Artenschutz im eigenen Garten: So kann man bedrohte Pflanzen retten

In Millionen deutscher Gärten schlummert ungenutztes Potenzial für über 1.000 gefährdete Pflanzenarten. Eine neue App der Universität Leipzig hilft beim Gärtnern für die Biodiversität.

Die Gewöhnliche Pechnelke (Lychnis viscaria) steht in mehreren Bundesländern, darunter Bayern und Baden-Württemberg, auf der Vorwarnliste. Neben ihr eignen sich rund 40 Prozent der gefährdeten und regional ausgestorbenen heimischen Pflanzenarten für das Conservation Gardening.

Foto von ElenaMasiutkina / adobe stock
Von Marina Weishaupt
Veröffentlicht am 8. Sept. 2023, 15:11 MESZ

Je nach Bundesland sind in Deutschland zwischen 515 und etwa 1.120 Pflanzenarten gefährdet oder rückläufig. Laut dem Rote-Liste-Zentrum, das im Namen des Bundesamts für Naturschutz die bundesweiten Roten Listen gefährdeter Arten koordiniert, sind das insgesamt mehr als ein Viertel der heimischen Farn- und Blütenpflanzen.

Forschende um Ingmar Staude von der Arbeitsgruppe Spezielle Botanik und funktionelle Biodiversität der Universität Leipzig haben nun untersucht, wie Privatpersonen dagegen angehen können: mit dem sogenannten Conservation Gardening. Dabei erhalten neben beliebten Zierpflanzen auch heimische, nützliche und vor allem gefährdete Arten im eigenen Garten Einzug. Doch sind diese bedrohten Pflanzen überhaupt dafür geeignet? Und wie können Privatpersonen sie erwerben?

Aktiv gegen die Biodiversitätskrise – mithilfe einer App

Auf diese Fragen hat das Forschungsteam im Rahmen einer Studie Antworten gefunden. Eine neu entwickelte App soll den Artenschutz vor der eigenen Haustür und auf dem Balkon erleichtern. Den diese haben laut der Studie das Potenzial, als grüne und bunt blühende Korridore und Zufluchtsorte zu fungieren – und die Kurve des Verlusts der biologischen Vielfalt umzukehren.

Bildliche Zusammenfassung der Roten Listen der deutschen Bundesländer. Trauriger Vorreiter mit mehr als 1.000 bedrohter Pflanzenarten ist Bayern. 

Foto von Pflanzenlisten für Conservation Gardening

Eine Meinungsumfrage des Bundesamts für Naturschutz aus dem Jahr 2021 zeigt: Zwar halten zwei Drittel der Deutschen den „Schutz der biologischen Vielfalt für eine vorrangige gesellschaftliche Aufgabe“, die Bereitschaft für aktiven Einsatz zur Erhaltung der Biodiversität hat allerdings abgenommen. Ein Großteil der Deutschen ist also offen für das aktive Mitwirken gegen die Biodiversitätskrise – vielen fehlt jedoch das nötige Know-how.

„Es bedarf neuer Ansätze, die Mensch und Biodiversität nicht mehr als voneinander getrennte Aspekte betrachten“, sagt Staude. Um also nicht nur dem Rückgang der heimischen Arten entgegenzuwirken, sondern zudem die Motivation der Bevölkerung wieder zu steigern, müsste das Wissen über heimische Pflanzen möglichst leicht und unkompliziert zur Verfügung stehen. 

Hier setzt die neu entwickelte Web-App Pflanzenlisten für Conservation Gardening an, die anhand der Studienergebnisse entwickelt wurde. Sie vereint Wissen über rückläufige oder regional ausgestorbene Pflanzen und deren kommerzielle Verfügbarkeit für Privatkund*innen. Je nach Bundesland stehen auf den Listen gefährdete Pflanzen, deren Anschaffung lobenswert wäre. „Wir haben herausgefunden, dass zum Beispiel in Hamburg rund die Hälfte der bedrohten Arten, nämlich 352, für das Gärtnern geeignet sind, in Bayern rund ein Drittel, also 321 Arten“, sagt Staude.

Gartengestaltung durch die Artenschutz-Brille 

Möchten Interessierte also ihren Beitrag zum Artenschutz leisten und zugleich das eigene Zuhause verschönern, kann die App eine hilfreiche Grundlage für die Garten- oder Balkongestaltung bieten. Ein Filter hilft etwa bei der Suche nach geeigneten Pflanzen für den auserkorenen Standort. Dazu kann man Gegebenheiten wie die Menge der Sonneneinstrahlung und Wasserzufuhr, oder den PH-Wert sowie den Nährstoffgehalt des Bodens einzeln oder in Kombination in der App angeben.

BELIEBT

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    “Knapp die Hälfte dieser Pflanzenarten bevorzugen trockene Böden. Bei herkömmlichen Gartenpflanzen sind es nur rund ein Drittel. Im Hinblick auf den Klimawandel ist dies ein beachtenswertes Ergebnis. ”

    von Ingmar Staude
    Universität Leipzig

    Andere Auswahlkriterien ermöglichen wiederum die Suche nach gewünschten Blütenfarben. Auch der Beitrag zur tierischen Artenvielfalt – für Bienen, Schmetterlinge, Vögel oder Säugetiere – kann berücksichtigt werden. Sogar zwischen geeigneten Pflanzen für Balkon oder Garten wird unterschieden. Besonders praktisch: Die Forschenden konnten einem Großteil der gefährdeten wilden Arten eine hohe Trockenheitstoleranz nachweisen. Zudem benötigen die Pflanzen laut der Studie im Durchschnitt weniger Dünger. Dies könnte die Bepflanzung von Städten und privaten Gärten erleichtern.

    Hat man Inspiration für passende Pflanzenarten gefunden, liefert die App hilfreiche Informationen für die Beschaffung, beispielsweise über auf Wildblumen spezialisierte Gärtnereibetriebe. Mehr als die Hälfte sind laut der Studie derzeit schon als Einzelpflanzen im Handel erhältlich. 

    Staude sieht diese Methode als echte Chance für die deutsche Artenvielfalt: „Conservation Gardening schärft das gesellschaftliche Bewusstsein für die Biodiversitätskrise, während gleichzeitig partizipative Maßnahmen ergriffen werden, um dem Rückgang heimischer Pflanzenarten entgegenzuwirken.“ 

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