Wie ein durchschnittlicher Mensch seinen Tag verbringt

Schlafen, essen, Freunde treffen: Jeder verbringt seinen Tag anders. Forschende haben jetzt ermittelt, wofür die Weltbevölkerung ihre Zeit aufwendet. Ihre Studie zeigt: Wäre die Welt ein Mensch, hätte er viel Zeit für sich und andere – und den Schlaf.

Von Katarina Fischer
Veröffentlicht am 23. Juni 2023, 15:38 MESZ
Menschen überqueren einen Zebrastreifen.

8 Milliarden Menschen leben auf der Welt – und jeder von ihnen verwendet seine Zeit anders. Der Durchschnitt aus all ihren Aktivitäten zeigt, wie der „globale Mensch“ seinen Tag verbringen würde.

Foto von eyetronic / adobe Stock

Egal, ob alt oder jung, arm oder reich: Die Zahl der Stunden, die uns täglich zur Verfügung stehen, ist für alle Menschen gleich: 24. Bei einer Weltbevölkerung von 8 Milliarden Menschen macht das insgesamt 190 Milliarden Stunden, die rund um den Globus mit Leben gefüllt werden wollen.

Doch wie genau nutzen wir diese 24 Stunden? Investieren wir mehr Zeit in unser Privatleben oder in den Job? Dieser Frage ist ein Forschungsteam der McGill University in Montréal, Kanada, im Rahmen einer Studie nachgegangen, die in der Zeitschrift PNAS erschienen ist.

„Wir wollten herausfinden, wie sich die Weltbevölkerung im Schnitt ihre Zeit einteilt“, sagt Erstautor William Fajzel, Doktorand in Erdsystemwissenschaften an der McGill University. „Anders gesagt: Wäre die Welt ein einziger Mensch, wie würde sein Tag aussehen?“

Der Tag in seine Einzelteile zerlegt

Um diese Frage zu beantworten, führte das Studienteam Zeit- und Arbeitsdaten zusammen, die im Zeitraum zwischen den Jahren 2000 und 2019 erhoben wurden. Spätere Jahre, die durch die Corona-Pandemie geprägt waren, wurden bewusst nicht mit einbezogen, um das Bild nicht zu verzerren. Die Daten stammen aus über 140 Ländern der Erde und repräsentieren somit rund 87 Prozent der Weltbevölkerung.

Um sich einen strukturierten Überblick zu verschaffen, teilten die Forschenden alle Aktivitäten, die die Menschen im Wachzustand durchführten, entsprechend ihrem Zweck in 24 Kategorien und drei übergeordnete Gruppen ein.

Die erste Gruppe umfasst Aktivitäten, die die Umwelt verändern – darunter die Erzeugung und Bereitstellung von Nahrungsmitteln und Energie, Baumaßnahmen oder Instandhaltung und Pflege der Umgebung. In der zweiten Gruppe sind alle Aktivitäten – Körper- und Gesundheitspflege, Bildung, Religion, Hobbys, Erholung, Sport, Medienkonsum und soziale Kontakte – eingeschlossen, die auf den menschlichen Geist und Körper ausgerichtet sind. In der dritten Gruppe sind organisatorische und gesellschaftliche Aktivitäten wie Transport, Handel, Verwaltung und Finanzen zusammengefasst.

BELIEBT

    mehr anzeigen

    Voronoi-Diagramm des globalen menschlichen Tags. Die drei Hauptgruppen unterteilen sich in Aktivitäten mit direkten Auswirkungen auf  Körper und Geist (blau), Aktivitäten, die die unmittelbare Umgebung beeinflussen (gelb) und Aktivitäten mit organisatorischem Zweck (dunkelgrau). Da der Mensch im Schlaf inaktiv ist, ist dieser Bereich vom Diagramm losgelöst dargestellt.

    Foto von William Fajzel et al.

    Insgesamt bildet der Datensatz fast 4.000 unterschiedliche Aktivitäten ab. Schlaf ist eine davon – und zudem die, die die meiste Zeit in Anspruch nimmt. Etwas mehr als 9 Stunden verbringt der globale Mensch jeden Tag damit, in den Schlaf zu finden oder tatsächlich zu schlafen.

    Ebenfalls etwa 9 Stunden werden in Aktivitäten der Kategorie zwei investiert. Somit verwendet der globale Mensch den größten Teil seiner wachen Zeit darauf, sich um sich selbst oder andere zu kümmern.

    Von den verbliebenen sechs Stunden entfallen 45 Minuten auf die Instandhaltung, das Säubern und Aufräumen des Zuhauses, aber nur 15 Minuten auf den Bau von Infrastruktur und Gebäuden. Etwa eine Stunde wird im Schnitt mit dem Anbau und Ernten von Nahrung sowie ihrer Zubereitung, mit Pendeln, Fortbewegung und Organisation verbracht.

    Globaler Mensch: Querschnitt durch die Weltbevölkerung

    Der hypothetische globale Mensch ist der Durchschnitt der Summe Milliarden tatsächlicher Menschen, die auf diesem Planeten leben. Informationen verschiedenster Alters- und Berufsgruppen aus den unterschiedlichsten gesellschaftlichen Schichten sind in den Datensatz eingeflossen. Das wird zum Beispiel an der Gesamtzeit, die er mit dem Schlafen verbringt, deutlich, die durch die Daten von Jugendlichen, die tendenziell länger schlafen, erhöht wird.

    Ebenso tauchen in dem Studienergebnis Aktivitäten auf, denen nicht jeder Mensch nachgeht, weil zum Beispiel auch Informationen von Ärzten, Landwirten, der Baubranche oder Verwaltungsangestellten berücksichtigt wurden. Im Durchschnitt geht der globale Mensch nur 2,6 Stunden am Tag einem Beruf nach. Diese Zahl erscheint niedrig. Da aber nur zwei Drittel der Weltbevölkerung im erwerbsfähigen Alter zwischen 15 und 64 Jahren sind, ergibt sich daraus für diese Gruppe eine 40-Stunden-Woche.

    Eine interessante Erkenntnis der Studie ist, dass der Zeitaufwand für private Aktivitäten wie Reisen, Körperpflege, Hobbys und Mahlzeiten nicht durch materiellen Wohlstand beeinflusst wird. Er ist durch alle gesellschaftlichen Schichten hindurch vergleichbar. Anders sieht es bei der Zeit aus, die in den Anbau und die Beschaffung von Lebensmitteln investiert wird. In Ländern mit niedrigem Einkommen beläuft sie sich auf eine Stunde, Menschen in Ländern mit hohem Einkommen verbringen mit diesen Aktivitäten weniger als fünf Minuten pro Tag.

    Grundlage für potenzielle Veränderungen

    Unsere täglichen Aktivitäten haben nicht nur einen Einfluss darauf, wie jeder von uns ganz individuell sein Leben wahrnimmt, sondern auch auf die Welt, die wir uns alle teilen. So verwendet der globale Mensch derzeit nur etwa eine Minute am Tag auf die Abfallentsorgung und Müllvermeidung. „Wir haben enorme globalen Herausforderungen zu bewältigen, und das erfordert neue Perspektiven darauf, wie die Welt funktioniert", sagt Hauptautor Eric Galbraith, Professor für Erdsystemwissenschaften an der McGill University.

    Das Gesamtbild spiele eine wesentliche Rolle, um den Klimawandel und den Verlust der biologischen Vielfalt nachhaltig abzuwenden, sich dem technologischen Wandel anzupassen und die weltweiten Entwicklungsziele zu erreichen. „Wir müssen verstehen, wie das globale menschliche System funktioniert, um zu erkennen, wo das Potenzial für Veränderungen liegt“, so Galbraith. Ein erster Schritt ist mit der Studie getan.

    loading

    Nat Geo Entdecken

    • Tiere
    • Umwelt
    • Geschichte und Kultur
    • Wissenschaft
    • Reise und Abenteuer
    • Fotografie
    • Video

    Über uns

    Abonnement

    • Magazin-Abo
    • TV-Abo
    • Bücher
    • Disney+

    Folgen Sie uns

    Copyright © 1996-2015 National Geographic Society. Copyright © 2015-2024 National Geographic Partners, LLC. All rights reserved