Zurück ins Büro: Ist das Homeoffice gescheitert?

Immer mehr Unternehmen wollen ihre Beschäftigten wieder öfter in der Firma sehen. Doch viele möchten nicht zurück. Wo arbeitet es sich besser – im Homeoffice oder im Büro?

Von Jens Voss
Veröffentlicht am 2. Mai 2024, 09:53 MESZ
Illustration einer Videokonferenz im Homeoffice

Videokonferenz im Homeoffice: Etwa 25 Prozent der Erwerbstätigen arbeiten regelmäßig von zu Hause aus.

Illustration ST.art / Adobe Stock

Vier Jahre ist es her, dass ein winziges Virus das Leben auf den Kopf stellte. Und damit auch die Arbeitswelt. Vor dem Ausbruch der Pandemie war Homeoffice für manche noch ein Fremdwort. Während der Lockdowns arbeiteten dann in einzelnen Branchen drei Viertel der abhängig Beschäftigten von zu Hause aus. 

Homeoffice wurde zum neuen Normal. Viele Beschäftigte haben es lieben gelernt: Weniger Stress am Morgen, keine verschwendete Zeit beim Pendeln, mehr Konzentration im hoffentlich ruhigen Arbeitszimmer – und natürlich flexiblere Arbeitszeiten. Auch die Unternehmen schienen sich über motivierte Mitarbeitende, einen Rückgang der Fehltage und Kosteneinsparungen zu freuen.

Doch inzwischen rudern viele Firmen zurück. In den USA bestellen Tech-Konzerne wie Alphabet (Google) oder Meta (Facebook) ihre Belegschaft wieder öfter in die Firma. OpenAI-Chef Sam Altman bezeichnet Homeoffice als „gescheitertes Experiment“, Tesla-Boss Elon Musk hält die Remote-Arbeit für „realitätsfremd“ und „moralisch falsch“.

Selbst bei Zoom gilt nun wieder eine Anwesenheitspflicht. Kaum ein Unternehmen verkörperte den digitalen Wandel der Arbeitswelt seit Corona so sehr wie der Videodienstanbieter aus Kalifornien.

Die meisten Unternehmen lehnen Homeoffice ab

Auch hierzulande hadern Vorstände und Geschäftsführerinnen mit dem Homeoffice. Ob Volkswagen, Deutsche Bank oder SAP: Immer mehr Konzerne kehren zur Präsenzarbeit zurück. Zumindest an bestimmten Wochentagen wollen sie ihre Angestellten wieder vor Ort sehen.

Eine Umfrage der Beratungsfirma KPMG bestätigt das. Demnach wünschen sich 68 Prozent der deutschen Unternehmen, dass ihre Belegschaft innerhalb der nächsten drei Jahre wieder ausschließlich im Firmenbüro arbeitet. Viele Chefs fürchten, dass Zusammenhalt, Wissenstransfer und Kreativität leiden, wenn ihre Leute nicht mehr in den Betrieb kommen. 

Nicht nur bei großen Konzernen, auch im Mittelstand macht sich Skepsis breit. Das Deutsche Innovationsinstitut für Nachhaltigkeit und Digitalisierung (diind) hat 2.767 Geschäftsführende von kleinen und mittelgroßen Unternehmen für eine Trendstudie befragt. 

Ergebnis: Nur 27 Prozent sehen das mobile Arbeiten ihrer Beschäftigten positiv. Die Mehrheit lehnt Homeoffice ab. Einer der wichtigsten Gründe: 71 Prozent der Befragten glauben, dass ihre Beschäftigten zu Hause weniger kreativ sind. 

„Weniger Kreativität im Homeoffice bedroht die Innovationskraft des deutschen Mittelstands“, sagt diind-Geschäftsführer Marc Wittbrock. „Wir sind auf die Ideen unserer Menschen angewiesen, um den Wohlstand im Lande langfristig zu sichern.“ Kommt also die Rückkehr der Präsenzpflicht? 

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    Produktiver im Homeoffice?

    Bei den Beschäftigten stoßen solche Ideen auf wenig Gegenliebe. Einer Studie der Unternehmensberatung PwC zufolge wollen die meisten Arbeitnehmer nicht mehr nur im Firmenbüro arbeiten. Mehr als 70 Prozent der Befragten gaben an, dass ihnen das Homeoffice zu höherer Lebensqualität und einer besseren Work-Life-Balance verhelfe. 

    Etwa ein Viertel aller Erwerbstätigen in Deutschland arbeitet regelmäßig von zu Hause aus. Viermal so viel wie vor der Pandemie. Mehr als ein Drittel würde am liebsten gar nicht mehr ins Büro zurückkehren. 

    Was aber sagt die Forschung? Schon vor Corona kam eine internationale Studie zu dem Schluss, dass viele Menschen zu Hause deutlich produktiver arbeiten – unter anderem, weil sie ihre Arbeitszeit besser ausschöpfen und seltener krank sind. Oft arbeiten sie auch einfach länger. 

    Eine aktuelle Studie der Technischen Universität Darmstadt sieht das ähnlich. Beschäftigte im Homeoffice seien „zufriedener“ und stufen sich selbst als „wesentlich produktiver“ ein. 

    Kreativer im Büro?

    Das Problem: Offenbar hält dieser Produktivitäts-Boost nicht ewig. Forscherinnen der Uni Münster gelangten zu dem Ergebnis, „dass ein höheres Ausmaß an Homeoffice mit einem stärkeren Gefühl sozialer Isolation und einer geringeren Identifikation mit dem Arbeitgeber einhergeht“. Fehlt es aber an Austausch und Wir-Gefühl, Feedback und Inspiration, bleibt langfristig auch die Produktivität auf der Strecke.

    Daneben gibt es ein weiteres Manko der Remote-Arbeit: Die Kreativität leidet. US-Forschende aus Columbia und Standford haben das in Experimenten mit 602 Versuchspersonen herausgefunden. Demzufolge sind Menschen weniger einfallsreich, wenn sie nur aus der Ferne über Videokonferenzen miteinander kommunizieren. 

    Die Arbeitsforschung empfiehlt deshalb einen Mix aus Homeoffice und Präsenztagen: Hybrides Arbeiten als das Beste beider Welten.

    “Eine vollständige Rückkehr ins Büro wird es nicht mehr geben.”

    Rita Marie Roland, PwC

    Hybrides Arbeiten zählt

    Trotz aller Vorbehalte sind die meisten deutschen Unternehmen ohnehin gegen eine komplette Abschaffung des Homeoffice. Vielen bleibt gar keine andere Wahl, heißt es in der diind-Studie. Der Grund: Im Zuge des Fachkräftemangels wird es immer schwieriger, gut ausgebildete Leute zu halten. Vor diesem Hintergrund würden Unternehmen auf den Wunsch ihrer Belegschaft nach neuen, hybriden Arbeitsmodellen eingehen.

    „Eine vollständige Rückkehr ins Büro wird es zukünftig nicht mehr geben“, prognostiziert auch Rita Marie Roland, Partnerin bei PwC. Vielmehr müssten sich die Unternehmen überlegen, wie sie ihre Büros gestalten und organisieren wollen, um eine attraktive Arbeitsumgebung anbieten zu können. Kicker und Obstkorb reichen da längst nicht mehr. 

    Möglicherweise entscheidet am Ende das Geld. Laut KMPG-Umfrage können sich drei von vier der deutschen CEOs vorstellen, ihre Angestellten zu befördern oder ihnen mehr Gehalt zahlen, wenn sie dann häufiger ins Büro kommen. 

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