Größter fleischfressender Dino jagte im Wasser, schwamm aber schlecht

Trotz seiner engen Beziehung zum Wasser eignete sich der Körperbau des Spinosaurus wohl nicht gut zum Schwimmen.

Von Michael Greshko
Veröffentlicht am 20. Aug. 2018, 17:47 MESZ, Aktualisiert am 25. Nov. 2021, 12:25 MEZ
Ein lebensgroßes Modell des Skeletts eines Spinosaurus aegyptiacus, dem größten fleischfressenden Dinosaurier, der je gefunden wurde.
Ein lebensgroßes Modell des Skeletts eines Spinosaurus aegyptiacus, dem größten fleischfressenden Dinosaurier, der je gefunden wurde.
Foto von Rebecca Hale

Vor etwa 100 Millionen Jahren trieb sich ein mehr als 15 Meter langer Dinosaurier an der urzeitlichen Küste des heutigen Marokko herum. Sein krokodilhafter Schädel schnappte dabei nach Fischen und anderen Tieren. Wissenschaftler waren sich aber uneins darüber, wie genau dieses Raubtier – Spinosaurus aegyptiacus – seine Beute im Wasser verfolgte.

Im Jahr 2014 argumentierte der National Geographic Explorer Nizar Ibrahim in einer wegweisenden Studie, dass der Spinosaurus sich größtenteils im Wasser aufhielt und seine dort lebende Beute schwimmend – oder gar tauchend – verfolgte. Damit wäre er der erste bekannte Dinosaurier, der ein solches Verhalten zeigte. Nun wird in einer neuen Studie behauptet, dass der Spinosaurus trotz seiner Vorliebe für Fisch kein besonders guter Schwimmer war.

Bei der Analyse, die in „PeerJ“ veröffentlicht wurde, kamen Computermodelle zum Einsatz, die simulierten, wie sich das große Tier über Wasser hielt. Die Ergebnisse lassen vermuten, dass der Spinosaurus über einen zu großen Auftrieb verfügte, um seine Beute tauchend zu verfolgen. Aufgrund seiner schlanken Statur und seines Schwerpunkts hätte er wohl auch dazu geneigt, zur Seite zu kippen.

„Ich habe aufgezeigt, was meiner Meinung nach die Probleme an der Hypothese [von Ibrahims Team] sind. Wenn sie dem nicht mit neuen Beweisen entgegentreten können, hat ihre Hypothese keine Chance“, sagt Don Henderson. Der Autor der neuen Studie ist der Kurator für Dinosaurier am Royal Tyrrell Museum of Palaeontology in Alberta, Kanada. „Man sagt, dass sich die Wissenschaft selbst korrigiert. Hier sieht man ein bisschen Selbstkorrektur in Aktion.“

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Die Dinosaurier beherrschten die Welt rund 140 Millionen Jahre lang – bis sie plötzlich verschwanden. Heute wissen wir, dass der Asteroideneinschlag im Chicxulub-Krater das Ende der Herrschaft der Dinosaurier vor 66 Millionen Jahren einläutete. Aber jahrzehntelang waren sich die Forscher nicht sicher, was mit diesen faszinierenden Kreaturen geschah. Die Wissenschaftler arbeiten noch immer an dem großen Puzzle, das uns offenbart, was den Dinosauriern widerfuhr.

Auch wenn das letzte Wort zur Schwimmtauglichkeit des Spinosaurus noch nicht gesprochen sein mag, sollten die aktuellen Befunde die Debatte um das Jagdverhalten des gewaltigen Fleischfressers erneut aufleben lassen.

„Die Arbeit scheint recht überzeugend zu zeigen, dass die Körperform des Spinosaurus nicht sehr gut an das Schwimmen und Tauchen unter Wasser angepasst war“, sagt der Paläontologe Tom Holtz von der University of Maryland, der an der Studie nicht beteiligt war.

Praktisch unsinkbar?

Unabhängig davon, wie gut sich der Dinosaurier im Wasser bewegen konnte: Der Spinosaurus und seine Verwandten – die Spinosauridae („Stachelechsen“) – waren auf aquatische Ökosysteme angewiesen. In ihren Mägen fand man Fischschuppen, und die Knochen der großen Fleischfresser wurden an ehemaligen Küsten und Flussbetten entdeckt.

Der Kiefer des Dinosauriers ähnelt dem der heutigen Hechtconger-Art Muraenesox bagio: Das Maul beider Tiere verjüngt sich und fächert sich schließlich ein einzelne „Rosetten“ aus kegelförmigen Zähnen auf. Diese Struktur ist besonders für das Fangen glitschiger Fische in trüben Gewässern geeignet. Bezeichnenderweise lassen die chemischen Signaturen der Spinosaurus-Überreste vermuten, dass die Tiere den Großteil ihres Lebens im Wasser verbrachten, ähnlich den heutigen Krokodilen.

„Es gibt massenweise spannende Abhandlungen, die immer mehr Hinweise auf einen wahrhaft wasseraffinen Spinosaurus liefern“, sagt Ibrahim, ein Paläontologe der University of Portsmouth. „Die Details darüber, wie genau sich diese Tiere im Wasser bewegten und ihre Beute fingen, sind offensichtlich der kompliziertere Teil der Forschung.“

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    Um die Schwimmbewegungen des Spinosaurus zu erforschen, erstellte Henderson auf Basis von Ibrahims Skelettrekonstruktion ein 3D-Modell des Dinosauriers. Dabei schenkte er dem etwa 1,50 langen, massigen Skelettsegel des Tieres besonders viel Aufmerksamkeit. Um seine Methode zu validieren, erstellte er damit auch Modelle für Alligatoren und Kaiserpinguine, deren Schwimm- und Tauchbewegungen in seinen Simulationen ähnlich ausfielen wie in der Realität.

    Zunächst überprüfte Henderson, ob ein schwimmender Spinosaurus seinen Kopf über Wasser halten konnte. Seinen Simulationen zufolge konnte er das, allerdings auch nicht besser als andere seiner Verwandten wie der T. rex und der Baryonyx. Außerdem fand er heraus, dass der Spinosaurus „unsinkbar“ war: Selbst, wenn seine Knochendichte höher gewesen wäre oder er drei Viertel der Luft aus seinen Lungen ausgestoßen hätte, wäre ihm das Tauchen immer noch schwergefallen.

    Hendersons Modell zeigte auch, dass sein Massenschwerpunkt sich über und zwischen seinen Hinterläufen befand. Das bedeutet, dass das Tier geschickt auf zwei Beinen hätte laufen können. Im Gegensatz dazu hatte Ibrahim den Schwerpunkt etwas weiter vorn platziert und vermutete, dass der Dinosaurier daher an Land eher auf allen Vieren lief.

    Die hinteren Gliedmaßen des Spinosaurus waren allerdings ungewöhnlich kurz, weshalb sein Gang im Vergleich mit seinen Verwandten wohl eher dem eines Dackels geähnelt hätte. „Es sind kurze Stummelbeine“, sagt Holtz. „Der Spinosaurier lief nicht gerade mit Reisegeschwindigkeit durch die Landschaft.“

    Als nächstes untersuchte Henderson, ob der Dinosaurier sich im Wasser gerade halten konnte. Er erstellte Querschnitte des Spinosaurus und des Mississippi-Alligators, die er dann in einem 20-Grad-Winkel zur Seite kippte. Ähnlich wie ein Kajak schaukelte der Querschnitt des Alligators vor und zurück, bis er sich wiederaufgerichtet hatte. Der Querschnitt des Spinosaurus kippte jedoch komplett zur Seite und blieb dort liegen.

    „Alle heutigen semquatischen Tiere sind selbstaufrichtend. Sie kämpfen nicht konstant darum, aufrecht zu bleiben“, sagt Henderson. „Die natürliche Haltung des Spinosaurus war aber keine aufrechte.“

    Ein Leben im Wasser

    In einem Telefoninterview begrüßte Ibrahim Hendersons neue Studie, äußerte aber auch ein paar Bedenken.

    Zunächst einmal, so sagt er, hätte Henderson seine Modelle nicht auf Basis einer eigenen Untersuchung der Knochen erstellt, die sich in einer von Ibrahim mitkuratierten Sammlung befinden. Wie alle Bereiche der Paläoanthropologie birgt auch die Erstellung von Modellen urzeitlicher Tiere ihre ganz eigenen Fehlerquellen. Künftige Modelle könnten von einer größeren Anzahl an Fossilien profitieren. Ibrahim zufolge wurden weitere Spinosaurus-Knochen gefunden und aktuell formal beschrieben.

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    „Es ist gut, Modelltechniken zu benutzen. Aber wir brauchen mehr davon, und wir brauchen mehr Modelle, die tatsächlich direkt auf den Fossilien basieren“, sagt er. „Letztendlich liegt die Wahrheit in den Knochen verborgen, nicht in einem Computer.“

    Holtz fügt an, dass sich der Spinosaurus durchaus in einem frühen Entwicklungsstadium seiner semiaquatischen Lebensweise befunden haben könnte. „Man muss noch nicht zwingend über die notwendigen Werkzeuge für ein Verhalten verfügen, wenn man gerade erst beginnt, dieses Verhalten zu zeigen.“ Solche Adaptionen entwickeln sich im Laufe der Zeit.

    Henderson stellt sich das Tier wie einen Grizzlybären vor: eine Fischfressmaschine, die kein Problem hätte, in seichte Gewässer hinein- und wieder hinauszuwandern.

    Der Paläontologe David Hone von der Queen Mary University of London sagt, dass die Schwimmfähigkeit keinesfalls die Gretchenfrage für ein Leben im Wasser sein muss.

    „Reiher sind keine besonders guten Schwimmer, aber sie verbringen ihr Leben größtenteils knietief im Wasser und waten an den Rändern von Flüssen entlang“, sagt er. „‘Semiaquatisch‘ strapaziert es vielleicht etwas über, aber wir reden hier definitiv von einem Tier, dessen Ökologie grundlegend mit Wasser in Zusammenhang stand.“

    Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht

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