Früher Siedler der britischen Inseln hatte dunkle Haut und blaue Augen

Der „Cheddar Man" gehörte zu einer Gruppe von Jägern und Sammlern, die vermutlich vor 11.000 Jahren zum Ende der letzten Kaltzeit nach Europa kamen.

Von Sarah Gibbens
Veröffentlicht am 9. Feb. 2018, 10:09 MEZ, Aktualisiert am 7. Okt. 2021, 11:04 MESZ
Durch eine Sequenzierung der DNA konnten Forscher auf die Augenfarbe, die Hautfarbe und den Haartyp schließen. ...
Durch eine Sequenzierung der DNA konnten Forscher auf die Augenfarbe, die Hautfarbe und den Haartyp schließen.
Foto von Tom Barnes, Channel 4

Eine Gesichtsrekonstruktion des 10.000 Jahre alten Skeletts des sogenannten Cheddar Man ermöglicht einen Blick in ein Gesicht mit blauen Augen, dunkler Haut und leicht lockigem Haar.

„Das überrascht vielleicht die Öffentlichkeit, aber keine Genetiker, die sich mit alter DNA beschäftigen“, sagt Mark Thomas, ein Wissenschaftler des University College London.

Eine neue Analyse der DNA des Mannes belegt, dass er eine genetische Ähnlichkeit mit anderen dunkelhäutigen Individuen der Mittelsteinzeit aufweist, die man in Spanien, Ungarn und Luxemburg gefunden hat. Damit zählt der Cheddar Man zu einer Gruppe von Jägern und Sammlern, die vermutlich vor 11.000 Jahren zum Ende der letzten Kaltzeit nach Europa kamen.

Der Cheddar Man trägt seinen Namen nicht etwa aufgrund einer Vorliebe für Käse, dessen Herstellung wahrscheinlich erst 3.000 Jahre später begann, sondern wegen seiner Fundstelle. Er wurde im Cheddar Gorge im englischen Somerset entdeckt (von dort stammt allerdings auch der Cheddar-Käse).

Gesicht einer alten Königin erstmals enthüllt
Fast 1.200 Jahre nach ihrem Tod rekonstruierten Wissenschaftler das Gesicht einer peruanischen Königin. Die 2002 entdeckte Frau war in einem Grab bestattet worden, in dem noch 57 weitere adelige Frauen lagen. Mit Hilfe eines 3D-Drucks ihres Schädels wurden ihre Gesichtszüge von Hand nachgebaut.

Thomas ist Teil eines großen Teams, das am Natural History Museum in London an der Rekonstruktion des Gesichts gearbeitet hat.

Die Wissenschaftler begannen den Prozess mit der Vermessung des Schädels.

„Er hat eine dicke, wuchtige Hirnschale und einen relativ leichten Kiefer“, erzählt er.

Danach sequenzierten die Forscher das gesamte Genom des Cheddar Man. Damit ist es das bisher älteste britische Skelett, bei dem man eine Genkartierung vorgenommen hat. Aus der Sequenzierung konnten sie auf die Augenfarbe, die Hautfarbe und den Haartyp schließen.

Um den Cheddar Man zum Leben zu erwecken, nutzten die erfahrenen Modellbauer Adrie und Alfons Kennis aus den Niederlanden 3D-Scans und -Drucke, um ein bisschen „Fleisch“ auf die rekonstruierten Knochen zu bringen.

Farbe aus alten Genen

Dank neuer Sequenzierungstechnologien können Wissenschaftler nun riesige Datenmengen durchsuchen, sagt Thomas. Dadurch konnte sich das Team ein besseres Bild davon machen, wie der Cheddar Man wohl ausgesehen hat.

Die Gene, welche die Hautfarbe bestimmen, sind auf diverse Chromosomen verteilt, sagt Miguel Vilar, der Wissenschaftsmanager für das Genome Projekt von National Geographic. Vilar war an der Rekonstruktion nicht beteiligt, sagt aber, dass die Wissenschaftler wohl Milliarden von Datenpunkten überprüfen mussten – etwas, das bei so alter DNA in der Vergangenheit nicht möglich war.

Die neuen Sequenzierungstechniken vereinfachen das Auslesen dieser verstreuten Chromosomen, erklärt er.

„Das ist, als würde man sich ein altes Buch nehmen und ein ganzes Kapitel ansehen anstatt nur ein einzelnes Wort. Jetzt können wir ganze Paragrafen lesen.“

„Die Augenpigmentierung wird durch ein bestimmtes Gen und eine bestimmte Variation innerhalb des Gens definiert“, sagt Thomas. „Bei der Hautfarbe gibt es eine Reihe von Variationen.“

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BELIEBT

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    Wie und wann die Einwohner der britischen Inseln im Laufe der Zeit zu ihrer hellen Hautfarbe kamen, weiß man aktuell noch nicht.

    „Wir glauben, das liegt daran, dass hellere Haut mehr UV-Strahlen durchlässt, die bei der Aufspaltung von Vitamin D helfen“, sagt Vilar. In gemäßigteren Klimazonen mit weniger Sonnenlicht mussten die Menschen mehr Strahlung absorbieren können, um dieses Vitamin aufzuspalten, das für ein gesundes Knochenwachstum von essentieller Bedeutung ist.

    „Meiner Meinung nach ist das die beste Theorie für die Hautpigmentierung“, sagt Thomas. „Das erklärt aber nicht die Augenfarbe. Dabei spielen andere Vorgänge eine Rolle. Das könnte sexuelle Selektion sein. Es könnte aber auch etwas ganz Anderes sein, das wir noch nicht verstehen.“

    Eine andere Theorie, die in einer Studie aus dem Jahr 2014 vorgestellt wurde, besagt, dass die Menschen mit dem Beginn des Ackerbaus keinen so vielfältigen Speiseplan mehr hatten und daher mehr Vitamin durch Sonneneinstrahlung bilden mussten.

    Heutzutage, fügt er hinzu, versorgt die moderne Ernährung die Menschen auch ohne viel Sonnenlicht mit genügend Vitamin D.

    Die Bestimmung der Hautfarbe ist aber nur ein kleiner Teil des Projekts, wie Thomas mitteilt. Die Forscher sehen sich an, wie Veränderungen in der Ernährung und der Kontakt zu Krankheitserregern sich in den letzten 10.000 Jahren auf die Bevölkerung ausgewirkt haben.

    „Wenn man die Veränderungen messen kann, die im Laufe der Zeit in der genetischen Varianz auftreten“, sagt er, „kann man quasi die Evolution einfangen, während sie gerade stattfindet.“

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