Unheil aus dem 15. Jahrhundert: Fluchtafel in Rostock gefunden

In einer ehemaligen Latrine in Rostock haben Forschende ein zusammengerolltes Bleiblech entdeckt, das einen Fluch gegen zwei Menschen enthält. Der Fund ist eine kleine Sensation – solche Tafeln sind bisher nur aus der Antike bekannt.

Von Lisa Lamm
Veröffentlicht am 19. Dez. 2023, 08:37 MEZ
Ein silbriges Täfelchen mit eingeritzter Inschrift.

Die Fluchtafel aus dem Rostocker Rathaus. In ausgerolltem Zustand sind die Worte „sathanas taleke belzebuk hinrik berith“ lesbar. 

Foto von Archäologie in Mecklenburg-Vorpommern

Bei Abneigungen gegen andere Personen machen sich heutzutage viele Menschen in den sozialen Medien Luft – und schreiben Hasskommentare ins Netz. Auch in der Antike gab es diese Praxis schon: Damals schrieb man seine Verfluchung allerdings nicht ins Internet, sondern auf ein kleines Bleiblech. Anschließend versteckte man es an einem geheimen Ort und hoffte darauf, dass der sogenannte Schadenszauber Wirkung zeigte.

Bislang waren solche Fluchtafeln hauptsächlich aus der Antike bekannt. Ein Fund in einer ehemaligen Latrine in Rostock zeigt nun aber: Auch im Mittelalter verfassten die Menschen noch böse Wünsche gegen ihre Mitmenschen.

Ein Schadenszauber gegen zwei Menschen

Entdeckt wurde das Rostocker Fluchtäfelchen bei Bauarbeiten zur Erweiterung des Rathauses der Stadt. Bei Ausgrabungen, die in diesem Rahmen stattfanden, förderte ein Team aus Archäolog*innen rund um Grabungsleiter Jörg Ansorge ein zusammengerolltes Stück Bleiblech zutage. Bei dessen Untersuchung kam eine Inschrift zum Vorschein: „sathanas taleke belzebuk hinrik berith“. Angesprochen wird darin eine Frau namens Taleke und ein Mann namens Hinrik, also Heinrich. Ihnen hetzt die Verfasserin oder der Verfasser Satan, Beelzebub und Berith, einen dämonischen Geist, auf den Hals.

Die Tafel befand sich am Boden einer ehemaligen Latrine, wo sie nur schwer zu finden war. Das hat laut einer Pressemitteilung der Stadt Rostock einen bestimmten Grund: Die Verfluchten sollten von dem drohenden Unheil nichts mitbekommen. Das sei schon in der Antike Teil des Brauchs gewesen.

Fluchtafeln: Eine weitreichende Tradition

Normalerweise sind Fluch-Täfelchen aus dem Zeitraum zwischen 800 v. Chr. und 600 n. Chr. bekannt. „Unsere Entdeckung lässt sich dagegen auf das 15. Jahrhundert datieren. Das ist wirklich ein ganz besonderer Fund“, so Ansorge. Ähnliche Funde aus dem Mittelalter seien bislang nicht bekannt.

Wer nun genau auf dem Täfelchen verflucht wurde, bleibt hingegen ein Geheimnis der Verfasserin oder des Verfassers. Entstand die Tafel möglicherweise inmitten eines mittelalterlichen Beziehungsdramas? Oder steckten Geldsorgen oder etwas ganz anderes hinter dem Schadenzauber? Erfahren werden wir es wohl nie. Ebenso nicht, ob Taleke und Hinrik glücklich weiterlebten – oder tatsächlich vom Unheil heimgesucht wurden.

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