Lernen im Schlaf

Während des Schlafs gehen Informationen vom Kurzzeit- ins Langzeitgedächtnis über. Dabei können auch Nickerchen helfen – allerdings nicht bei jedem Menschen.

Von Victoria Jaggard
Veröffentlicht am 15. Okt. 2018, 12:17 MESZ
naps brain
Nickerchen können dabei helfen, den Zwischenspeicher des Kurzzeitgedächtnisses zu löschen und Platz für neue Informationen zu schaffen.
Foto von Joël Sartore, National Geographic Stock

Lernen im Schlaf – ja, das funktioniert gewissermaßen. 
 
Eine erholsame Nachtruhe und Power Naps während des Tages stärken unser Gedächtnis und tragen daher viel mehr zum Lernerfolg bei als durchlernte Nächte. 
 
Der Mechanismus dahinter ist zwar simpel, aber erst seit einigen Jahren wissenschaftlich nachgewiesen: Während des Schlafs werden Informationen, die im Speicher des Kurzzeitgedächtnisses im Hippocampus eingelagert sind, in die Datenbank des Langzeitgedächtnisses in die Großhirnrinde transferiert. 
 
Der Vorgang hilft dem Gehirn nicht nur bei der Informationsverarbeitung, sondern schafft auch Platz für die Aufnahme neuer Erfahrungen. 
 
Das bedeutet, es ist „nicht nur wichtig, nach dem Lernen zu schlafen, sondern von entscheidender Bedeutung, vor dem Lernen zu schlafen“, erklärte Matthew Walker 2010 in einer Pressekonferenz. Der Schlafforscher der University of California in Berkeley hatte im selben Jahr eine Studie über das Zusammenspiel von Schlaf und Erinnerung veröffentlicht. 
 
„Schlaf bereitet das Gehirn vor, damit es wie ein trockener Schwamm neue Informationen aufsaugen kann.“ 

Power Naps

Für die entsprechende Studie hatten Walker und seine Kollegen 39 Jugendliche gebeten, mehrere Aufgaben zu lösen, für die das Erlernen von Fakten eine Rolle spielte. 
 
Nach der ersten Runde hielt eine der zwei Gruppen ein 90-minütiges Nickerchen, während die andere Gruppe wach blieb. 
 
Im Anschluss widmeten sich beide Gruppen einer neuen Runde Aufgaben. Die Gruppe, die zwischendurch nicht geschlafen hatte, schnitt deutlich schlechter ab als die Nickerchen-Gruppe.  
 
Eine Messung der elektrischen Aktivität im Gehirn der ausgeschlafenen Teilnehmer ergab, dass sich ihr „Zwischenspeicher“ während der Phase 2 des Non-REM-Schlafs geleert hatte.  

Die „Traumphase“ des Schlafs, die allgemein als REM-Phase bekannt ist, definiert für viele Leute vermutlich den Schlafzustand. Tatsächlich verbringen Menschen aber etwa die Hälfte der Nacht in der zweiten Phase des Non-REM-Schlafs. 

REM-Schlaf ist für komplexe Denkprozesse unerlässlich, beispielsweise für die Herstellung nicht offensichtlicher Verbindungen zwischen zuvor erlernten Fakten. 
 
„Wenn man ein Problem hat, sagt ja auch niemand, dass man ‚darüber wach bleiben sollte‘“, witzelte er.  
 
Stattdessen ist Schlaf – genauer gesagt die REM-Phase – eine Möglichkeit für das Gehirn, Informationen zu betrachten, die zunächst nichts miteinander zu tun zu haben scheinen, und dann kreative Lösungen zu finden. 
 
Tatsächlich könnten unsere Träume sogar eine Art Testgebiet für diese unbewusste Art der Problemlösung sein. 
 
Nickerchen sind nicht für jeden 
 
Leider bedeutet das aber nicht, dass jeder von einer nachmittäglichen Siesta profitieren würde, erklärte Sara Mendrick, eine Professorin für Psychiatrie an der University of California, San Diego. 
 
Einige Leute wachen von Nickerchen eher erschöpft und verwirrt auf, was an der sogenannten Schlafträgheit liegt.  
 
„Das passiert, wenn man während der Tiefschlafphase aufwacht“, sagte sie. Da die Hirntemperatur und der Blutfluss während dieser Phase abnehmen, kann es regelrecht anstrengend sein, plötzlich aufzuwachen und intensivere Hirnaktivität zu erleben, obwohl der Körper sich darauf noch gar nicht vorbereiten konnte. 
 
Frühere Studien hatten gezeigt, dass Menschen, die regelmäßig Nickerchen halten, oft einen leichten Schlaf haben. Das bedeutet, dass sie während der ersten Stunden des Schlafes viel weniger Zeit in einer tiefen Non-REM-Phase verbringen. 
 
Wer sich nach Nickerchen eher erschöpft fühlt, könnte Mendrick zufolge ähnliche Verbesserungen bei der Performance erzielen, wenn er sich einfach eine kurze mentale Auszeit gönnt: 
 
„In manchen Fällen erhält man durch etwas Ruhe die gleichen Vorteile für das Gedächtnis wie durch ein Nickerchen.“ 

Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.

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