Exklusiv: Neue Hinweise auf die versunkenen Schiffe der Konquistadoren

Hernán Cortés kam vor 500 Jahren nach Mexiko und stürzte den letzten König der Azteken. Jetzt könnte eine neue Entdeckung Aufschluss darüber geben, was mit seiner Flotte geschah.

Von Kristin Romey
Veröffentlicht am 19. Dez. 2018, 15:18 MEZ

Im Golf von Mexiko wurde ein faszinierender Hinweis entdeckt, der bei der Lösung des 500 Jahre alten Rätsels um den Verbleib der „verschollenen Flotte“ des spanischen Eroberers Hernán Cortés helfen könnte. Das berichtet ein internationales Team von Unterwasserarchäologen vom Lost Ships of Cortés-Projekt.

Vor der Küste von Villa Rica de la Vera Cruz wurde ein Eisenanker entdeckt. Er stimmt in seiner Ausführung mit denen überein, die europäische Schiffe zu Beginn des 16. Jahrhunderts an Bord hatten. Die Fundstelle liegt etwa 80 Kilometer nördlich des heutigen Veracruz, wo Cortés im Jahr 1519 eine Siedlung errichten ließ. Die Wissenschaftler können zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht eindeutig bestimmen, ob dieser Anker zu einem der Schiffe der berüchtigten Konquistadoren gehörte. Er liefert jedoch den ersten glaubwürdigen Hinweis, der auf den Verbleib der gesunkenen Schiffe hindeutet.

Hoch über der Bucht, in der Cortés Villa Rica de la Vera Cruz gründete, befinden sich die Ruinen von Quiahuiztlan. Seine Bewohner verbündeten sich mit dem Konquistador, der kurz darauf das aztekische Imperium eroberte, indem er Tenochtitlán (heute Mexiko-Stadt) einnahm.
Foto von Jonathan Kingston, Nat Geo Image Collection

 „Die Ankunft von Cortés und sein Eroberungsfeldzug in Mexiko veränderten die Geschichte“, meint der Archäologe Christopher Horrell, ein National Geographic-Stipendiat und wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Texas State University und Co-Leiter des Projekts. „Diese Schiffe haben eine Reihe von Ereignissen in Gang gesetzt, die das Schicksal der neuen und der alten Welt für immer verändert haben. Sie zu finden wäre eine unglaubliche Entdeckung.“

Die Eroberung Mexikos

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    Dieses Gemälde aus dem 17. Jahrhundert zeigt das Treffen von Cortés mit den königlichen Gesandten der Azteken. Die Landschaft ist der in Villa Rica de la Vera Cruz sehr ähnlich.
    Foto von Illustration via Album/Alamy

    Cortés war einer der ersten Eroberer der neuen Welt. Vor 500 Jahren segelte er zunächst von Kuba aus zur Yucatán-Halbinsel in Mexiko. Er hatte vom kubanischen Gouverneur strikte Anweisung erhalten, das Gebiet zu erforschen und mit den indigenen Bewohnern Handel zu treiben. Cortés brach mit dem Gouverneur und gründete die Siedlung Villa Rica de la Vera Cruz. Der Anspruch auf die Stadt erging im Namen des spanischen Königs.

    Mitglieder von Cortés Mannschaft begehrten gegen seine Herrschaft auf und versuchten, ein Schiff zu stehlen, mit dem sie nach Kuba zurücksegeln konnten. Daraufhin befahl der Konquistador, dass alle zehn verbliebenen Schiffe seiner ursprünglichen Flotte (das elfte war nach Spanien zurückgeschickt worden, um Nachricht zum König zu bringen) vor Villa Rica de la Vera Cruz versenkt werden sollten. Das geschah im Juli des gleichen Jahres.

    Im Frühjahr 1520 marschierte Cortés bereits auf die aztekische Hauptstadt Tenochtitlán zu. Ihr Herrscher, Moctezuma II., wurde gefangen gehalten. Zu dieser Zeit entsendete der erboste Gouverneur von Kuba eine weitere Schiffsflotte nach Yucatán, um Cortés unter Arrest zu stellen. Der Konquistador bestach jedoch viele der Soldaten des Gouverneurs mit Versprechen auf aztekisches Gold und Silber. Er ließ 16 der Schiffe der Flotte im Hafen von Villa Rica de la Vera Cruz versenken.

    Kurz darauf nahm Cortés Tenochtitlán ein und eroberte Mexiko.

    „Die Eroberung war ein sehr traumatischer Einschnitt in unserer Geschichte, der auch heute noch auf die meisten Mexikaner wirkt“, sagt Roberto Junco Sánchez, stellvertretender Leiter für Unterwasserarchäologie im Mexico’s National Institute of Anthropology and History (INAH) und Co-Leiter des Projekts. Im kommenden Jahr wird es überall im Land Veranstaltungen um den 500. Jahrestag von Cortés Ankunft und Eroberung geben.

    Ein vielversprechender Anfang

    Frederick Hanselmann, Co-Leiter des Projekts, wischt Sand von dem Anker. Er stammt aus dem 16. Jahrhundert und könnte zur versenkten Flotte von Hernán Cortés gehört haben.
    Foto von Jonathan Kingston, Nat Geo Image Collection

    Der Anker wurde im Sommer 2018 während einer sechswöchigen Prospektion gefunden. Dabei durchkämmten die Forscher ein Gebiet von knapp 80 Quadratkilometern vor der Küste von Villa Rica de la Vera Cruz mit Fernerkundungsinstrumenten. Diese Spezialgeräte entdecken ungewöhnliche Strukturen am Meeresboden.

    Der Anker passt in seiner Ausführung zu denen, die europäische Schiffe zu Beginn des 16. Jahrhunderts üblicherweise führten. Doch erst der erstaunlich gut erhaltene, hölzerne Schaft lieferte zusätzliche, wichtige Hinweise. Beschleuniger-Massenspektrometrie und Radiokarbondatierung einer Holzprobe lassen darauf schließen, dass der Baum zwischen 1417 und 1530 gefällt wurde. Außerdem scheint es sich bei dem Holz möglicherweise um eine Roteichenunterart zu handeln, die im spanischen Baskenland wächst. Es werden jedoch noch weitere Untersuchungen nötig sein, um diese Erkenntnisse zu bestätigen.

    Unterwasserarchäologen, die im Golf von Mexiko arbeiten, geben an, dass die Ergebnisse der Untersuchung des Ankers schon jetzt interessant sind, auch wenn sie noch nicht bestätigt wurden. „Es klingt auf jeden Fall faszinierend“, meint John Bratten, Lehrstuhlinhaber für Anthropologie an der University of West Florida und Co-Leiter des Emanuel Point II-Projekts. Dieses beschäftigt sich mit Schiffswracks aus dem Jahr 1559. Sie sind das Überbleibsel des Versuchs, das Gebiet des heutigen Pensacola in Florida zu erobern.

    Die Cortés-Wissenschaftler gehen nicht davon aus, dass sie einen riesigen Azteken-Schatz bergen werden. Da die Schiffe geplant versenkt wurden, sind alle Wertgegenstände sicher vorher von Bord gebracht worden. Ihre Entdeckung würde eher Aufschluss darüber geben, wie der Konquistador seine Truppen im Vorfeld der Eroberung Mexikos kontrollierte. Versenkte man die Schiffe, war das Schicksal der Männer besiegelt und ihre Loyalität erzwungenermaßen gesichert, gibt Frederick Hanselmann an. Er ist der leitende Wissenschaftler für Unterwasserarchäologie an der Universität von Miami und Co-Leiter des Projekts. „Wir wissen also, warum er es getan hat, aber nicht wie und wo. Hat er sie einfach losgebunden und abtreiben lassen und dann gesagt: ‚Oh, die Schiffe sind weg?‘ Oder hat er seinen Männern damit eine Lektion erteilt und sie vor aller Augen versenkt?“

    Das Projektteam dokumentierte darüber hinaus eine Reihe von Anomalien, die sie im kommenden Sommer erneut unter die Lupe nehmen werden. Das Vulkangestein in dieser Region ist für die Jagd nach Schiffswracks besonders interessant, erklärt Melanie Damour, Co-Leiterin des Projekts.

    „Eine Arbeitshypothese besagt, dass Cortés‘ Schiffe von allem noch Brauchbaren befreit und dann mit Steinen aus der Gegend beladen wurden, um sicherzustellen, dass sie sanken“, sagt sie. „Die magnetische Signatur von Vulkangestein, das im hölzernen Schiffsbauch gestapelt wurde, könnte uns zur Flotte führen. Und was noch wichtiger ist: Sein Gewicht könnte wahrscheinlich dazu beigetragen haben, das Holz unter ihm zu konservieren.“

    Das Projekt wurde teilweise durch die Unterstützung der National Geographic Society finanziert. Weitere finanzielle Mittel und Zuwendungen erhielt es vom mexikanischen National Institute of Anthropology and History (INAH)

    Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.

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