Geschichte der Schokolade muss umgeschrieben werden

Lange dachten Forscher, die Kakaopflanze sei vor etwa 4.000 Jahren in Mittelamerika kultiviert worden. Neue Befunde zeigen nun, dass es eigentlich anders war ...

Von Erin Blakemore
Veröffentlicht am 5. Nov. 2018, 15:02 MEZ
Maya aus der Stadt Calakmul

Diese Darstellung der alten Maya aus der Stadt Calakmul zeigt die Zubereitung und den Verzehr von Kakao.

Foto von Kenneth Garret, Nat Geo Image Collection

Wann begannen Menschen erstmals mit dem Anbau von Kakao? Die Frage interessiert nicht nur Naschkatzen, sondern beschäftigt schon länger Biologen und Anthropologen. Wie und warum wurde Kakao für alte mesoamerikanische Zivilisationen wie die Maya und Azteken so bedeutsam, dass er sogar in religiösen Riten und als Währung zum Einsatz kam?

Archäologische Befunde deuteten zunächst darauf hin, dass Kakao erstmals vor etwa 3.900 Jahren in Mesoamerika genutzt wurde. Lange Zeit gingen Archäologen davon aus, dass die mittelamerikanischen Zivilisationen den Kakao nicht nur als erste nutzten, sondern auch züchteten.

Eine neue Studie, die in „Communications Biology“ erschien, lässt nun aber vermuten, dass die Pflanze erstmals vor 3.600 Jahren domestiziert wurde – und ihre Nutzung eigentlich nicht in Mittelamerika begann.

Von der Wild- zur Kulturpflanze

Auf ihrer Jagd nach den Ursprüngen moderner Kakaoarten analysierten Forscher die Genome von 200 Kakaopflanzen und untersuchten, wie genau die Unterarten miteinander verwandt sind. Dabei suchten sie vor allem nach dem charakteristischen Zeichen der Domestizierung: der genetischen Differenzierung.

Wenn eine Pflanze domestiziert wird, selektieren Menschen die Zuchtexemplare nach den gewünschten Merkmalen – beispielsweise Fruchtgröße und Widerstandsfähigkeit. Die Pflanzen, die der Wunschvorstellung dabei am nächsten kommen, werden wieder und wieder gezüchtet und die Ergebnisse immer mehr verfeinert. Dementsprechend weisen die Gene domestizierter Pflanzen keine so große Vielfalt auf wie die ihrer wilden Verwandten.

Ein Kandidat für eine frühe Domestizierung von Kakao war die Sorte Criollo – gleichzeitig auch die begehrteste Sorte der Welt –, die von den alten Maya kultiviert wurde. Die seltene Sorte (die nur fünf Prozent des weltweit angebauten Kakaos ausmacht) ist bei Liebhabern aufgrund ihres dunklen und vielschichtigen Geschmacks beliebt. Kakaokenner wissen zudem, dass die Criollo-Bäume in Mittelamerika sich deutlich von jenen unterscheiden, die im Amazonasbecken wachsen.

„Wenn wir alle verschiedenen [Kakaopflanzen-]Bestände vergleichen, zeigt einzig Criollo ein so hohes Maß an genetischer Differenzierung, wie man es bei einer Domestizierung erwarten würde“, sagt Omar Cornejo. Der Populationsgenetiker der Washington State University ist der Hauptautor der entsprechenden Studie.

In diesem Fall haben die frühen Kakaozüchter Criollo aus einer verwandten Sorte namens Curaray gezüchtet, wie Cornejo sagt. Durch die Zucht der Pflanzen veränderte sich im Laufe der Generationen der Geschmack der Sorte und der Theobromingehalt nahm zu – jener Inhaltsstoff, der der Schokolade ihren bitteren Geschmack und ihre stimmungsaufhellende Wirkung verleiht. Leider stieg auch die Krankheitsanfälligkeit der Sorte, weshalb sie mittlerweile rar geworden ist.

Cornejo zufolge kann die Domestizierung der Pflanze irgendwann vor 2.400 bis 11.000 Jahren erfolgt sein. Am „wahrscheinlichsten“ sei es aber, dass der Vorgang vor 3.600 Jahren stattfand. Überraschenderweise schien die Kultivierung von Criollo erstmals in Südamerika (im heutigen Ecuador) erfolgt zu sein und nicht, wie zuvor angenommen, in Mittelamerika.

Die Reise des Kakaos

Wie gelangte der Kakao dann vom Amazonasbecken nach Mesoamerika? Eine andere kürzlich veröffentliche Studie könnte eine Antwort auf diese Frage liefern. Darin untersuchten Archäologen die frühsten bekannten Beispiele von Kakaonutzung in Amerika: etwa 5.300 Jahre alte Bruchstücke von Stein und Keramikgefäßen der Mayo-Chinchipe-Kultur aus Ecuador. Sie sind also 1.700 Jahre älter als die ältesten Befunde aus Mesoamerika. Da die Mayo-Chinchipe Kontakt mit anderen Gruppen entlang der Pazifikküste hatten, gelangte der Kakao durch Handel wahrscheinlich nordwärts nach Mesoamerika.

BELIEBT

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    Archäologische Befunde zeigen, dass die alten Zivilisationen des Amazonasbeckens Kakao schon 1.700 Jahre vor den Maya anbauten und verzehrten.
    Foto von Gabby Salazar, Nat Geo Image Collection

    Dort setzte sich der Gebrauch der Pflanze durch „und breitete sich über Bauern, die sie im heutigen Kolumbien anbauten, wahrscheinlich nach Norden aus bis nach Panama und in andere Teile Mittelamerikas und den Süden Mexikos“, sagte Michael Blake, der Co-Autor der Studie, in einer Pressemitteilung. Somit wurde das erste Kapitel in der Geschichte des Kakaos umgeschrieben.

    Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.

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