Antikes Geld: Älteste Münzprägestätte der Welt in China entdeckt?
Chinesische Forscher haben an der Ausgrabungsstätte Guanzhuang Münzen und die Reste einer antiken Münzprägeanstalt mit einem belegten Alter von 2.600 Jahren entdeckt. Der Fund könnte die Geschichte des Geldes neu schreiben.
Diese Münzen in Spatenform wurden an der Ausgrabungsstätte einer antiken Bronzegießerei in der chinesischen Provinz Henan gefunden. Sie könnten die älteste bekannte Metallwährung der Welt sein – und vielleicht sogar die erste.
Bei Ausgrabungen in der antiken Stadt Guanzhuang in der Provinz Henan im Osten Chinas haben Archäologen eine Entdeckung der Superlative gemacht: Sie fanden die nach ihren Berechnungen älteste Münzprägestätte der Welt. Vor 2.600 Jahren sollen hier kleine spatenförmige Bronzemünzen in großen Mengen produziert worden sein.
Der Forschungsbericht der Wissenschaftler wurde in der Zeitschrift „Antiquity“ veröffentlicht und stützt die Theorie, dass die ersten Münzen der Welt nicht in der Türkei oder in Griechenland, sondern in China geprägt wurden.
Laut Hao Zhao, Archäologe an der Zhengzhou University und Hauptautor der Studie, wurde die von Mauern und einem Graben umgebene Stadt Guanzhuang in der Zeit um 800 v. Chr. gegründet. Die örtliche Gießerei, in der Bronze zu rituellen Gefäßen, Waffen und Werkzeugen verarbeitet wurde, soll 770 v. Chr. ihren Betrieb aufgenommen haben. Doch erst 150 Jahre später prägten der Studie zufolge Arbeiter hier die ersten Münzen.
Die Ausgrabungen von Guanzhuang begannen im Jahr 2011. Seitdem konnten Archäologen hier mehrere Werkstätten und hunderte Gruben mit den Abfällen aus der Gießerei freilegen. Mit dem Prägen von Münzen soll in der Stadt zwischen 640 und 550 v. Chr. begonnen worden sein.
Mithilfe der Radiokarbonmethode war es den Wissenschaftlern möglich, den Beginn der Münzprägung in Guanzhuang auf einen Zeitraum zwischen frühestens 640 v. Chr. und keinesfalls später als 550 v. Chr. zu datieren. Zwar sind Münzen aus dem lydischen Reich (der heutigen Türkei) bekannt, deren Ursprung etwa im Jahr 630 v. Chr. verortet wird, laut Hao Zhao stammt die älteste Münzprägestätte der Lydier aber aus der Zeit zwischen 575 v. Chr. und 550 v. Chr. „Das macht die Münzprägestätte in Guanzhuang aktuell zu der ältesten sicher datierten der Welt“, sagt er.
Während der Ausgrabungsarbeiten haben die Forscher zwei Spatenmünzen gefunden, die wie Miniaturversionen des Gartenwerkzeugs aussehen und Dutzende dazu passende Gussformen aus Ton. Eine der Münzen war nahezu perfekt erhalten: Mit einer Länge von etwas über 14 Zentimetern und einer Breite von über sechs Zentimetern wiegt sie etwa 27 Gramm – weniger als sechs Seiten Standard-Druckerpapier.
Um eine Spatenmünze zu prägen, fertigten Handwerker zunächst die zwei Hälften der Gussform und einen Kernstift aus Ton an. Dann schnitzten sie den Hohlraum und den Gießtrichter für die Befüllung der Form mit geschmolzener Bronze (Abbildung A). Die beiden Hälften der Gussform wurden zusammengebunden und der Kernstift eingesetzt, um den Hohlraum zu verkleinern (Abbildung B). Die Form wurde bis zur Grenze zwischen dem oberen Ende der Kernspitze und dem Formkörper mit flüssiger Bronze befüllt (Abbildung C). Nach dem Auskühlen des Metalls musste die tönerne Gussform zerbrochen werden, um die fertige Spatenmünze freizulegen.
Wer hat das Geld erfunden?
Laut Bill Maurer, Professor für Anthropologie an der University of California Irvine und Leiter des Institute for Money, Technology and Financial Inclusion, ist die Schwierigkeit bei Münzartefakten, dass diese normalerweise weit entfernt von ihrem Ursprungsort gefunden werden. Versteckt im Gebälk eines Hauses oder in einem Erdloch sind sie „vollkommen ohne jeden Kontext, der dabei helfen könnte, etwas über ihre Herkunft herauszufinden. In diesem Fall gibt es neben den Münzen aber auch noch die Münzprägestätte und die Gießformen.“
Maurer zufolge, der nicht an den Forschungen beteiligt war, ist diese Vollständigkeit das Bemerkenswerte an der Entdeckung. Erst das gemeinsame Auffinden von Münzen und Gussformen habe es den Wissenschaftlern ermöglicht, mittels Radiokarbondatierung das Alter der Münzprägestätte zu bestimmen und damit ihre These zu stützen, dass sie die älteste bekannte der Welt ist.
Das Alter von Münzartefakten kann, wenn diese Spuren von oder Beschädigungen durch Feuer aufweisen, durch die Radiokarbonmethode bestimmt werden. „Doch man kann mit ihr nur den Zeitpunkt des Feuers ermitteln, nicht den Entstehungspunkt der Münze“, erklärt Bill Maurer. „Die Gießerei in Guanzhuang ist jedoch voll mit Karbonrückständen, die in Zusammenhang mit der Herstellung der Münzen stehen.“ Dieser Umstand ermöglicht es, das Alter der Münzen und der Münzprägestätte konkret zu verorten.
George Selgin, Leiter des Center for Monetary and Financial Alternatives am Cato Institute in Washington D.C., findet die chinesische Entdeckung zwar beeindruckend, „aber sie ändert nichts an unserem grundlegenden Verständnis über den Produktionszeitraum der ersten Münzen. Außerdem ist der Fund kein Beweis dafür, dass in China die ersten Münzen geprägt wurden.“
Das liege daran, dass die Forschungsergebnisse zwar das Alter dieser speziellen chinesischen Münzprägeanstalt und seiner Münzen belegen könnten, nicht aber, ob die Artefakte aus China älter seien als die lydischen Münzen. Laut Selgin, der an den Untersuchungen nicht mitgewirkt hat, kommen diese ebenfalls als erste Münzen der Weltgeschichte in Betracht.
Die Rolle der Regierung
Hao Zhao und sein Team nehmen an, dass die Lage der Münzprägeanstalt in der Nähe des vermuteten Sitzes der Stadtverwaltung ein Hinweis darauf ist, dass die Münzprägeaktivitäten von den lokalen Behörden zumindest anerkannt wurden. Belege gibt es dafür bisher nicht, der Studie zufolge soll die Beteiligung der Regierung an der Spatenmünzenproduktion aber in weiteren Untersuchungen näher beleuchtet werden.
Über den allgemeinen Ursprung unseres Geldes bestehen bislang zwei vorherrschende Theorien: Zum einen soll es erfunden worden sein, um Handel zu ermöglichen, zum anderen, damit Regierungen Steuern und Schulden bei der Bevölkerung eintreiben konnten.
„In dieser Hinsicht liefert die Entdeckung keine Beweise“, sagt Bill Maurer. „Doch der routinierte und standardisierte Prozess der Massenproduktion dieser Münzen in Verbindung mit der Nähe zum politischen Zentrum stützt eine Hypothese, die Anthropologen und Archäologen schon seit langer Zeit vertreten: dass Geld in erster Linie als politisches und nicht als wirtschaftliches Instrument entstanden ist.“
Dieser Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.
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