Freising: Der Mann mit der eisernen Hand

In Bayern haben Archäologen ein spannendes Skelett aus dem Mittelalter gefunden – ausgestattet mit einer Prothese. Wie weit war die Medizin damals?

Von Lisa Lamm
Veröffentlicht am 2. Nov. 2023, 08:39 MEZ
Schwarz-weißes Röntgenbild von der Handprothese mit vier Fingern.

Röntgenaufnahme der Handprothese, in dem Gesteinsklumpen, in dem sie gefunden wurde.

Foto von Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege

Im Juni 1504 verlor der deutsche Ritter Götz von Berlichingen im Gefecht während des Landshuter Erbfolgekrieges die rechte Hand durch einen Kanonenschuss. Bekannt ist er heute auch als Ritter mit der „eisernen Hand“. Denn nach einer ersten wenig beweglichen blechernen Handprothese trug er ab 1530 eine technisch extrem komplexe eiserne Handprothese, mit der er sogar sein Schwert noch greifen und schwingen konnte.

Götz’ Handprothese ist bis heute eine der bekanntesten aus der Zeit des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit – aber nicht die einzige. Das zeigt auch ein aktueller Fund aus Bayern. Bei Grabungen in Freising kam das Skelett eines Mannes zutage, der zu Lebzeiten an seiner linken Hand eine Teilprothese trug. 

Prothese ersetzte vier Finger des Mannes

Gefunden wurden die Überreste des Mannes bei Grabungsarbeiten nahe der Freisinger Stadtpfarrkirche St. Georg. Bei seinem Tod war er vermutlich zwischen 30 und 50 Jahre alt. Gestorben ist er laut der Radiokarbondatierung des Skeletts zwischen 1450 und 1620.

Das freigelegte Skelett des Mannes. An der linken Hand ist der Klumpen zu erkennen, in dem sich die Prothese befindet, die er zu Lebzeiten trug.

Foto von Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege

Nähere Untersuchungen des Skeletts und der Prothese zeigen: Zu Lebzeiten muss der Mann an der linken Hand vier Finger verloren haben, die die Prothese ergänzte: Zeige-, Mittel-, Ring- und der kleine Finger. Laut Walter Irlinger, Abteilungsleiter der Bodendenkmalpflege vom Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege (BLfD), bestehen die neuen Finger aus Eisen und Buntemetall, sind leicht gekrümmt und unbeweglich. 

Bei der Untersuchung der Prothese konnte das BLfD feststellen, dass die gesamte Konstruktion mit Leder überzogen gewesen sein muss. Im Inneren der Hand befand sich außerdem ein mullbindenartiges Gewebe, dass vermutlich zur Polsterung des Handstumpfes diente.

Frühe Entwicklungen in der Prothesentechnik

Aus der Zeit zwischen dem 15. und dem frühen 17. Jahrhundert sind bislang nur etwa 50 weitere Funde von Handprothesen bekannt. Gemeinsam zeigen sie: Schon vor mindestens 500 bis 600 Jahren wurde in der Medizin an Wegen geforscht, Menschen mit amputierten Gliedmaßen das Leben zu erleichtern. Je nach Ressourcen und der Zeit, in der man lebte, reichten die Prothesen in ihrer Machart dabei von simpel und unbeweglich bis zu technisch komplex. 

BELIEBT

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    Gestiegen ist die Nachfrage nach Prothesen zu jener Zeit wohl auch wegen der sich häufenden kriegerischen Auseinandersetzungen in Europa. Auch Freising, der Stadt, in der der aktuelle Fund gemacht wurde, war regelmäßig in Auseinandersetzungen involviert – beispielsweise während des Dreißigjährigen Krieges. Diese führten laut BLfD vermutlich zu vermehrten Amputationen und zu größeren Bemühungen in der Medizin, Verwundeten zu helfen.

    Heute schreitet die Technik in diesem Bereich rasanter voran denn je: Neben starren Prothesen, die noch immer verwendet werden, gibt es mittlerweile auch solche, mit denen die Träger*innen sogar greifen und Bälle fangen können.

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