Ist die Diphtherie erneut auf dem Vormarsch?

In Europa gilt die hochansteckende Krankheit dank Impfungen als sehr selten. In jüngster Zeit wurden jedoch wieder ungewöhnlich viele Infektionen gemeldet.

Das Bakterium Corynebacterium diphtheriae unter dem Mikroskop. Es löst die lebensbedrohliche Krankheit Diphtherie aus. 

Foto von Albert stain / Wikimedia Commons
Von Marina Weishaupt
Veröffentlicht am 14. Apr. 2023, 15:58 MESZ

Nach einigen Einzelfällen meldete das Robert-Koch-Institut (RKI) bereits im September 2022 einen verhältnismäßig hohen Anstieg an Infektionen mit dem Bakterium Corynebacterium diphtheriae. Bisher wurden 169 Fälle gezählt. Ungewöhnlich viele – galt die Diphtherie doch hierzulande für einige Jahrzehnte als nahezu vollständig besiegt. 

Doch auch andere Länder berichten über erhöhte Fallzahlen im Jahr 2022: So gab es in Österreich 62 Infektionen und Großbritannien vermeldete rund 60 Fälle mehr als durchschnittlich üblich. Ein scheinbar internationaler Diphtherie-Ausbruch, wie aus Veröffentlichungen des European Congress of Clinical Microbio­logy & Infectious Diseases (ECCMID) 2023 hervorgeht. 

Das RKI meldet seit mehreren Wochen wieder rückläufige Fallzahlen. Allerdings gilt der internationale Ausbruch noch nicht als überstanden, die aktuelle Lage muss weiterhin überwacht werden. Auch der genaue Ursprung des Ausbruchs wurde noch nicht lokalisiert. 

Diphtherie in Deutschland, Europa und der Welt

Zunächst sind Meldungen über Infektionen mit Corynebacterium diphtheriae nichts sonderlich Besorgniserregendes – das Bakterium kommt schließlich weltweit vor. Ebenfalls sanken die weltweiten Fallzahlen innerhalb der letzten 40 Jahre im Zuge einer erfolgreichen Grundimmunisierung erheblich. Dennoch bleibt die Diphtherie in afrikanischen und südostasiatischen Regionen sowie dem östlichen Mittelmeerraum endemisch. Die meisten Fälle treten in subtropischen Ländern wie Indien auf. 

Gummiente & Co: Ein Paradies für Bakterien
Eine Studie lässt darauf schließen, dass sich Bakterien an mehr Oberflächen als gedacht befinden – sogar in Gummienten.

In Europa kam es zuletzt in den 1990er Jahren zu einem größeren Ausbruch. Dieser fand vor allem in den Ländern der ehemaligen Sowjetunion statt und hatte zehntausende Infektionen und tausende Todesfälle zur Folge. Zurückzuführen waren diese auf eine geringe Anzahl an Impfungen und einer demzufolge niedrigen Immunisierung. 

Deutschlandweit trat die Krankheit nach fast 40 Jahren erstmals 2019 wieder auf. Seitdem kam es lediglich zu Einzelfällen – bis das RKI 2022 eine Häufung von Infektionen meldete. Ihr Ursprung lag vermutlich nicht in Deutschland selbst, sondern in den Balkanländern.

Respiratorische Diphtherie und Hautdiphtherie

Erstmals entdeckt wurde der Erreger Corynebacterium diphtheriae im Jahr 1884 durch die Ärzte Edwin Klebs und Friedrich Loeffler. Die hochansteckende Infektionskrankheit war zu dieser Zeit für einen Großteil der Kindersterblichkeit verantwortlich. Durchschnittlich 50.000 Kinder starben jährlich an dem Bakterium. Der tödliche Auslöser ist dabei ein Gift, mit dem das Bakterium Körperzellen zerstört.

Es wird zwischen zwei Hauptformen der Diphtherie unterschieden. Die Übertragung der Respiratorischen Diphtherie erfolgt durch Tröpfcheninfektion mit einer Inkubationszeit von zwei bis fünf Tagen. Dabei befällt das Bakterium etwa lokal den Rachen, den Kehlkopf oder allgemein die Atemwege. Typische Symptome sind Halsschmerzen, Husten, Heiserkeit, Fieber und zunehmende Atemnot durch einen stark anschwellenden Hals.

BELIEBT

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    Einen anderen Übertragungsweg hat die sogenannte Hautdiphtherie. Bei ihr befällt das Bakterium die Haut und sorgt meist an den Beinen für schmerzhafte Rötungen, Schwellungen sowie offene Wunden mit schmierigen, hochinfektiösen Belägen. Eine Ansteckung kann durch direkten Kontakt mit Betroffenen, deren Wundsekreten oder unter schlechten hygienischen Verhältnissen durch kontaminierte Gegenstände geschehen.

    Schutzmaßnahmen

    Unbehandelt verläuft die Infektion in 25 Prozent der Fälle tödlich, beispielsweise durch gefährliche Herzmuskelentzündungen. Unter Behandlung verringert sich die Sterblichkeit auf fünf bis zehn Prozent: Bereits 1890 entwickelten Emil von Behring und Shibasaburo Kitasato unter der Anleitung von Robert Koch ein Heilserum. Die daraufhin durch Behring entwickelte Impfung sorgte schließlich für den Durchbruch gegen die Diphtherie. 

    Ihr Schlüssel: Anti-Toxine, die als Abwehrstoffe gegen das Gift des Bakteriums dienen und auch heute noch für eine Immunisierung sorgen. Seit der Einführung des Impfprogrammes konnte so die Respiratorische Diphtherie weitestgehend besiegt werden. Die Ständige Impfkommission (STIKO) und das RKI empfehlen die Standardimpfung bereits im Säuglingsalter. Nach einer Grundimmunisierung werden Auffrischungsimpfungen im Abstand von 10 Jahren empfohlen. So könnten auch künftige Diphtherie-Ausbrüche am effektivsten vermieden werden.

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