Alte Wahrzeichen werden Vorbilder für Nachhaltigkeit

Der Reichstag, der Eiffelturm und andere berühmte Gebäude wurden durch Umbaumaßnahmen für das 21. Jahrhundert fit gemacht.

Von Scott Elder
Veröffentlicht am 30. Mai 2018, 13:30 MESZ, Aktualisiert am 26. Jan. 2021, 16:39 MEZ
Auf dem Weg zur Glasdecke schreiten jährlich 2,5 Millionen Besucher die Spirale der modernen Glaskuppel auf ...
Auf dem Weg zur Glasdecke schreiten jährlich 2,5 Millionen Besucher die Spirale der modernen Glaskuppel auf dem historischen Reichstagsgebäude in Berlin entlang, dem vermutlich grünsten Parlamentsgebäude der Welt. Ein zentraler Trichter mit Spiegeln sorgt für Licht und Durchlüftung. Die moderne Glaskonstruktion ersetzte die historische Kuppel, die beim Reichstagsbrand 1933 und im Zweiten Weltkrieg beschädigt wurde.
Foto von Alessio Mamo, Redux

Die berühmtesten Gebäude der Welt haben ihren Status mitunter auch deshalb erlangt, weil ihre Architektur die Zeit überdauerte. Aber was verbirgt sich hinter ihren Fassaden?

Design und Ingenieurskunst entwickeln sich derzeit schneller als je zuvor. Das hat dazu geführt, dass viele städtische Bauten – die Hälfte aller Büroraume in New York City entstand vor 1945 – an Faktoren wie Nachhaltigkeit, Klimawandel und selbst Recycling scheitern.

Also Bühne frei für die Nachrüstung. Alternde Bauwerke erhalten neue Fenster, Beleuchtung, Sanitäranlagen und Klimaanlagen, wodurch die Besitzer und Betreiber Geld und Energie einsparen.

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In den USA und viele anderen westlichen Ländern entfällt ein Großteil des Stroms auf den Betrieb von Gebäuden, die mehr CO2 als der Industrie- oder Transportsektor erzeugen. Um im Kampf gegen den Klimawandel fortzubestehen, werden Städte effizientere Gebäude benötigen.

Ein paar historische Bauten dienen in diesem Kontext als Paradebeispiel für die Modernisierung anderer Bauwerke.

Reichstag

Nachdem die Mauer gefallen war und Deutschland 1990 die Wiedervereinigung feierte, gab es vor allem in Berlin bald zahlreiche Bauprojekte im ehemals kommunistischen Ostteil der Stadt. Dabei war ein Modernisierungsprojekt für das neue, vereinte Deutschland von besonderer Relevanz: der Umbau des Reichstagsgebäudes, dem ehemaligen und künftigen Sitz der Bundesregierung. Als die Umbauarbeiten 1999 abgeschlossen wurden, war das Bauwerk aus dem 19. Jahrhundert mehr als nur der Sitz der Legislative – er war ein Symbol für eine bessere Zukunft.

Das auffälligste Merkmal im Design des Hauptarchitekten Norman Foster ist die innovative Glaskuppel, die gemeinhin als Meisterwerk von Form und Funktion gilt. Ein Kegel aus Spiegeln wirft das natürliche Licht in den Plenarsaal unter der Kuppel, was die Notwendigkeit für künstliche Beleuchtung minimiert. Ein automatisches, mitfahrendes Sonnenschutzelement, das von einer Solaranlage auf dem Dach betrieben wird, schattet die Spiegel vor direkter Sonneneinstrahlung ab, um grelles Blendlicht und eine zu große Wärmegewinnung zu verhindern. Der Kegel führt außerdem verbrauchte Luft über den thermischen Auftrieb ab, ganz ohne Ventilatoren. Nachts strahlt die Beleuchtung des Plenarsaals aus der Kuppel nach außen, die Foster zufolge wie „ein Leuchtturm“ wirkt, „der die Kraft des deutschen demokratischen Prozesses signalisiert“.

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Auch die Klimaanlagen und die Stromversorgung des Reichstags sind innovativ und umweltfreundlich. Ein mit Biokraftstoff betriebener Generator vor Ort deckt 80 Prozent des Strombedarfs und erzeugt 90 Prozent der benötigten Wärme. Die Effizienz des Systems wird dabei von einer geothermischen Pumpe unterstützt, die überschüssige Wärme oder Kälte durch einen unterirdischen Rohrkreislauf leitet. Durch die energetischen Verbesserungen konnten die CO2-Emissionen um 94 Prozent reduziert werden.

Gebäude sind für Deutschlands ambitionierte Energieziele ein ausschlaggebender Faktor. Die derzeitige Politik sieht eine Reduzierung des Energieverbrauchs um 50 Prozent bis Mitte des Jahrhunderts vor. Gebäude sollen ihren Energieverbrauch bis dahin um 80 Prozent reduzieren, teils durch Baumaßnahmen, teils durch die eigene Produktion und Nutzung erneuerbarer Energien.

Foto von Gary Hershorn, Getty Images

Empire State Building

2012 wurden die neue LED-Beleuchtung des Empire State Building enthüllt. Die möglichen Farbvariationen der Lichter stiegen nicht nur von neun auf ein Kaleidoskop von Millionen an, der Stromverbrauch beträgt auch nur noch ein Viertel der alten Strahler. Obwohl die abendliche Light-Show alle Blicke auf sich zog, waren im Inneren des Gebäudes subtilere Veränderungen im Gange, die beweisen würden, dass man selbst alten Wolkenkratzern neues Leben einhauen kann.

Die Besitzer des Gebäudes mussten sich mit den ständigen Beschwerden der 30.000 Büroangestellten auseinandersetzen: Im Sommer wurde das Innere des Gebäudes aus Zeiten der Depression mitunter so warm, dass die Klimaanlagen es nicht mehr herunterkühlen konnten. Die konventionelle Lösung hätte darin bestanden, leistungsstärkere Klimaanlagen einzubauen, was mehr als 17 Millionen Dollar gekostet hätte. Stattdessen beschloss das Management, in Verbesserungen zu investieren, welche den Energieverbrauch senken und hoffentlich auch die anderen Probleme beseitigen würden.

Nachdem ein Expertenteam das Gebäude analysiert hatte, wurden mehr als 60 Verbesserungsvorschläge mit Hilfe von Computermodellen auf acht Ideen heruntergebrochen. Von diesen acht wurden die praktikabelsten und lohnenswertesten schließlich umgesetzt. Zu den Verbesserungen gehörten neue Komponenten für die Heizungs- und Klimaanlagen, Lichter, die sich tagsüber automatisch abdunkelten, und Isolierungen, die verhinderten, dass Heizungswärme durch die Außenwände des Gebäudes verschwand.

Insbesondere die 6.500 Doppelglasfenster des Wolkenkratzers erwiesen sich als verschwenderisch. Anstatt sie vollständig auszutauschen, wurden sie entfernt, vor Ort überholt und wieder eingebaut– alles nach den normalen Arbeitszeiten, damit der Betrieb nicht gestört wurde. Eine isolierende Folie, mit denen die Fenster ausgestattet wurden, sorgte dafür, dass im Sommer weniger Wärme von außen in das Gebäude dringt, während sie im Winter schlechter aus dem Gebäudeinneren entweichen kann.

Die 13 Millionen Dollar teure Nachrüstung des Gebäudes wurde 2013 abgeschlossen und sorgte dafür, dass der Energieverbrauch um 40 Prozent zurückging, was jährlich etwa 4 Millionen Dollar an Kosten einspart. Schätzungen zufolge sollen im Laufe von 15 Jahren so 105.000 Tonnen CO2 eingespart werden.

„Wir haben gehofft, dass die Leute erkennen, dass eine Nachrüstung eines ganzen Gebäudes in finanzieller Hinsicht ein klarer Fall ist“, sagt Cara Carmichael vom Rocky Mountain Institute, einer Partnerorganisation des Projekts. „Dieses Modell war ein großer Katalysator für die Industrie.“

Der Eiffelturm wurde im Rahmen vierjähriger Baumaßnahmen nachgerüstet, um seinen Energieverbrauch und seine CO2-Emissionen bis 2020 um 25 Prozent zu reduzieren. 1889 war Gustave Eiffels größte Sorge beim Entwurf des Turms noch seine Widerstandsfähigkeit gegen Wind. Mittlerweile nutzen zwei Horizontalrotoren den Wind, um Energie zu erzeugen.
Foto von Jacques Demarthon, AFP, Getty Images

Eiffelturm

Als am 4. November 2016 das Übereinkommen von Paris in Kraft trat, wurden die Lichter des Eiffelturms – die zu den berühmtesten der Stadt zählen – eingeschaltet, um das Ereignis zu feiern. Aber der Turm ist mehr als nur ein dekoratives Lichtspiel. Ganz im Sinne seiner ursprünglichen Raison d'Être als Symbol der Ingenieurs- und Baukunst wurde der Turm über einen Zeitraum von vier Jahren hinweg einer energetischen Sanierung unterzogen, die 2015 abgeschlossen wurde.

Auf der ersten Etage in etwa 58 Metern Höhe wurden die Räume des dort befindlichen Restaurants, des Gustave-Eiffel-Saals und des Geschäfts erneuert. Um die zehn Quadratmeter an Solarpaneelen wurden auf dem Dach der Etage installiert und erzeugen genügend Energie für etwa 50 Prozents des Warmwassers, das in diesen Bereichen genutzt wird. Neue Regensammelanlagen leiten Wasser zu den Toiletten und sparen somit Trinkwasser und reduzieren die Benutzung der Pumpen. Auch die LED-Beleuchtung hat den Energieverbrauch des Turms reduziert, und eine verbesserte Verglasung hat die Aufheizung durch Außenwärme um 25 Prozent reduziert, wodurch im Sommer weniger Notwendigkeit für den Einsatz der Klimaanlagen besteht.

Der Eiffelturm spart aber nicht nur Energie ein, er produziert auch selbst welche. Über dem Restaurant auf der zweiten Etage verstecken sich zwei Horizontalrotoren einer Kleinwindenergieanlage. In 120 Metern Höhe werden sie von den Winden über der Stadt angetrieben und erzeugen so 10.000 kWh pro Jahr – bei Weitem nicht genug, um den gesamten Energiebedarf des Turms zu decken, aber genug für den Betrieb der energieeffizienten ersten Etage.

Das Sydney Opera House, eines von Australiens Wahrzeichen, strebt zu seinem 50. Geburtstag im Jahr 2023 die CO2-Neutralität an.
Foto von Sinan Cakmak, Anzenberger, Redux

Syndey Opera House

Die gekrümmten Dachschalen des Sydney Opera House, die an Segel erinnern, sind ein Meisterwerk des organischen Designs und von Flügeln, Palmen und Muscheln inspiriert. Allerdings entleiht das Wahrzeichen nicht nur seine Form aus der Natur. Seit der Eröffnungsveranstaltung im Jahr 1973 wird die Klimaanlage des Gebäudes mit Meerwasser aus dem umliegenden Hafen gekühlt – eine damals neuartige Methode, die den Trinkwasserverbrauch reduzierte.

Im Laufe der letzten zehn Jahre hat das Management diesen Geist der Nachhaltigkeit auf andere Gebäudeteile und sogar Veranstaltungen ausgeweitet. Durch den Austausch der Beleuchtung mit LEDs wurde der Energieverbrauch des Konzertsaals um 75 Prozent verringert, was zu jährlichen Einsparungen von 50.000 Dollar führte.

Auch bei dem Umgang mit dem Müll, den die Angestellten und die jährlich acht Millionen Besucher der Konzerthalle und des Restaurants produzieren, gab es deutlich Verbesserungen. Die Zahl der recycelten Materialien stieg von zwei auf acht, was die generelle Recyclingrate von 20 auf 65 Prozent erhöhte. Man hofft, diesen Wert noch bis auf 85 Prozent steigern zu können. Auch die Verschwendung von Lebensmitteln ist ein Thema. Ein Teil geht an einen Biokraftstoff-Produzenten, während noch essbarer Überschuss einer lokalen Wohltätigkeitsorganisation zugutekommt.

Aber nicht alle Lösungen basieren auf innovativen Technologien. Um eine möglichst lange Lebensdauer der Baumaterialien zu garantieren, arbeiten die Reinigungskräfte nicht mehr mit ätzenden Chemikalien, sondern mit Naturprodukten, was auch die Luftqualität in den Innenräumen verbessert hat. Die Betonwände werden mit Hilfe von Backnatron gewaschen, während Olivenöl und ein Spritzer Alkohol die Bronze auf Hochglanz bringen.

„Das Sydney Opera House steht auf der Weltbühne, daher kann das, was wir hier machen, auch andere Leute inspirieren“, sagt die Nachhaltigkeitsmanagerin Emma Bombonato. „Diese Verantwortung ist sehr wichtig. Wir versuchen, mit wirklich gutem Beispiel voranzugehen.“

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