Herz verschenkt: Adelige ließ sich mit Herz ihres Gatten bestatten
Als ein Ritter 1649 verstarb, bewahrte seine Witwe sein Herz in einer liebevoll gefertigten Bleiurne auf, die sie später selbst mit ins Grab nahm.
Romantisch oder makaber? Als Forschende den Sarg einer französischen Adeligen öffeneten, fanden sie dort nicht nur ihre Überreste – sondern auch das einbalsamierte Herz ihres Mannes.
Im 17. Jahrhundert ließ sich eine französische Adelige mit dem einbalsamierten Herz ihres Mannes begraben. Das ist nicht nur eine trés romantique Geste, sondern auch ein bislang einmaliges archäologisches Phänomen, wie es in einer Studie über europäische Bestattungspraktiken heißt.
Der Bleisarg von Louise de Quengo wurde 2013 auf dem Gelände eines ehemaligen Jakobinerklosters im französischen Rennes gefunden. Fachmännisch ausgegraben wurde er von Forschern des französischen Landesinstituts für präventive archäologische Forschung (INRAP).
Obwohl de Quengo schon 1656 im Alter von 65 Jahren gestorben war, hatte ihr versiegelter Sarg den Leichnam ungewöhnlich gut erhalten. Sogar ihre einfachen Nonnenroben und ihre Lederschuhe waren noch vorhanden. Die Identität der Frau konnte durch detaillierte Listen im Begräbnisregister des Klosters festgestellt werden.
In dem Sarg verbarg sich allerdings noch eine größere Überraschung: ein kleiner Bleibehälter, der das Herz ihres Ehemanns enthielt, Toussaint de Perrien, Ritter von Brefeillac.
Erste enthusiastische Zeitungsartikel berichteten fälschlicherweise, dass Begräbnisse mit dem Herzen eines Partners im vorrevolutionären Frankreich üblich gewesen seien. Tatsächlich ist es aber das erste bekannte archäologische Beispiel dieser Praktik, erzählt der INRAP-Anthropologe und Co-Autor der Studie Rozenn Colleter.
Einige Angehörige der französischen Aristokratie hinterließen zwar Anweisungen, dass bestimmte Organe nach ihrem Tod entfernt und anderswo begraben werden sollten, aber bisher war diese Praktik nur aus politischen und religiösen Kontexten bekannt. Der Fall von Louise de Quengo und Toussaint de Perrien ist der erste, bei dem eine romantische Geste der Vereinigung nach dem Tode im Mittelpunkt stand.
Ich schenke dir mein Herz
Laut einer Inschrift auf der herzförmigen Urne starb Toussaint de Perrien 1649 – also sieben Jahre vor Louise – und wurde 200 Kilometer entfernt in einem Kloster der Karmeliter bestattet, das er bei Carhaix gegründet hatte.
Toussaints Herz wurde wahrscheinlich vor seiner Bestattung entfernt, in einem luftdichten Behälter versiegelt, um seine Verwesung zu verhindern, und dann in das Jakobinerkloster nach Rennes gebracht. Dort verlebte Louise ihre letzten Jahre als Witwe. Bis zu ihrem Tode stand die Urne wahrscheinlich in der Kapelle, in der Louise betete, und wurde schließlich mit ihr begraben, erklärt der INRAP-Forscher Colleter.
Ein CT-Scan des Leichnams von Louise de Quengo offenbarte, dass ihr eigenes Herz ebenfalls entfernt wurde.
Wurde es eventuell in das Grab von Toussaint gelegt? Colleter zufolge wäre es „logisch“ anzunehmen, dass die beiden einem Tausch ihrer Herzen zu Lebzeiten zugestimmt hatten.
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Leider wurden sowohl Louises Herz als auch die Grabstätte ihres Mannes in Carhaix noch nicht gefunden. Aber falls ihr konserviertes Herz je auftauchen sollte – entweder im Grab Toussaints oder anderswo –, wäre es vermutlich an einer ähnlichen Inschrift zu erkennen wie auf der Urne, in der sich Toussaints Herz befindet, fügt Colleter hinzu.
Die herzförmige Urne für das Organ des Ritters ist eines von fünf solchen Artefakten, die während der Grabung im Jakobinerkloster gefunden wurden.
Die anderen vier Behälter, die aus einem Zeitraum von 1584 bis 1685 stammen, enthalten ebenfalls menschliche Herzen und Inschriften. Allerdings schienen sie keinem bestimmten Begräbnis zugeordnet zu sein. Die Studienautoren vermuten daher, dass sie während der Französischen Revolution vielleicht aus ihren ursprünglichen Gräbern entnommen und von den Klosterangehörigen anderswo versteckt wurden. Die bleiernen Särge und Urnen des französischen Adels wurden während der Revolution vielerorts eingeschmolzen, um Kugeln zu gießen.
Im Tod noch nicht wiedervereint
Insgesamt wurden bei der Ausgrabung mehr als 1.380 Gräber aus dem 14. bis 18. Jahrhundert sichergestellt. Die meisten davon gehörten entweder zum Klerus oder zum Adel. Auf dem Gelände des ehemaligen Jakobinerklosters sollte im Anschluss ein Kongresszentrum gebaut werden.
Im Rahmen der Studie wurden 483 Individuen, die zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert auf dem Klostergrundstück beigesetzt wurden, einer forensischen Analyse unterzogen. Bei nicht einmal drei Prozent von ihnen konnte eine Organentnahme oder eine Einbalsamierung festgestellt werden. Die Ergebnisse widersprechen damit der generellen Annahme, dass solche Praktiken – einst Königen und Königinnen vorbehalten – in den oberen Gesellschaftsschichten breiten Einzug hielten, als das Mittelalter in die Renaissance und schließlich in die Frühe Neuzeit überging.
Nachdem Louise de Quengo wissenschaftlich untersucht worden war, bestatteten ihre Nachfahren ihren Leichnam am 15. September 2017 in der Nähe eines Familienschlosses in Tonquédec. Toussaint de Perriens Herz bleibt – samt dem Bleibehälter, in dem es Jahrhunderte überdauert hat – für mögliche weitere Analysen in der Tiefkühlkammer des Labors.
Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.
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