bakterium befallen zu sein, mittlerweile wurden in der Hansestadt bereits über 900 Rosskastanien gefällt – neue werden nicht mehr gepflanzt. Laut dem Naturschutzverband ​​Schutzgemeinschaft Deutscher Wald (SDW) sind vermutlich schon über die Hälfte aller Rosskastanien in Deutschland von Pseudomonas syringae befallen. 

BELIEBT

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    Die Blüten einer weißblütige Rosskastanie im Frühling. Erstmals Früchte, die Kastanien, tragen die Bäume meist mit etwa 15 Jahren.

    Foto von CC BY-SA 3.0

    Doch wie infizieren Pseudomonas syringae die Bäume? An sich ist es gar nicht das Bakterium, das im Baum den größten Schaden anrichtet. Denn bei der Pseudomonas-Krankheit, die die Bakterien auslösen, handelt es sich um eine sogenannte Komplexkrankheit. Das heißt, es spielen gleich mehrere Faktoren zusammen, um den letztendlichen Schaden anzurichten. Im Falle der Rosskastanie befällt das Bakterium zunächst den Baum, wodurch Risse und schwarze Stellen im Stamm entstehen. Diese bieten die perfekte Angriffsfläche für Pilze, die in das Innere des Baums eindringen und ihm extrem schnell zum Verhängnis werden können: Der Baum stirbt nach einigen Jahren entweder ganz ab oder muss gefällt werden, weil erste Äste morsch werden. 

    Kann man den Kastanien helfen?

    Bei der Miniermotte sieht die Sache nicht ganz so düster aus. Einerseits befällt sie nur die weißblühende Gewöhnliche Rosskastanie – andere Arten sind also vor ihr sicher – und andererseits dort auch nur die Blätter. Am leichtesten kann man den Mottenbefall somit bekämpfen, indem man gefallenes Laub möglichst schnell einsammelt und verbrennt. Sammeln kann man Kastanien, die von einem bakterienbefallenen Baum stammen, problemlos: Die Motte befällt nur die Blätter der Bäume und frisst weder Kleidung noch Lebensmittel, wenn man dennoch eine von ihnen mit nach Hause bringen sollte.

    Das Bakterium zu bekämpfen ist schwieriger. Vor allem jene Rosskastanien, die bereits durch die Miniermotte geschwächt wurden, haben kaum Chancen gegen den Erreger. Laut dem SDW findet die Übertragung meist durch Wurzelverwachsungen innerhalb einer Allee und durch fehlende Hygiene beim Beschneiden der Bäume statt. 

    Da es bislang kein Bekämpfungsmittel gibt, müsse man deshalb vor allem die Rahmenbedingungen verbessern, damit die Bäume gegen den Befall gewappnet sind: frische, gut durchlüftete Böden und verschärfte Hygiene beim Schnittwerkzeug. Außerdem müssen befallene Bäume schnell gefällt werden, damit umstehende Bäume sich nicht anstecken. 

    Etwas Hoffnung gibt es aber: Die gelbblühende Art der Rosskastanie scheint bislang gegen Motte und Bakterium resistent zu sein – und wird mittlerweile als Ersatz für die weiß- und rotblühenden Bäume gepflanzt. Und auch die Esskastanie könnte laut SDW in Zukunft die Rosskastanie in Städten ersetzen.

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