Xantener Römersiedlung: 2.000 Jahre alter Palast entdeckt
Radarbild der Grabungsstätte, das während der Voruntersuchungen des Bodens aufgenommen wurde. In einer Tiefe von etwa 70 Zentimetern unter der Oberfläche kann man die Umrisse von Gebäuden erkennen, darunter die Palastanlage und die Badeanlage.
Der Fürstenberg bei Xanten war bei den Römern beliebt. Im Legionslager Vetera castra, das dort einst stand, waren im 1. Jahrhundert n. Chr. zwischen 10.000 und 11.000 Soldaten untergebracht. Doch sie waren nicht die einzigen, die in dieser Region lebten. Zu dem Legionslager gehörte auch eine Vorstadt, die sogenannten canabae, in der Zivilist*innen wohnten.
Aktuelle Untersuchungen zeigen, dass diese Vorstadt weitaus größer war als zunächst angenommen. Das machen Forschende des LVR-Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland (LVR-ABR) an konkreten Befunden fest: In diesem Jahr wurden ein großes Badehaus und ein riesiges, palastähnliches Gebäude entdeckt, die die römische Vorstadt ins Rampenlicht rücken.
Große Vorstadt mit Badeanlage und Palast
Die Überreste des Legionslagers in Xanten zählen seit 2021 gemeinsam mit 43 anderen Plätzen des Niedergermanischen Limes, also der Grenzlinie des römischen Herrschaftsgebietes durch den heutigen Niederrhein, zum UNESCO-Welterbe. Auch die Vorstadt ist Teil dieses Fundkomplexes. Sowohl sie als auch das Lager entstanden vermutlich im frühen 1. Jahrhundert n. Chr. und wurden bereits 70 n. Chr. durch die Römer selbst zerstört.
In dem länglichen Grabungsschnitt kamen die Strukturen zu Tage, die die Römer einst dort aufbauten.
Die neuen Befunde zeigen, dass die Römer aber schon in dieser kurzen Zeit imposante Bauwerke in der Vorstadt geschaffen hatten. Dazu gehört beispielsweise die Badeanlage, die Archäolog*innen im Frühjahr 2023 entdeckten. Der Gebäudekomplex, in dem sich die Römer vor über 2.000 Jahren wuschen und entspannten, war etwa 60 mal 20 Meter groß. Er war bei Untersuchungen mit modernen Prospektionsmethoden zum Vorschein gekommen. Die Ergebnisse überprüfte das LVR-ABR anschließend mit einer gezielten Ausgrabung, bei der ein kleiner Teil der Anlage freigelegt wurde.
Bei der weiteren Auswertung der Untersuchungen wurde nun das palastartige Gebäude entdeckt. „Das etwa 100 mal 100 Meter große Gebäude weist einen Grundriss auf, der den Residenzen von römischen Statthaltern ähnelt“, sagt Steve Bödecker, Forschungsleiter und Limes-Beauftragter vom LVR-ABR. In Verbindung mit dem Badekomplex lasse das darauf schließen, dass die Siedlung im Vorfeld des Legionslagers eher stadtähnliche Züge aufwies – und um einiges größer war als zuvor geglaubt.
Große römische Zivilbevölkerung in Xanten
„Man war bisher von einer kleineren Siedlung ausgegangen, wie sie auch bei anderen Legionslagern zu finden sind“, sagt Bödecker. Die neuen Erkenntnisse bringen diese Idee aber ins Wanken. Es sei sogar möglich, dass es sich bei den canabae um die von dem römischen Geschichtsschreiber Tacitus erwähnte „Landstadt“ handelt, die in der Region bis etwa 70 n. Chr. existiert haben soll.
„Bislang war sich die Forschung uneinig, ob damit die canabae gemeint waren oder eine Vorgängerin der östlich des Lagers gelegenen Colonia Ulpia Traiana“, so Bödecker. So nannte sich eine römische Stadt im heutigen Xanten, die von 100 bis 275 n. Chr. bestand und ein Hauptort der Provinz Germania inferior war. Heute befindet sich dort der „LVR-Archäologische Park Xanten".
Weitere Untersuchungen sollen nun dabei helfen zu bestimmen, wie groß die Vorstadt vor Vetera castra tatsächlich war – und ob sie es ist, von der Tacitus in seinem Bericht erzählt. Klar ist aber schon jetzt: Während ihrer kurzen Existenz errichteten die Römer beeindruckende Gebäude in den canabae. Gelebt haben dort wohl mehrere tausende Menschen, darunter Angehörige der Soldaten, Handwerker und Händler.