Versteckt vor 400 Jahren: Geheimer Münzschatz in Eisleben entdeckt

Ein spektakulärer Fund sorgt in Sachsen-Anhalt für Aufsehen. Restauratoren haben in der St. Andreaskirche in Eisleben 816 Münzen entdeckt. Seit dem Dreißigjährigen Krieg lagerten sie unbemerkt im Bein einer Statue. Wer versteckte das Vermögen – und warum?

Von Insa Germerott
Veröffentlicht am 17. Jan. 2025, 15:42 MEZ
Verschiedene Münzen liegen neben Beuteln und einem Papier mit Beschriftung.

Einige Münzen des Schatzes von Eisleben. Wer hat das kleine Vermögen versteckt?

Foto von U. Dräger, Halle

Im Mai 2022 machen Restauratoren in der Lutherstadt Eisleben im Landkreis Mansfeld-Südharz einen außergewöhnlichen Fund. Bei Restaurierungsarbeiten in der spätgotischen St. Andreaskirche stoßen sie in der Statue eines Adligen auf vier prall gefüllte, zugebundene Ledersäckchen. Darin: ein Schatz, bestehend aus 816 verschiedenen Münzen, die dort seit knapp 400 Jahren im Verborgenen lagen. 

Eine Kirchenkasse aus dem 17. Jahrhundert

Versteckt war der Münzschatz in der Wade der Kirchenstatue. Diese ist Teil eines sogenannten Epitaphs, einer Gedenktafel, die im Jahr 1567 für Graf Johann Albrecht I. von Mansfeld-Arnstein und seine Frau, Gräfin Magdalena, errichtet wurde. 

Galerie: Der versteckte Münzschatz von Eisleben

„Es grenzt schon an ein Wunder, dass der Schatz nicht früher ans Licht kam“, sagt Ulf Dräger vom Landesmünzkabinett Sachsen-Anhalt im Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale), der sich mit der Untersuchung des Schatzes befasst. Er sei allerdings auch nicht allzu leicht zu finden gewesen: „Um an ihn heranzukommen, brauchte es immerhin eine sehr hohe Leiter und ein wenig Geschick.“ 

Beim Entpacken der Ledersäckchen kamen unter anderem mehrere Dukaten, eine wertvolle Goldmünze namens Golden Angel und verschiedene Taler zum Vorschein. Die größte Masse aber bildeten etwa 800 Groschen, so Münzexperte Dräger. Die ältesten Münzen wurden wahrscheinlich Mitte des 14. Jahrhunderts geprägt, die jüngste im Jahr 1638. 

„Die wertvollsten Goldmünzen waren in Papier eingewickelt, dessen Beschriftung belegt, dass es sich um eine Kirchenkasse handelt“, sagt Dräger. Historische Belege für eine solche Kasse gibt es sogar: Ab 1561 habe es in Eisleben die „Aerarum Pastorale“ gegeben – eine Kasse zur Ausbildungsförderung von Theologen, als Renten- und Krankenkasse und als Sozialversicherung für die Pfarrer. Die Einnahmen setzten sich damals aus besonderen Leistungen der Pfarrer zusammen – zum Beispiel für Taufen oder Hochzeiten – sowie aus Stuhlgeldern für die besten Plätze in den vorderen Reihen der Kirche. „Vielleicht haben wir diese Kasse jetzt vor uns“, sagt Dräger. 

In der deutschen Münzkunde ist dieser Fund bislang einzigartig, sagt Dräger. „In der Regel findet man den bäuerlichen Notgroschen für Zeiten von Ernteausfällen oder man entdeckt ein ähnliches Vermögen in alten Handelshäusern“, so der Numismatiker. „Aber eine solche kirchliche, gesellschaftliche Kasse ist etwas Besonderes.“

Wer hat den Schatz versteckt – und warum?

Doch aus welchem Grund wurden die Münzen im Epitaph versteckt und wieso hat die Person den Schatz dort vergessen? Die jüngste Münze fällt in die Zeit des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648): Ab 1635 kamen permanent schwedische Truppen zur Einquartierung nach Eisleben. „Seitdem gab es jeden Tag Nachrichten von Mord und Totschlag sowie von Plünderungen“, sagt Dräger. Jemand, der augenscheinlich gut mit Geld umgehen konnte, habe wohl in den turbulenten Zeiten den Schutz der Kirche gesucht. In diesen sei damals nicht geplündert worden. „Und um ganz sicher zu gehen, versteckt diese Person das Geld sogar noch in einem Epitaph, wo niemand die Totenruhe stören würde.“

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    Dräger vermutet, dass die Person ein Angestellter der Kirche war, zum Beispiel der Küster. Da die Chroniken aus den Kriegsjahren allerdings sehr unzuverlässig sind, lässt es sich nicht mehr genau rekonstruieren. „Es ist aber davon auszugehen, dass die Person in den Wirren des Krieges umgekommen ist und der Schatz deshalb in Vergessenheit geriet“, sagt der Museumsmitarbeiter. 

    Eine historisch wertvolle Münzsammlung

    Großes Pech für den Kirchenverwalter, großes Glück für Historiker*innen: Der Fund veranschaulicht die Kirchen- und Geldgeschichte des 17. Jahrhunderts in bisher nicht gekannter Weise. Mit der detaillierten Auswertung erhoffen sich die Forschenden neue Aussagen zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte Mitteldeutschlands. Für die anstehende wissenschaftliche Untersuchung und Dokumentation übergab die Kirchgemeinde den Schatz dem Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale) als Dauerleihgabe. 

    Jede einzelne Münze soll in den kommenden Wochen genau bestimmt und der Gesamtwert des Schatzes errechnet werden. „Im Moment kann ich nur sagen, dass es sich um ein absolut namhaftes Vermögen handelt. Viel mehr, als ein Handwerker in einem Jahr erwirtschaften konnte“, sagt Dräger. Hobby-Schatzsucher*innen muss der Numismatiker allerdings enttäuschen: „In der Kirche ist jetzt jede Ecke abgesucht. Dort wartet kein Schatz mehr darauf, gefunden zu werden.“

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