Theater von Ephesos: Baugeschichte des antiken Prachtbaus entschlüsselt

Das Theater von Ephesos gilt als einer der bedeutendsten Bauten der Antike. Ein Forschungsteam hat nun die langjährige Geschichte seiner Erbauung rekonstruiert – sowie den ab der Spätantike fortgeschrittenen Verfall des imposanten Gebäudes.

Von Lisa Lamm
Veröffentlicht am 15. Sept. 2022, 08:39 MESZ
Das Theater von Ephesos bei Nacht.

Das Theater von Ephesos bei Nacht. Zu Hochzeiten fanden auf den Rängen bis zu 20.000 Zuschauende Platz.

Foto von ÖAW-ÖAI/N. Gail

Gladiatoren- und Tierkämpfe, Volksversammlungen und sogar eine angebliche Revolte gegen den Apostel Paulus: Das große Theater von Ephesos war einer der wichtigsten Kunst- und Versammlungsorte der Antike. In seiner jahrhundertelangen Geschichte wurde das Theater immer wieder erweitert, sodass zu seiner Blütezeit mehr als 20.000 Zuschauende auf seinen Rängen Platz fanden.

Ein Forschungsteam der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) hat nun die komplexe Baugeschichte des Theaters rekonstruiert: vom Baubeginn im 2. Jahrhundert v. Chr. über die Vergrößerungsmaßnahmen während der römischen Kaiserzeit bis hin zum Verfall des imposanten Bauwerks in der Spätantike. Durch die neu erstellte Chronologie der einzelnen Bauphasen kann laut Gudrun Styhler-Aydın, Bauforscherin an der ÖAW und Leiterin des Projektes, nun nachvollzogen werden, „wie das Gebäude in der römischen Kaiserzeit zu einem der größten bekannten kleinasiatischen Theaterräume“ wurde – und wie es dem Koloss nach seiner Hochphase erging.

Durch die heute freigelegten Zuschauerränge lässt sich noch erahnen, wie imposant das Theater von Ephesos in der Antike gewirkt haben muss.

Foto von ÖAW-ÖAI/N. Gail

Aufschlussreiche Ruine

Die Überreste des großen Theaters von Ephesos kann man heute in der Provinz Izmir in der Türkei begutachten. Vom einstigen Glanz des mit unzähligen Skulpturen, Säulen und Verzierungen bestückten Baus ist nicht viel geblieben, imposant ist das Theater in seiner Größe aber bis heute. 

Freigelegt wurde das im Laufe der Jahrhunderte verschüttete Theater während mehrerer archäologischer Grabungen, die bereits Ende des 19. Jahrhunderts begonnen haben. Die vollständige Größe des Zuschauerraums, der einst eine Ausdehnung von fast 150 Metern erreichte, offenbarte sich allerdings erst gegen Ende der 1970er Jahre. Ab 2003 übernahm dann das Forschungsteam unter der Leitung von Styhler-Aydın die Untersuchungen und vervollständigte das Bild mithilfe von 3D-Laserscanning und weiteren Ausgrabungen und Begutachtungen am Bau.

Eine bewegte Baugeschichte 

So weiß man heute: Die Bauarbeiten am Theater von Ephesos begannen im 2. Jahrhundert v. Chr. in der hellenistischen Zeit. Damals wurden im Stil eines klassischen griechischen Theaters ein sogenanntes Koilon – ein Zuschauerraum mit Rängen –, ein Skenengebäude, das der Aufbewahrung verschiedener Materialien und den Darstellern als Raum diente, und eine Bühnenfläche erbaut. Während des 1. und 2. Jahrhunderts n. Chr., also zur römischen Kaiserzeit, fanden dann erste aufwändige Erweiterungsmaßnahmen im Bereich des Zuschauerraumes statt. Im Zuge dieser wurden dem Theater mehrere Vomitorien hinzugefügt, die den Zuschauenden Zugang zu den Sitzplätzen ermöglichten, sowie zusätzliche Sitzreihen und eine größere Bühnenfläche.

Nach dieser Blütezeit des Theaters spielten wohl vor allem mehrere Erdbeben im 3. und 4. Jahrhundert n. Chr. eine zentrale Rolle beim langsamen Verfall des einstigen Prachtbaus. Die Erdbeben richteten in Ephesos starke Schäden an, die die Region noch jahrelang nachhaltig beeinflussten – so auch das Theater. Im 5. Jahrhundert folgte dann die Vernachlässigung einzelner Teile des Gebäudes, darunter auch mehrere Eingänge, die stillgelegt wurden. Nachdem die Bühne des Theaters nach aktuellem Forschungsstand während dieser Zeit vermutlich trotzdem weiterhin genutzt wurde, gab man das Gebäude im 7. Jahrhundert schließlich vollends auf.

Insgesamt geschah diese langsame Aufgabe des einst so imposanten Theaters nicht ohne Rettungsversuche. Laut Styhler-Aydın kann man gerade in den Teilnutzungen und vereinzelten Restaurierungsversuchen der Spätantike erkennen, wie wichtig den Menschen das Theater auch nach dessen Hochzeit noch war. „Gerade auch die baulichen Maßnahmen und Umnutzungen in der spätantik-frühbyzantinischen Zeit führen anschaulich die historischen Anstrengungen vor Augen, das Theater inklusive aller zerstörungsbedingten lokalen Einschränkungen zu erhalten und weiter zu nutzen“, so Styhler-Aydın.

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