Ägyptische Mumien könnten der modernen Medizin helfen

Experten fanden eine altägyptische Königstochter, die dringend einen doppelten Bypass gebraucht hätte. Nun könnte sie der modernen Medizin vielleicht neue Hinweise auf die Ursachen von verstopften Arterien liefern.

Von James Owen
Veröffentlicht am 3. Feb. 2020, 13:25 MEZ
Die Mumie eines ägyptischen Adeligen wird im Rahmen einer Studie über Krankheiten im Altertum einem CT-Scan ...
Die Mumie eines ägyptischen Adeligen wird im Rahmen einer Studie über Krankheiten im Altertum einem CT-Scan unterzogen.
Foto von Michael Miyamoto

Medizinexperten gehen davon aus, dass eine altägyptische Königstochter vielleicht nicht so früh zu ihrer Mumifizierung hätte antreten müssen, wie es der Fall war. Dazu hätte sie allerdings weniger Kalorien zu sich nehmen und sich mehr Bewegung verschaffen sollen.

Die Königstochter Ahmose Meritamun II. lebte vor rund 3.500 Jahren und starb bereits im Alter von etwa 40 Jahren. Bestattet wurde sie im Königsgrab in der antiken Nekropole Deir el-Bahri, die am Westufer des Nils gegenüber der Stadt Luxor liegt. Der mumifizierte Körper der Königstochter befindet sich im Ägyptischen Museum in Kairo.

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Im Jahr 2011 durchgeführte Scans von 52 der Museumsmumien enthüllten, dass beinahe die Hälfte der Personen zu Lebzeiten unter verstopften Arterien litt – darunter auch Meritamun. Tatsächlich ist sie die früheste bisher bekannte Person mit Atherosklerose. Bei dieser Erkrankung werden Fett und Kalk in den Blutgefäßen abgelagert, was zu einem Herzinfarkt oder Schlaganfall führen kann.

Meritamun – „die Mondgeborene; die von Amun geliebte“ – litt unter Blockaden in fünf großen Arterien, unter anderem auch der, die Herz und Gehirn mit Blut versorgt, sagt Gregory Thomas, Co-Leiter der Studie und Professor für Kardiologie an der University of California, Irvine.

„Wenn die Prinzessin mithilfe einer Zeitmaschine zu uns gebracht und hier vorstellig werden könnte, würde ich raten, dringend weniger Fett zu essen und sich viel zu bewegen, bevor ich einen Termin für eine Herzoperation ansetze“, sagt Thomas. „Sie hätte einen doppelten Bypass gebraucht.“

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    Die Herzen der Mumien wurden zwar vor ihrer Bestattung entfernt, doch mithilfe von Computertomografie-Scans entdeckten die Forscher unerwartete Kalkablagerungen in den Körpern, die auf eine Beeinträchtigung der Arterienfunktion hindeuten. Das Studienteam konnte jedoch nicht nachweisen, dass die Menschen tatsächlich an Herzerkrankungen gestorben sind, denn die meisten ihrer Organe waren entweder verwest oder fehlten ganz.

    Allerdings gibt es einen medizinischen Text aus der Zeit, in der die Königstochter lebte – zwischen 1550 und 1580 v. Chr. –, der Schmerzen im Arm und der Brust beschreibt. Diese können einem tödlichen Herzinfarkt vorausgehen.

    Im Allgemeinen sind verstopfte Arterien und Herzinfarkte Gesundheitsrisiken, die wir eher mit unserem modernen Lebensstil und der Ernährung der Neuzeit in Verbindung bringen, nicht mit den alten Ägyptern, erklärt Co-Autor der Studie Michaeil Miyamoto, der an der School of Medicine der University of California in San Diego forscht.

    „Viele Risikofaktoren, die wir für wichtig bei der Entwicklung einer Atherosklerose in der modernen Gesellschaft halten, waren damals noch nicht gegeben – insbesondere Rauchen, eine hohe Quote von Menschen mit Diabetes und Übergewicht sowie Nahrung, die reich an Transfetten ist“, führt Miyamoto aus.

    Doch als Mitglied der königlichen Familie war Meritamun – wie auch einige andere der untersuchten Mumien – Teil der Oberschicht. Das bedeutet, dass sie vermutlich einem höheren Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen ausgesetzt war als er Rest der Bevölkerung.

    „Da sie zur Oberschicht gehörten, pflegten sie wahrscheinlich auch einen komfortableren Lebensstil mit weniger Bewegung und – vielleicht noch wichtiger – Zugang zu Nahrungsmitteln mit höherem Kaloriengehalt, vor allem Fleisch“, sagt Miyamoto.

    Adel Alam, Co-Autor der Studie und Professor für Kardiologie an der ägyptischen Al-Azhar-Universität, fügt noch hinzu, dass die Königstochter außerdem während einer Zeit des Wohlstands lebte.

    „Selbst die ärmeren Leute aßen größere Mengen Schweinefleisch und man mischte Honig ins Brot“, meint er. „Wenn selbst das gemeine Volk zu dieser Zeit mehr Kohlenhydrate und Fett zu sich nahm, war das Essen der Oberschicht dementsprechend noch ungesünder.“

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    Eine Herzerkrankung als Familienerbe?

    Die Theorie, dass die Ernährung ein beitragender Faktor gewesen ist, wird durch weitere Forschungsergebnisse untermauert. So fanden die Wissenschaftler in den sterblichen Überresten Hinweise darauf, dass Diabetes durchaus ein Problem der alten Ägypter gewesen sein könnte. Diese Krankheit wird oft mit Fettleibigkeit in Verbindung gebracht, erklärt Allam. Außerdem gibt es altägyptische Schriftrollen, in denen die Ärzte der damaligen Zeit Symptome beschreiben, die zu Diabetes passen.

    Der Fall von Meritamun könnte jedoch einen anderen Hintergrund gehabt haben. Zwar wird das Körperfett nicht durch die Mumifizierung konserviert, aber es gibt Anzeichen dafür, dass Meritamun eine sehr zierliche Frau war, sagt Allam. In ihrem Fall geht das Team davon aus, dass andere Faktoren als Ernährung und Lebensstil zur Ausprägung der Herzerkrankung geführt haben könnten. So „gibt es in ihrer Familie noch weitere Königinnen und Prinzessinnen, die unter Atherosklerose litten, also kann eine genetische Komponente nicht ausgeschlossen werden“, erklärt Allam.

    Die Studie liefert Hinweise darauf, dass die Genetik unter Umständen eine viel größere Rolle für die Ausbildung einer Atherosklerose spielt, als man bisher annahm. Die Mumien könnten deswegen dabei helfen, die genauen genetischen Faktoren zu bestimmen.

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    Eine weitere Möglichkeit wäre, dass Atherosklerose durch eine chronische Entzündung im Körper hervorgerufen wird. Dies kann durch eine Reaktion des Immunsystems auf eine Infektion ausgelöst werden, die dann zu einer Entzündung der Blutgefäßwände führt.

    „Bei der Königstochter wissen wir, dass sie unter Arthritis, also einer Gelenkentzündung litt“, gibt Allam an. „Außerdem hatte sie massive Probleme mit den Zähnen, was wohl zu einer weiteren Entzündung führte.“

    Das Team aus amerikanischen und ägyptischen Wissenschaftlern stieß seitdem noch weitere Studien über insgesamt 72 Mumien an, um die individuellen genetischen Verbindungen und weitere Hinweise auf ihren Gesundheitszustand zu ermitteln. Dazu gehörten auch Tests auf Arthritis und Krebs und die Frage, ob ihre Knochen vielleicht Aufschluss über ihr Aktivitätsspektrum geben könnten.

    Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.

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